Die Tage bei ZF sind unruhig. Erst vor kurzem hat Aufsichtsratschef Giorgio Behr sein Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Jetzt folgt Stefan Sommer, der das Unternehmen seit 2012 führte.

Stuttgart - Es ist ein Knall und dennoch fällt die Nachricht kurz aus: Stefan Sommer (53), seit rund fünf Jahren Chef des Zulieferers ZF Friedrichshafen, legt mit sofortiger Wirkung sein Amt nieder. Der erst seit wenigen Tagen amtierende Aufsichtsratschef Franz-Josef Paefgen und Sommer seien übereingekommen, die Zusammenarbeit zu beenden, schreibt das Stiftungsunternehmen in einer Mitteilung. Ein Nachfolger soll „in Kürze“ vom Aufsichtsrat berufen werden, heißt es weiter. Bis dahin werde Finanzchef Konstantin Sauer (58) interimsweise auch die Gesamtverantwortung übernehmen. „Wir danken Dr. Sommer für seine langjährige erfolgreiche Tätigkeit für das Unternehmen“, würdigte Paefgen die Arbeit von Sommer. Er habe das Unternehmen „tatkräftig weiterentwickelt“. Kein Satz von Andreas Brand, Oberbürgermeister der Stadt Friedrichshafen und damit Vorsitzender der Zeppelin Stiftung, die 93,8 Prozent der ZF-Anteile hält. Auch nur in der Überschrift stehen die Worte „einvernehmliche Trennung“.

 

Gründe für die Trennung werden nicht genannt. Erst vor kurzem wurde der Vertrag Sommers bis 2022 verlängert. Doch das Brand und Sommer nicht miteinander konnten, ist spätestens publik, seit Sommer sich im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“ mit den Worten zitieren ließ, dass die Stadt sich aus dem operativen Geschäft heraushalten solle. Übrigens, auch die Dividende soll von 2017 an, deutlich steigen.

Sommer katapultiert ZF in die technologische Neuzeit

Sommer hat das Stiftungsunternehmen in den vergangenen Jahren umgekrempelt – und in die technologische Neuzeit katapultiert. Tatsächlich sind die Erfolge des 53-jährigen Westfalen, der das Tempo liebt, beachtlich. Als er 2012 auf dem Chefsessel der Friedrichshafener Platz nahm, setzte das Unternehmen mit knapp 74 800 Mitarbeitern etwa 17,4 Milliarden Euro um. Bis zum vergangenen Jahr hat sich sowohl die Belegschaft als auch der Umsatz verdoppelt: auf etwa 138 300 Mitarbeiter und 35,2 Milliarden Euro Umsatz. Damit hat das Unternehmen zu den Riesen der Branche – Bosch und Conti – aufgeschlossen.

Natürlich hat die kreditfinanzierte Übernahme des US-Konkurrenten TRW einen gehörigen Anteil daran. Mit diesem Zukauf hat das Unternehmen vom Bodensee, das stark am Verbrennungsmotor hing, bei Themen wie Sicherheitstechnik und autonomem Fahren aufgeholt. Zehn Milliarden Euro zahlte ZF für den US-Konzern, der damals mit 65 000 Mitarbeitern 12,8 Milliarden Euro umsetzte und damit etwas kleiner als ZF war. In einem beachtlichen Tempo wurde sowohl die Integration als auch der Schuldenabbau gemeistert. Erst vor kurzem hat ZF Anleihekäufern in den USA ein Angebot unterbreitet, die Papiere vorzeitig zurückzukaufen – eindrucksvoller lässt sich die finanzielle Stärke kaum demonstrieren.

Akquisitionsreiche Zeit

Doch es war beileibe nicht nur die eine Akquisition, die der Porsche-begeisterte Sommer in seiner Amtszeit getätigt hat. Es gab viele mehr oder weniger großer Zukäufe, um den traditionsreichen Getriebe- und Achshersteller auf Themen wie Roboterautos, Digitalisierung und Elektrifizierung zu trimmen. Wie stark sich das Unternehmen verändert hat, zeigt ein Blick in die Geschäftsberichte. Waren Anfang 2012 noch 117 Tochtergesellschaften – 113 davon im Ausland – in den ZF-Bücher enthalten (Vollkonsolidierung), waren es Ende 2016 bereits 272 Töchter (250 davon aus dem Ausland).

Es hätten noch mehr Akquisitionen sein können. Großes Interesse hatte ZF am Bremsenhersteller Haldex – zog allerdings im Bieterverfahren gegen Knorr-Bremse den kürzeren. Aber auch Knorr-Bremse scheiterte letztlich an den Kartellbehörden. Auch die Übernahme des Bremsenherstellers Wabco, die das Lkw-Geschäft ergänzt hätte, missglückte. Angeblich, so die Spekulationen, ist Sommer hier am Aufsichtsrat gescheitert, dem eine weitere Milliardenübernahme angeblich zu riskant war; offiziell bestätigt wurde das nie. Und auch diese Zahl spiegelt die tatsächliche Entwicklung nur ungenau wider: Denn die ZF, die sich trotz des Umbaus profitabel entwickelt hat, hat nicht nur zugekauft, sondern auch verkauft – so musste sich ZF, um den Segen der Kartellbehörden für den TRW-Deal zu bekommen, von der Tochter ZF Lenksysteme (50:50-Jointventure mit Bosch) trennen. Verkauft hat ZF auch seinem Bereich Gummi-Kunststoff; 3300 Mitarbeiter waren betroffen, 1700 von ihnen an den deutschen Standorten Bonn, Simmern im Hunsrück sowie Damme (Niedersachsen). Nicht zuletzt weil ein chinesischer Bieter zum Zuge kam, hatten sich die Arbeitnehmer im ZF-Aufsichtsrat gegen das Geschäft ausgesprochen.

Finanzchef Sauer übernimmt

Nun übernimmt der Finanzchef Sauer übergangsweise die Gesamtverantwortung. Er kennt das Geschäft. Der promovierte Betriebswirt steht seit 1990 auf der Gehaltsliste des Stiftungsunternehmens. Er war unter anderem Finanzchef bei der brasilianischen Tochter und verantwortete das operative Geschäft in Südamerika bevor er 2005 zurück nach Deutschland kam und fünf Jahre später Finanzchef des Konzerns wurde. Obwohl er in einem finanziell eher vorsichtig agierenden Stiftungsunternehmen groß geworden ist, hat er sich an die „Neuzeit“, die mit Sommer Einzug hielt, hervorragend entwickelt – und von vielen Seiten Lob geerntet.