Wegwerfmode Die EU sagt Fast Fashion den Kampf an

Fast Fashion bietet ständig neue Styles zum Kaufen. Foto: dpa/Erik S. Lesser

Immer mehr Kleidung landet auf dem Müll. Brüssel will Firmen und Verbraucher zu mehr Nachhaltigkeit verpflichten.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die richtungsweisenden Trends für die Modeindustrie kommen im Moment nicht aus Paris oder Mailand, sondern aus Brüssel. Den Ton geben dort allerdings nicht hippe Mode-Gurus an, sondern ein eher unspektakulär arbeitender Beamtenapparat. Die verantwortlichen EU-Politiker haben schon vor Jahren ein kritisches Auge auf die Modeindustrie geworfen. Der Grund: der Sektor gehört zu den größten Müllproduzenten und Umweltverschmutzern.

 

Vor allem der boomende Sektor der „Fast Fashion“ hat ungeahnte Ausmaße angenommen. Das Phänomen, dass Schuhe und Kleidung immer schneller und immer billiger produziert werden und am Ende im Schredder landen, wenn kein passender Abnehmer gefunden wird, hat sich nach Angaben der EU-Kommission vor allem durch den Online-Handel immer weiter verstärkt.

Billige Kleidungsstücke werden oft nur wenige Male getragen

Das Geschäftsmodell basiert darauf, Modelle von High-End-Modenschauen nachzuahmen und sie in kurzer Zeit zu günstigen Preisen zu liefern, wobei in der Regel minderwertige Materialien verwendet werden. Fast Fashion bietet ständig neue Styles zum Kaufen, wird in einem Papier der EU-Kommission kritisiert. Die durchschnittliche Anzahl der von europäischen Bekleidungsunternehmen pro Jahr herausgebrachten Kollektionen ist von zwei im Jahr 2000 auf fünf im Jahr 2011 gestiegen. Dies habe dazu geführt, dass Verbraucher billige Kleidungsstücke zunehmend als verderbliche Waren betrachten, die nur wenige Male getragen und dann weggeworfen wird.

Diesem Trend will die EU nun verstärkt entgegenwirken. Um die Auswirkungen auf die Umwelt anzugehen sollen Textilabfälle reduziert und der Lebenszyklus und das Recycling von Textilien verbessern werden. Ziel ist es, bis 2050 eine funktionierende Kreislaufwirtschaft aufzubauen. EU-Kommission und Parlament haben diesen Plan bereits abgesegnet, die noch fehlende Zustimmung der EU-Mitgliedsländer gilt als sicher.

Unverkaufte Klamotten werden in der EU oft geschreddert oder verbrannt

„Ob T-Shirt, Hose oder Socke - unverkaufte Klamotten werden in der EU oft geschreddert oder verbrannt, anstatt sie wiederzuverwenden“, kritisiert die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt. „Für Unternehmen ist die geplante Überproduktion derzeit häufig die einfachste und kurzfristig finanziell günstigste Option. Dadurch werden jährlich europaweit Millionen Tonnen unverkaufter Textilien vernichtet.“

Die EU will aber nicht darauf warten, bis sich Verbraucher und Unternehmen in Richtung Umweltschutz bewegen. Die bisherige Praxis zeige, sagt die SPD-Abgeordnete Delara Burkhardt, dass strengere Regeln für die Textilindustrie notwendig seien, „wenn wir den Klimawandel bremsen und die globale Umweltzerstörung aufhalten wollen“.

Vielen Verbrauchern ist nicht einmal bewusst, wie belastend die Herstellung von Kleidern für die Umwelt ist. Durch das Färben und Veredeln von Textilien im Rahmen ihrer Herstellung würden rund zwanzig Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung verursacht, heißt es in einem Papier der EU-Kommission. Leidtragende seien in der Regel Menschen in ärmeren Regionen weit ab von Europa.

Recycelt werden allerdings nur rund ein Prozent der Altkleider

Aber auch das Verhalten der Verbraucher müsse sich in Zukunft verändern. Die Kleidungsstücke werden heute eher weggeworfen als gespendet. Weniger als die Hälfte der Altkleider wird zur Wiederverwendung oder zum Recycling gesammelt. Tatsächlich zu neuer Kleidung recycelt werden am Ende allerdings nur rund ein Prozent. Auch die Altkleider, die in Länder außerhalb der EU exportiert werden, werden zu fast 90 Prozent verbrannt oder landen auf Mülldeponien.

Auch Marte Hentschel, Modemacherin und Professorin für den Bereich nachhaltige Mode, ist überzeugt, dass ein Umdenken der Verbraucher notwendig ist. „Wir sind nicht zu Fast Fashion verdammt, wir müssen uns auch einmal umsehen, was möglich ist“, betonte sie jüngst auf einer Veranstaltung in Brüssel. Im Bereich der Berufsbekleidung gebe es zum Beispiel längst eine Sharing-Economy. „Dort haben die Unternehmen selbst ein Interesse daran, die Produkte langlebig zu machen.“ Die Rechnung sei denkbar einfach: je länger die Kleidung halte, desto mehr verdiene der Hersteller. Sie plädiert auch dafür, sich in Europa für den Aufbau einer nachhaltigen Modeindustrie einzusetzen. Allerdings seien viele Fähigkeiten verloren gegangen, weil Technik und Knowhow in Billiglohnländer abgewandert sind.

Ein nachhaltigeres Modell habe das Potenzial, die Wirtschaft anzukurbeln

Die EU-Kommission setzt bei ihrem Kampf für mehr Nachhaltigkeit auch auf den technischen Fortschritt. Die Möglichkeiten, Kleidung zu Frischfasern zu recyceln seien noch unzureichend ausgebaut, heißt es in einem Bericht. Aus diesem Grund werden die meisten Kleidungsstücke mechanisch recycelt. Das heißt, sie werden zerschnitten und geschreddert, was zur Folge hat, dass die Fasern kürzer und von schlechterer Qualität sind und den größten Teil ihres Wertes verlieren. Daher werden sie in der Regel nicht zur Herstellung neuer Kleidung verwendet, sondern zu Isoliermaterial, Wischtüchern oder Matratzenfüllungen weiterverarbeitet. Die Hoffnung der EU-Verantwortlichen ist, dass neue Technologien in Zukunft die Mischung mechanisch recycelter Baumwolle mit Polyester oder künstlicher Zellulose ermöglichen.

Ein nachhaltigeres Modell der Textilproduktion habe das Potenzial, die Wirtschaft anzukurbeln, ist der Europaabgeordnete Jan Huitema überzeugt. Die Förderung neuer innovativer Geschäftsmodelle könne neues Wirtschaftswachstum und neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, die Europa in diesem Moment der Krise dringend benötige.

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