Jeder fängt klein an, auch unser Weinkolumnist Michael Weier. Mit 220 Reben und einem Pachtvertrag über 15 Jahre legt er als Hobbywengerter los – und sucht sich gleich spannende Vorbilder. Zum Beispiel Katie Jones, eine Engländerin, die in Südfrankreich ein Weingut gegründet hat.

Stuttgart - Da ich es selbst immer noch nicht glauben kann, hier noch mal eine Zusammenfassung: Ich bin Winzer, und zwar Mitglied Nummer 452 beim Collegium Wirtemberg! Mein Weinberg ist gerodet, ausgemessen, gelöchert und wieder bepflanzt. Wir haben die Reben gelegt (so lautet der korrekte Begriff, nicht gepflanzt!), dazwischen gesät und nun Stroh ausgestreut, damit das Wasser, das uns in den kommenden Wochen konstant und reichlich aus dem Himmel zukommen wird, nicht so schnell verdunstet. Kurz: Alles ist bereitet, Mitglied Nummer 452 wartet, wie ein werdender Vater, dass die Reben bald zu wachsen beginnen. Und möglichst wenige Ausfälle zu beklagen sind.

 

Der Termin fürs Fest steht, mehr Vorbereitung für den herausragendsten Chardonnay im Land (die Welt erobern wir dann ein paar Jahre später) geht nicht. Oder doch? Augen auf, schauen, was die anderen machen! Kürzlich war ich im Restaurant 5 bei einer kleinen Weinprobe mit Katie Jones, einer Winzerin aus Südfrankreich. Und zwar deshalb, weil ich Parallelen entdeckt habe. Vor 20 Jahren (die Flaschenpost existiert fast genauso lange) zog die Engländerin nach Südfrankreich – und stieg bei der Genossenschaft (nächste Parallele!) am Ort ins Weingeschäft ein. Kurz darauf sah sie einen wunderbaren Weinberg in idyllischer Lage – und 2009 tauschte sie das Jackett der Marketingleiterin gegen die Latzhose der Winzerin.

Katie Jones erzählt solche Geschichten mit strahlenden Augen, da ist es folgerichtig, dass ihr Wein auch schmeckt. Nicht ganz so gut wie mein Chardonnay mal schmecken wird, klar, aber die Weine sind erstklassig. Weil mit Begeisterung gemacht. Der Unterschied: Sie hat einen Weinberg gesehen und macht seither Wein. Ich wollte Wein machen und bin zufällig über den wohl schönsten Weinberg der Welt gestolpert. Von den Hügeln ihrer sieben Hektar aus sieht man viel Landschaft. Ich sehe die Grabkapelle, den Fernsehturm, den Daimler, den Gaskessel – und, okay, derzeit nicht ganz so erfreulich, das Stadion unserer weiß-roten Helden.

Gut, ich gebe zu, das ist dick aufgetragen, meine 220 Reben mit einem Weingut zu vergleichen. Aber hier geht es ja um die Richtung! Und die stimmt. Gelernt habe ich im Übrigen auch was. Vor zwei Jahren wollte Frau Jones ihren Wein abfüllen, da stellte sie fest, dass jemand eingebrochen war. Der Wein war weg. Komplett. Zumindest liegt die Vermutung nahe, dass es ihr einer der Genossen krumm nahm, dass sie die Kooperative verlassen hatte und zur Konkurrentin geworden war. Hoch und heilig verspreche ich also: So etwas würde ich nie, nie, nie machen.