Auch Baden-Württemberg will Veranstaltungen mit über 1000 Menschen wegen des Coronavirus untersagen. Damit folgt das Land der Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Stuttgart - Wegen der Ausbreitung des neuen Coronavirus sollen in Baden-Württemberg Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen verboten werden. Es werde eine bindende Verordnung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht, kündigte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart an. Für die Kommunen werde diese „als verbindliche Leitlinie dienen“, sie müssen sich laut Ministerium an das Verbot halten. Die Landesregierung folgt damit anderen Bundesländern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen, die bereits Verbote ausgesprochen oder angekündigt hatten.

 

Der Beschluss wird vor allem den Sport, Messen und die Kultur hart treffen, aber auch das Handwerk und den Tourismus. Mit dem Verbot sollen die Infektionsketten unterbrochen werden, wie Lucha mitteilte. Das Kabinett werde die Rechtsverordnung im Laufe der kommenden Tage beschließen, sagte sein Sprecher. Weitere Details nannte er nicht.

Damit folgen die Länder und auch Baden-Württemberg Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der am Sonntag empfohlen hatte, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern vorerst abzusagen. Eine generelle Schließung von Schulen und Kitas war zunächst in keinem Bundesland vorgesehen.

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Ziel des Verbots sei es auch, eine unkontrollierte, schnelle Ausbreitung des Virus zu verhindern, sagte Lucha. Allerdings steigt die Zahl der Infektionen bereits seit Tagen auch in Baden-Württemberg stark - und sie wird allen Anzeichen nach weiter zunehmen. Ein Ende ist nach Einschätzung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch lange nicht in Sicht. Im Gegenteil, man stehe erst am Anfang der Ausbreitung, sagte Kretschmann in Stuttgart. Ziel sei es weiter, die Ausbreitung zu bremsen. Bislang habe man das gut geschafft. Prognosen zu weiteren Ansteckungszahlen wollte die Regierung zunächst nicht geben.

In Baden-Württemberg sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Dienstag inzwischen mindestens 277 Menschen mit dem Virus infiziert oder infiziert gewesen, am Dienstag seien 45 neue Fälle hinzugekommen, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, für Menschen unter 50 Jahren und ohne Vorerkrankungen ziehe das neuartige Coronavirus in der Regel keine lebensgefährliche Krankheit nach sich. Es gelte, vor allem ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen. Er verstehe die Sorgen, könne manches aber auch nicht nachvollziehen, sagte Strobl. „Für Hamsterkäufe gibt es keine Veranlassung.“

Die Hotels und Gaststätten bekommen die Folgen der Vorsichtsmaßnahmen schon voll zu spüren. Im Durchschnitt lägen die Umsatzeinbußen jetzt bei einem Drittel, sagte Tourismusminister Guido Wolf (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem die Absagen von Messen, Tagungen, Firmenveranstaltungen und Geschäftsreisen führten zu einer enormen Zahl von Stornierungen. In diesem Bereich liege der Rückgang des Buchungsvolumens bei rund 80 Prozent.

Wolf geht nach Gesprächen mit der Branche davon aus, dass bei drei von vier Betrieben im Hotel- und Gastgewerbe der Umsatz deutlich zurückgegangen ist. „Wir müssen alles dafür tun, dass aus der Coronakrise keine Wirtschaftskrise im Tourismus wird“, sagte er.

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Kinos und Theater in Baden-Württemberg trotzen dagegen bislang dem neuartigen Coronavirus. Auch ein Spiel des VfB Stuttgart fand am Montagabend vor fast ausverkaufter Kulisse statt. „Das wird meines Erachtens das letzte Bundesligaspiel in der Größenordnung vor Zuschauern für eine Zeit X gewesen sein“, sagte Lucha.

Größere Theater wie das Nationaltheater Mannheim und das Staatstheater Karlsruhe stellen sich aber auf das Verbot ein. Das Nationaltheater gibt nicht alle rund 1200 Sitzplätze ihres Opernhauses in den Verkauf, um unter der empfohlenen Höchstgrenze zu bleiben. Das Staatstheater Karlsruhe geht ähnlich vor. Das Festspielhaus in Baden-Baden, größtes Opernhaus in Deutschland, kündigte an, den Erlass des Ministeriums abzuwarten und dann umgehend zu reagieren.

Für Unmut sorgte in der Regierung eine Äußerung des Hauptgeschäftsführers des Landkreistags, Alexis von Komorowski. Dieser hatte den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“ (Dienstag) gesagt: „Wir glauben, dass wir uns die Eindämmungspolitik nicht mehr länger leisten können.“ Die Übertragung lasse sich auch durch einen „Überbietungswettbewerb“ von Einschränkungen kaum mehr aufhalten, stattdessen komme es zu Engpässen bei Schutzausrüstungen und anderen Ressourcen. „Wir laufen auch Gefahr, das Gesundheitswesen und seine Behörden durch diese Eindämmungspolitik komplett lahmzulegen.“

Kretschmann entgegnete, die Landkreise seien in den entsprechenden Gremien vertreten. Wenn es andere Vorschläge oder Kritik gebe, solle sie das dort vorbringen.