Fragen und Antworten Die Folgen der Euroschwäche
Die Gemeinschaftswährung verliert gegenüber dem Dollar an Boden. Wir beleuchten die Folgen für Verbraucher und Unternehmen.
Die Gemeinschaftswährung verliert gegenüber dem Dollar an Boden. Wir beleuchten die Folgen für Verbraucher und Unternehmen.
Der Euro notiert auf einem Fünfjahrestief. In den vergangenen zwölf Monaten hat die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar rund 13 Prozent an Wert verloren. Während ein Euro vor einem Jahr noch 1,23 Dollar kostete, sind es jetzt nur noch 1,06 Dollar. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Euroabwertung.
Beschleunigt der niedrige Wechselkurs die Inflation?
Ja, denn viele Rohstoffe werden in Dollar gehandelt. Da der Dollar jetzt rund 95 Eurocent kostet und nicht mehr 82 wie im vergangenen Sommer, steigen die Rohstoffpreise in Euro umgerechnet besonders schnell. Ein Beispiel: Nordseeöl (Brent) kostet derzeit 110 Dollar pro Barrel (159 Liter), gut 60 Prozent mehr als vor einem Jahr. In Euro umgerechnet stieg der Preis um 90 Prozent.
Gleichzeitig verteuert ein schwacher Euro auch die Einfuhr anderer Waren, die in Fremdwährungen bezahlt werden müssen. Das gilt laut einer Auswertung des Statistischen Bundesamts, die sich allerdings auf 2018 bezieht, für etwas über die Hälfte der deutschen Importe.
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Hilft der schwache Euro den Exporteuren?
Für den Verkauf von Waren kann ein schwacher Euro Vorteile bringen. Das gilt nicht nur für Exporte, sondern unter Umständen auch für den Absatz im Inland, wie der Konjunkturexperte Olaf Wortmann vom Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) erläutert: „Nehmen wir an, ein Maschinenbauer von der Schwäbischen Alb will nach Bremen liefern – da hat er gegenwärtig Wettbewerbsvorteile gegenüber einem Anbieter aus den USA.“
Dass der Wechselkurs den deutschen Unternehmen aktuell viel nütze, sei aber unwahrscheinlich, meint Wortmann: „Derzeit besteht eher die Gefahr, dass die Nachfrage sinkt – die chinesische Wirtschaft lahmt infolge der strengen Coronaregeln, in den USA besteht die Gefahr, dass die Notenbank wegen der hohen Inflation das Wachstum drosselt.“ Hinzu komme die Verunsicherung durch den Krieg in der Ukraine. Trotzdem bringe der schwache Euro in dieser schwierigen Situation „eine gewisse Erleichterung“ für die Exporteure, sagt Gregor Wolf, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel. Dies gelte insbesondere für Ausfuhren in die USA und nach Lateinamerika, die in Dollar abgerechnet würden. „Außerdem schwimmen die Ölscheichs im Nahen und Mittleren Osten jetzt in Petro-Dollar, was den Absatz von Waren dort beflügelt.“
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Zahlen Urlauber drauf?
Das kommt aufs Reiseland an. Ein Urlaub in den USA ist wegen des starken Dollar aktuell deutlich kostspieliger als noch vor einem Jahr. Auch die Schweiz ist für deutsche Reisende derzeit noch teurer als sonst. Gegenüber dem britischen Pfund hat der Euro dagegen nur leicht nachgegeben. Der Wechselkurs zu der Dänischen, der Norwegischen und der Schwedischen Krone ist gegenüber dem letzten Sommer praktisch unverändert. Gegenüber der Türkischen Lira hat der Euro binnen Jahresfrist sogar um 60 Prozent zugelegt, genauso stark stiegen in dem inflationsgeplagten Land aber auch die Verbraucherpreise.
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Warum ist der Dollar so stark?
Dafür gibt es mehrere Gründe. In den USA übersprang die Inflationsrate bereits im Frühsommer 2021 die Marke von fünf Prozent. Das löste schon damals Spekulationen aus, die US-Notenbank werde ihre Geldpolitik straffen – was sie dann ab November auch tat. Schon die Aussicht auf ein Ende des billigen Geldes führte zu einem Anstieg der Kapitalmarktzinsen. Höhere Zinsen in den USA verbessern tendenziell die Rendite von Geldanlagen in US-Dollar, der Greenback gewann also an Attraktivität.
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Hinzu kam der russische Angriff auf die Ukraine, der die europäische Wirtschaft stärker belastet als die amerikanische. Aus diesem Grund bleiben auch Zweifel, ob die Europäische Zentralbank (EZB) wie angekündigt im Sommer ihren Leitzins erhöht. Wenn sie aber zur Tat schreite, „könnte der Euro davon profitieren“, meint die Commerzbank-Analystin You-Na Park-Heger. Tatsächlich erholte sich die Gemeinschaftswährung am Dienstag vorübergehend, weil das niederländische EZB-Ratsmitglied Klaas Knot für einen besonders großen Zinsschritt im Juli plädierte.
Ist ein schwacher Euro nun gut oder schlecht?
Ob die Vorteile der aktuellen Euroschwäche beim Export die Nachteile beim Import von Vorleistungen aufwiegen, kommt auf die Branche, deren Abhängigkeit von Rohstoffen und ihre Stellung im weltweiten Wettbewerb an. Die chemische Industrie beispielsweise steht vor dem Problem, dass sie Öl und Erdgas nicht nur als Energieträger, sondern auch als Basis für Grundchemikalien benötigt. Dass die Preissteigerungen für diese Rohstoffe durch die Euroschwäche verschärft werden, trifft die europäischen Chemiekonzerne also hart. Zumal ihre Konkurrenten in den Vereinigten Staaten wegen der Schiefergasförderung im eigenen Land sowieso schon weniger zahlen.
Verliert eine Währung gegenüber anderen über Jahre an Wert, so kann das weitere Probleme mit sich bringen: Es gebe die Gefahr, dass sich Exporteure an „das süße Gift“ eines für sie vorteilhaften Wechselkurses gewöhnten und nicht mehr genug in die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte investierten, sagt VDMA-Experte Wortmann. Das räche sich dann bei der nächsten Wechselkursänderung. Als abschreckendes Beispiel gilt Italien, das die Weichwährung Lira für den Euro aufgab – und seither unter Wachstumsschwäche leidet.
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