Exminister Walter Döring ist bald nicht mehr Vizevorstandschef bei Windreich. Er will dem Unternehmen als Berater zur Seite stehen. Seinen Wechsel will Döring nicht als Kapitulation vor den Schwierigkeiten der Branche oder gar der Firma verstanden wissen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Pressekonferenz der Windreich AG dauerte schon anderthalb Stunden, da gab es die erste wirkliche Neuigkeit. Ob es stimme, erkundigte sich die StZ, dass der frühere Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) vorzeitig als Vizevorstandsvorsitzender ausscheiden werde? Das hätte eigentlich noch gar nicht bekannt werden sollen, grummelte der Gründer, Chef und Alleinaktionär der Wolfschlugener Firma, Willi Balz. Doch dann bestätigten beide die Veränderung.

 

„Ich gehe, um zu bleiben“, verkündete Döring. Ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages verlasse er den Vorstand auf eigenen Wunsch, künftig werde er dem Unternehmen als Berater zur Seite stehen. Seine Aufgaben blieben zu einem guten Teil die gleichen wie bisher: Kontakte zu allen Ebenen der Politik, Akquise von Flächen für Windkraftanlagen, Betreuung internationaler Investoren. Mit seiner Zuständigkeit auch fürs Personal, so die etwas konstruiert wirkende Begründung, habe sich das nicht mehr vereinbaren lassen. Künftig werde er „überwiegend außerhalb von Wolfschlugen“ tätig sein, den Titel des Vizevorstandschefs brauche er dafür nicht.

Exminister soll wieder in den Aufsichtsrat

„Wir bleiben eng zusammen, die Energiewende braucht uns beide“, sekundierte Balz. Er könne sich gut vorstellen, dass Döring wieder an die Spitze des Aufsichtsrates rücke. Für den Ex-Politiker wäre es die vierte Funktion binnen vier Jahren bei Windreich: erst war er Berater, dann Chefkontrolleur, dann Vizechef, nun wird er wieder Berater und Aufseher. Seinen Wechsel wollte Döring mitnichten als Kapitulation vor den Schwierigkeiten der Branche oder gar der Firma verstanden wissen. Im Gegenteil: den Wolfschlugenern gehe es „besser als allen andern“.

Doch das „schwierige Umfeld“ für die Offshore-Windkraft, also Rotoren in Nord- und Ostsee, macht auch Willi Balz zu schaffen. „Wir sehen uns einer aggressiv-negativen Presse- und Lobbyarbeit ausgesetzt“, beklagte der Pionier. Die breit diskutierten Probleme mit der Netzanbindung etwa belasteten auch sein Unternehmen, obwohl es sie gar nicht beträfe. Für alle drei Windreich-Projekte in der Nordsee sei der Anschluss gesichert, betonte der Vorstandschef und zeigte Fotos des kilometerlangen, armdicken Kabels. Wenig hilfreich sei auch eine Fraunhofer-Studie, nach der die Betriebszeit der Anlagen – entscheidend für die Rentabilität – weit unter den bisherigen Annahmen bleibe. „Die können nicht rechnen oder nicht denken“, ereiferte sich Balz über die Forscher, die er von Interessen der Solarindustrie geleitet sieht. „Wir Deutschen sind die Weltmeister im Totreden“, schimpfte er. Dabei seien die Aussichten für die Offshore-Windkraft im Allgemeinen und Windreich im Besonderen mittelfristig hervorragend: Sobald der nächste Windpark komplett verkauft sei, „schlagen bei uns 200 Millionen Euro Gewinn auf“, frohlockte der Firmenchef; aktuell bezifferte er den Jahresüberschuss bei einem Umsatz um 120 Millionen Euro auf zehn Millionen Euro.

Anleger teilen Optimismus offenbar nicht

Doch sein Optimismus wird von den Anlegern, die zwei Windreich-Anleihen über 75 und 50 Millionen Euro gezeichnet haben, nur bedingt geteilt. Die Kurse der im Bond-M-Segment der Stuttgarter Börse gehandelten Papiere waren in den vergangenen Monaten kräftig eingebrochen; erst zuletzt erholten sie sich wieder. Dadurch sieht sich Balz in seinem Entschluss bestärkt, den Windreich-Finanzchef Matthias Hassels abzulösen. Einst hatte er den von der Schweizer Sarrasin-Bank geholten Diplom-Kaufmann mit Vorschusslob überhäuft, nun machte er aus seiner Unzufriedenheit mit ihm keinen Hehl. „Da ich persönlich mit einem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag hafte, möchte ich die Verantwortung für die Finanzen künftig selbst in die Hand nehmen“, begründete er die offiziell in „beiderseitigem Einvernehmen“ erfolgte Trennung. Nach vier Wochen als Finanzvorstand bescheinigte sich Balz, dass „ich das besser hinkriege als der Herr Hassels“ – das zeige ihm jedenfalls die Reaktion der Finanzmärkte.

Nicht ganz so einvernehmlich wie dargestellt verlief offenbar auch der Abschied von Hans-Jörg Bullinger als Windreich-Aufsichtsratschef. Offiziell hatte der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft das Mandat zum Jahreswechsel abgegeben, um mehr Zeit für seinen Hauptberuf zu haben. Doch zwischen ihm und Balz, wurde jetzt deutlich, gab es auch erhebliche Differenzen – etwa über die Prozesse mit Mitgesellschaftern des Windparks Global Tech 1.

Sieg vor Gericht gegen die Partner aus München

Bullinger habe ihm massiv vom Klagen abgeraten, berichtete der Vorstandschef. In einem der beiden Verfahren habe er jetzt freilich vor dem Landgericht Stuttgart auf ganzer Linie gewonnen: Seine Abberufung als Geschäftsführer von GT 1 sei für unwirksam erklärt worden – ein Urteil, das für ihn mehr als 40 Millionen Euro wert sei. „Da werden in München manche noch ganz schön zittern müssen“, drohte er seinen Partnern bei den dortigen Stadtwerken.

Während für Hassels nun ein Nachfolger gesucht wird, scheint der für Döring bereits gefunden: der Inder Anil Srivastava, der vom Areva-Konzern zu Windreich wechselte. Der sei so gut, lobte Balz, dass er „ganz leicht auch mich ersetzen könnte“. Dörings Reaktion: ein zweifelndes „Oh . . .“