So mancher Stadtrat möchte eher mehr als weniger Parkplätze im Stuttgarter Zentrum haben. Aber daraus wird nichts werden.

Stuttgart - Alles Aufbäumen nützte dem konservativ-bürgerlichen Lager nichts: Am Dienstag hat der Umwelt- und Technikausschuss mit der denkbar knappsten Mehrheit den Zielbeschluss gefasst, rund 150 bis 200 oberirdische Parkplätze innerhalb des Cityrings in Flanierzonen umzuwandeln. Er tat das mit neun zu acht Stimmen. Der Gemeinderat dürfte diesen Mittwoch mit knapper Mehrheit nachziehen. Was Grüne, SPD, SÖS/Linke-plus und der Stadtist als weitere Maßnahmen für eine „lebenswerte Stadt“ verstehen, wird von OB Fritz Kuhn (Grüne) ausdrücklich geteilt. Die Verwaltung werde nach dem Ratsbeschluss alles tun, damit man bei den Etatberatungen im Herbst Gelder für Umsetzungsschritte einplanen kann.

 

Der Lieferverkehr soll besser organisiert werden

Das öko-soziale Lager bekräftigte, dass vom Cityring künftig nur noch jene zu den Parkgaragen im Zentrum abbiegen können sollen, die wirklich in den Garagen parken. Selbstdarsteller, die kein Parkticket ziehen und nur im Zentrum herumkurven wollen, will man frühzeitig stoppen. Der Lieferverkehr soll besser organisiert werden. Andreas Winter (Grüne) sagte, er könne sich die Eberhardstraße „gut als Fußgängerzone vorstellen“. SÖS/Linke-plus räumten ein, dass sie über diesen Beschluss hinaus die Vision von einer autofreien City ohne Parkgaragen im Cityring verfolgen. Stadtist Ralph Schertlen äußerte, die Parkgaragen sollten „mittelfristig unangetastet bleiben“.

Die Debatte war vor allem die Stunde heftiger Emotionen. Stuttgart ersticke an der Ideologie der autogerechten Stadt, sagte Christoph Ozasek (Linke). Michael Conz (FDP) prophezeite, das linke Lager im Rat werde das Parkplatzangebot letztlich unter Mithilfe der SPD so lang reduzieren, bis der Einzelhandel im Zentrum „plattgemacht“ sei. Er fahre jetzt schon lieber nach Echterdingen zum Einkaufen. Eberhard Brett (AfD) gab zu erkennen, dass für ihn Leben ist, wo Autos sind: „Wenn auf dem Marktplatz Autos geparkt werden könnten, wäre auch er sehr belebt.“ Jürgen Zeeb (Freie Wähler) warnte: „Vom Flanieren und toten Geschäften kann keine Großstadt leben.“

In den Augen der SPD klärte die Kontroverse daher sehr plastisch die Fronten. „Das andere Lager will mehr Echterdingen und Einkaufszentren draußen vor der Stadt“, sagte Martin Körner. Den Wettbewerb um das größte Parkplatzangebot könne die Stuttgarter Innenstadt aber nicht gewinnen.

Kritik an Händler-Kritik

Besonders im Blickpunkt stand Hans H. Pfeifer (SPD), der früher Citymanager war und nun von Händlern kritisiert wird. Er gab die Kritik zurück. Es gehe hier nicht um einen Kreuzzug gegen das Auto oder gegen Parkplätze. Man wolle nur rund 150 Parkplätze rausnehmen, die Verkehr anziehen und daher viel Unruhe zwischen Fußgängerzonen und verkehrberuhigten Zonen stiften. Man wolle weniger als ein Prozent der Parkplätze im Innenstadtbereich opfern: „Das hat keine Relevanz für die Erreichbarkeit der Innenstadt.“ Selbstverständlich kämpfe der Handel mit schwierigen Rahmenbedingungen. Wer wegen 150 Parkplätzen aber den Tod des Einzelhandels an die Wand male, habe die Signale der Zeit nicht erkannt und mache es sich „selbst schwer“, sagte Pfeifer. Das war auf Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, gemünzt. Pfeifer griff auch auf, dass Vertreter des Einzelhandels die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier als Kronzeugin gegen die Stuttgarter SPD herangezogen und die Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr (FDP) mit der Warnung zitiert hatten, von der Königstraße noch mehr Besucher abzuhalten. Breymaier habe in Ludwigsburg ganz allgemein gesagt, dass der Handel Parkplätze brauche, das bestreite aber niemand. Landtagsabgeordnete wie Reich-Gutjahr täten gut daran, nicht übereilt auf Themen aufzuspringen. Viele Besucher der Königstraße kämen mit Bus oder Bahn, sagte Pfeifer. Die Besucherstatistik bei Einkaufsmeilen und die Art der Erhebung müsse man sich genau anschauen. Manche Händler seien aufgeschlossener für das neue Konzept als jene, die den Handel repräsentieren wollten. Der Handel sei schon bei der Schaffung der heute allseits akzeptierten Fußgängerzone Königstraße auf Gegenkurs gewesen.

Alexander Kotz (CDU) versuchte, den Zielbeschluss noch aufschieben zu lassen. Er warnte vor einem „Hauruckverfahren“ und „politischem Machtgehabe“. Die Mehrheit solle doch eine große Anhörung veranstalten und erst alle Folgen kennen, ehe sie den Zielbeschluss fasse. Vergeblich.