Zu wenig junge Menschen entscheiden sich für eine Karriere bei der Bundeswehr. Wie denken Jugendliche zwischen Korntal und Weil der Stadt über eine Wehrpflicht?
An diesem Mittwoch soll die Bundesregierung über einen Gesetzesentwurf zur Reaktivierung der Wehrpflicht entscheiden. Ab 2026 sollen Fragebögen an junge Männer und Frauen verschickt werden, um ihr Interesse an einem Dienst in der Bundeswehr zu ermitteln. Zunächst ist der Geburtsjahrgang 2008 betroffen, nach und nach sollen jedoch alle Altersgruppen bis 25 Jahre erfasst werden.
Doch wie sehen das die Betroffenen? Unsere Zeitung hat dazu eine anonyme Online-Umfrage unter Schülern aus der Region gestartet. Bei den elf Fragen gab es auch die Möglichkeit, Anmerkungen zu machen. Die 14- bis 18 Jahre alten männlichen Jugendlichen besuchen weiterführende Schulen zwischen Korntal und Weil der Stadt. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, bietet aber interessante Einblicke.
„Eingriff in persönliche Freiheit“
Dass Thema Wehrpflicht wird auch unter Jugendlichen kontrovers diskutiert. 39,7 Prozent der Befragten finden die Wiedereinführung eines verpflichtenden Wehrdienstes sinnvoll – 41,2 Prozent nicht. „Es ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit. Die Wehrpflicht zwingt junge Menschen zu einem Dienst, den sie möglicherweise nicht leisten wollen“, erklärt ein Jugendlicher. Viele empfinden das Modell als veraltet und nicht mehr zeitgemäß.
Von 68 Teilnehmern, die den Fragebogen ausgefüllt haben, besucht gut die Hälfte ein allgemeinbildendes Gymnasium, knapp 37 Prozent streben die mittlere Reife an. Ein Drittel der Befragten will nach dem Schulabschluss studieren, etwa ein Viertel strebt eine Ausbildung an. Knapp 37 Prozent antworteten mit „weiß ich noch nicht“. Nur sechs Prozent der Teilnehmer planen einen Freiwilligendienst. Dass das Thema Reaktivierung der Wehrpflicht zur Debatte steht, haben die meisten (91 Prozent) mitbekommen.
Ein häufig geäußerter Kritikpunkt ist, dass eine Dienstpflicht Bildungs- und Berufswege unterbrechen könnte. Besonders im Hinblick auf die Rückkehr zum G9-Modell an baden-württembergischen Schulen befürchten viele einen dann späten Start in Studium oder Ausbildung. 22 Prozent der Teilnehmer würden den verpflichtenden Dienst komplett verweigern: Teils aus den genannten Gründen, aber auch, weil sie solch ein Prinzip nicht mit ihren Moralvorstellungen oder ihrem Glauben vereinbaren könnten. Ein Viertel der Befragten würde auf einen Zivildienst oder ein anderes Äquivalent ausweichen. 36 Prozent würden jedoch den Pflichtdienst leisten, knapp neun Prozent sich sogar länger verpflichten. Ein möglicher Kompromiss? Die Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes: „So ein Dienst respektiert die Grundrechte und passt besser zu demokratischen Werten“, lautet die Begründung eines Jugendlichen.
In der Diskussion um die Wehrpflicht hat vor allem die CDU immer wieder eine allgemeine Dienstpflicht nach dem Schulabschluss ins Spiel gebracht, also die Wahl zwischen einem Einsatz in der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen wie Kindergärten oder Pflegeheimen. Diese Idee wird in der Umfrage von 62 Prozent für „sehr gut“ oder „eher gut“ befunden. Die männlichen Jugendlichen sehen darin eine Möglichkeit, erste Einblicke in die Berufswelt erlangen und sich eventuell schon einmal zu orientieren. Ein verpflichtender Sozialdienst stärke den gesellschaftlichen Zusammenhalt, was den Jugendlichen offenbar immer wichtiger wird.
Wehrpflicht auch für Frauen?
Gleichstellung spielt eine große Rolle: Die allgemeine Dienstpflicht soll für Männer und Frauen gleichermaßen gelten. Frauen sollten ebenfalls eine freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr leisten können, findet knapp die Hälfte der Befragten. 22 Prozent befürworten gar eine Wehrpflicht auch für junge Frauen.
Dass die Bundeswehr in den vergangenen Jahren viel in ihr Image investiert hat, macht sich auch in der Umfrage unserer Zeitung bemerkbar. Die Zusammenarbeit mit Influencern oder die Kampagne pünktlich zur Frauenfußball-EM, die insbesondere junge Frauen für eine Karriere im Militär begeistern sollte, zahlt sich anscheinend aus: Die Hälfte aller Befragten hat ein eher positives Bild der Bundeswehr.
Ein Wunsch der Jugendlichen: Sie möchten bei der Erarbeitung des neuen Gesetzes und der Wiedereinführung der Wehrpflicht stärker in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden – schließlich sei es ihre Zukunft, über die entschieden wird.