Der Bosch-Manager Wolf-Henning Scheider löst im Juli Heinz Junker an der Spitze des Stuttgarter Kolbenherstellers ab. Junker führte das Unternehmen rund 19 Jahre lang.

Stuttgart - Der neue Mahle-Chef kommt von Bosch. Wolf-Henning Scheider (52) wird am 1. April 2015 zu dem Stuttgarter Kolbenhersteller wechseln und zunächst stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung werden. Bereits drei Monate später wird er die Gesamtverantwortung für das Stiftungsunternehmen übernehmen, teilten sowohl Bosch als auch Mahle mit. Zu diesem Zeitpunkt wechselt der langjährige Mahle-Chef Heinz Junker in den Mahle-Aufsichtsrat sowie in das stimmberechtigte Gesellschaftergremium Mabeg; in beiden Gremien soll er den Vorsitz erhalten. Klaus Bleyer, der Amtsinhaber und frühere Chef von ZF Friedrichshafen, wird sich dann zurückziehen.

 

Der Wechsel von Scheider kommt überraschend. Der gebürtige Saarbrücker ist zwar schon seit 2010 Bosch-Geschäftsführer. Aber erst im Juli vergangenen Jahres wurde er Sprecher des mit Abstand wichtigsten Bosch-Unternehmensbereichs Kraftfahrzeugtechnik und damit Nachfolger von Bernd Bohr, der viele Jahre lang an der Spitze der Kfz-Technik stand. Allerdings, die Macht, die Bohr hatte, wurde Scheider nicht zugestanden. Er musste die Verantwortung für wichtige Bereiche – wie etwa das Dieselgeschäft – an Rolf Bulander abtreten. Scheider trat als Koordinator der Bosch-Kraftfahrzeugtechnik auf, zudem verantwortete er Marketing, Vertrieb, den Verkauf Kraftfahrzeug-Erstausrüstung sowie die Tochter ZF Lenksysteme.

Scheider startete 1987 bei Bosch

Scheider, der Betriebswirtschaft studiert hat, startete 1987 seine Karriere bei Bosch. Seine Stationen führten ihn ins In- und Ausland – so war er etwa Bereichsvorstand Car Multimedia in Hildesheim. Scheider ist kommunikativ, so lässt er sich in kleiner Runde auch schon mal auf eine Diskussion über die Bedeutung von Krawatten ein. Und auch um flotte Sprüche ist er nicht verlegen. Beispiel gefällig? Als Bosch vor wenigen Monaten sämtliche Anteile an der ZF Lenksysteme übernahm, kommentierte er dies so: „Bisher haben wir Gas gegeben – jetzt können wir auch noch lenken“. Auch wenn er Kaufmann ist, so versteht er etwas von Technik und kann selbst komplexe Sachverhalte einfach erklären. Künftig werden Kolben und Klimatechnik, wichtige Geschäftsfelder von Mahle, seine Themen sein.

Wenn Heinz Junker im Sommer nächsten Jahres den Chefsessel räumen wird, hat er rund 19 Jahre die Geschicke des Stiftungsunternehmens geleitet. Sein Vertrag läuft angeblich noch bis Frühjahr 2015. Übrigens: Exakt am Tag seines 65. Geburtstags wurde nun sein Nachfolger präsentiert. In seiner lange Zeit als Mahle-Chef hat Junker, der im Unternehmen respektvoll „der Professor“ tituliert wird, das Stiftungsunternehmen geprägt wie kaum ein Anderer. Er hat es in die Liga der international größten Zulieferer katapultiert. Als er kam, setzte Mahle mit rund 15 000 Mitarbeitern gut 1,3 Milliarden Euro um. Ende dieses Jahres werden die Erlöse auf 9,7 bis 9,8 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt sein. Gut 63 500 Beschäftigte stehen dann auf der Gehaltsliste.

Junkers Erfolgsbilanz

Dieses rasante Wachstum ist auch auf Zukäufe zurückzuführen, nicht zuletzt auf die Integration des Stuttgarter Kühlerherstellers Behr. Es war ein geradezu genialer Schachzug. Behr steckte damals in ernsten finanziellen Schwierigkeiten, Mahle präsentierte sich quasi als Retter in der Not. Dies bescherte Junker zweifellos eine gute Verhandlungsposition. Mehr noch: Es wurde eine schrittweise Übernahme vereinbart, so dass der Deal für Mahle gut kalkulierbar war. Zudem bescherte sie Mahle neue, zukunftssichere Geschäftsfelder – Klimaanlagen oder Thermomanagement brauchen nun mal alle Autos, Kolben finden sich nur in Verbrennungsmotoren.

Junker hat aber auch die Internationalisierung vorangetrieben. Mitte der 1990er Jahre erzielte der Konzern noch knapp 44 Prozent seines Umsatzes in Deutschland und gerade mal drei Prozent in der Region Asien, Australien und Afrika. Mittlerweile werden 46 Prozent in Europa erlöst – der Deutschland-Umsatz wird nicht mehr getrennt ausgewiesen. In Asien setzt Mahle heute jeden fünften Euro um.

Ingenieur durch und durch

Der gebürtige Westfale Junker, der sein Wissen über die Geschäftszahlen immer wieder unter Beweis stellt – und so seinen Vorstandskollegen durchaus auch mal die Schau stiehlt –, ist Ingenieur durch und durch. In Aachen hat er Kraftfahrtwesen studiert und promoviert. Das Auto hat ihn nicht mehr losgelassen. Nüchtern verfolgt er die Entwicklungen am Markt, analysiert sie akribisch und ist anschließend von seinem Weg kaum mehr abzubringen. Beispiel Elektromobilität. Als die Euphorie hochkochte, blieb Junker auf dem Boden: „Das reine Elektrofahrzeug hat in bestimmten Marktsegmenten sicherlich eine realistische Chance. Aber es wird ein Nischenfahrzeug bleiben,“ sagte er 2010 in einem StZ-Interview. Er hat bis jetzt Recht behalten. Auch langfristig sah er überschaubare Chancen für Stromer: „Die technologischen Fortschritte von heute deuten darauf hin, dass man in der Reichweite immer sehr begrenzt sein wird“, sagte in demselben Interview. Um seine Ansicht zu untermauern, lieferte er dem Interviewer denn auch gleich in einfachen, verständlichen Worten einen technischen Schnellkurs zur Elektromobilität mit.

In solchen Schulungen hat er freilich Übung. Seit 1987 ist er Lehrbeauftragter für Fahrzeugdynamik an der Ruhr-Universität Bochum; 1994 wurde er Honorarprofessor.