Die EU will die Fristen bis zum finanziellen Neustart verkürzen. Das soll Betroffenen die Insolvenz erleichtern.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Stuttgart - Unternehmern und Verbrauchern in finanziellen Notlagen soll der Ausweg aus der Schuldenfalle erleichtert werden. Das Europaparlament wird voraussichtlich am Mittwoch eine Richtlinie verabschieden, die für insolvente Unternehmer eine Entschuldung binnen drei Jahren vorsieht. Das Bundesjustizministerium prüft eine entsprechende Verkürzung auch für Verbraucherinsolvenzen. Gegenwärtig ist die sogenannte Restschuldbefreiung nach drei Jahren nur möglich, wenn bis dahin die Verfahrenskosten und 35 Prozent der Schulden beglichen wurden. Dies gelingt aber weniger als zwei Prozent der Schuldner. Die meisten Insolvenzverfahren dauern fünf bis sechs Jahre.

 

Der Anwaltsverein begrüßt die Reformpläne

Die Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz im Deutschen Anwaltverein begrüßt die Reformpläne. „Eine Verkürzung der Regelfrist auf drei Jahre würde einen deutlichen Ruck bedeuten“, sagte Axel Seubert, Beirat der Arbeitsgruppe und Kooperationspartner des Verbraucherinsolvenzbüros Stuttgart, unserer Zeitung.

Gegenwärtig scheuen viele Betroffene den Antrag auf Insolvenz. Die Zahl der Verfahren geht seit Jahren zurück: Laut dem jüngsten Schuldenbarometer der Hamburger Auskunftei Crifbürgel meldeten 2018 bundesweit 88 995 Bürger eine Privatinsolvenz an, 5,4 Prozent weniger als 2017. Das klingt zunächst nach einer guten Nachricht, doch die Zahl der Überschuldeten ist im vergangenen Jahr erneut leicht gestiegen. Sie liegt bei 6, 9 Millionen.

Der Bundesverband der Inkasso-Unternehmen (BDIU) hält eine beschleunigte Retschuldbefreiung dennoch für falsch. Sie könnte „als regelrechte Einladung zum Schuldenmachen missverstanden werden“, warnt BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd. Sie verweist darauf, das zuletzt vor allem die „Konsumverschuldung“ zunahm, Menschen also vermehrt wegen leichtfertiger Ausgaben in die Schuldenfalle rutschten. Als Hauptauslöser gelten laut Umfragen bei Schuldnerberatungsstellen allerdings Arbeitslosigkeit, Erkrankung oder Sucht sowie der Verlust des Lebenspartners durch Trennung oder Tod.

Offen ist der Effekt für die Gläubiger

Pedd befürchtet bei einer Verkürzung der Insolvenzverfahren auch Nachteile für die Gläubiger. Fachanwalt Seubert wies indes darauf hin, dass auch bei den heutigen Fristen nur ein kleiner Teil der Forderungen beglichen werde: „Bei weniger als 50 Prozent der Verfahren springt überhaupt Geld für die Gläubiger heraus. Bei einer Verkürzung würde es vermutlich noch etwas weniger, dafür würden die Gläubiger aber Verwaltungskosten sparen.“ Zudem soll auch künftig die Möglichkeit bestehen, unredlichen Schuldnern eine Restschuldbefreiung zu versagen. „Die Richtlinie ist ein guter Kompromiss“, sagt die CSU-Politikerin Angelika Niebler, die den Reformvorschlag als Berichterstatterin für das EU-Parlament begleitet hat. Bis die neuen Regeln in deutsches Recht umgesetzt sind, könnten noch drei Jahre vergehen.

– Der Offenbarungseid als Chance