Die Geschichte lässt sich prächtig verkaufen: Ein junger Rapper im Weinberg, das ist mal was anderes. Nun aber erregt Moritz Haidle nicht mehr nur durch sein Image Aufsehen, sondern auch durch seine Leistungen. Am Samstag trat er bei der Deutschen Rotweinpreis-Gala in Fellbach als Doppelsieger aufs Podium.

Stuttgart – - Herr Haidle, was für ein Auto fahren Sie eigentlich?
Sie fragen, weil ich mal Kfz-Designer werden  wollte?  Ich fahre einen Mercedes-C-Klasse-Kombi. Ein absolutes Spießer-Opa-Auto.
Gutes Design?
Eigentlich schon. Aber davor hatte ich einen 190er-Mercedes. Tiefergelegt! Allerdings hatte ihn der Vorbesitzer schon tiefergelegt.
Hat aber dennoch besser zum Image eines Rappers gepasst?
Absolut! Aber das mit dem Image darf man auch nicht überstrapazieren. Es hat mir aber geholfen, Aufmerksamkeit zu kriegen, das stimmt schon. Und als ich den Rap-Kessel gewonnen habe (Anm. d. Red.: ein Stuttgarter Wettbewerb unter Rappern, also schnellem und rhythmischem Sprechgesang), musste ich den Vater allein bei einer Verkostung in den Weinbergen lassen. Als ich ihm den Siegerscheck zeigte, sagte er: „Dann hattest du den besseren Stundenlohn.“
Ihre Kundschaft stört das Rapper-Image nicht?
Nein, überhaupt nicht. Aber wenn alle nur danach fragen, wird das ja fast schon peinlich, ich muss aufpassen, sonst werde ich doch von den Kollegen belächelt. In erster Linie geht es immer noch um den Wein!
Und da sieht die Bilanz schon mal ziemlich gut aus. Erster und zweiter Platz beim Deutschen Rotweinpreis!
Ich habe mich vorher noch mit meinem Vater unterhalten: Wenn wir das dritte Mal in Folge beim Lemberger gewinnen, das wäre schon richtig geil! Aber wir haben wirklich überhaupt nicht damit gerechnet, dass es tatsächlich so kommen könnte. Jetzt haben wir das positive Image zur Rebsorte, das ist toll. Lemberger wird inzwischen auch in anderen Anbaugebieten produziert. Zu zeigen, dass wir diese Sorte beherrschen, ist einfach gut.
Wie viel Moritz und wie viel Hans Haidle steckt denn in dem Sieger?
Mein Vater sagt: Halbe-halbe – ich bewerte seinen Anteil höher. Ich habe entschieden, wann der Wein filtriert wird, wann der Schwefel dazukommt, wann er auf die Flasche kommt. Im Herbst den Grundstein gelegt hat mein Vater.
Einigen wir uns auf Gemeinschaftsproduktion. Dass es zu dieser mal kommen würde, stand ja in den Sternen.
Ja, eigentlich wollte ich Kfz-Designer werden. Als Einziger in der Schule kannte ich mein Berufsziel schon in der zehnten Klasse.
Und dann?
Hat mich mein Vater zu einem Vater-Sohn-Gespräch gebeten. Das gab’s sonst eigentlich nie. Klar war, ich musste mich entscheiden, sonst hätte er verkauft. Dann haben wir sogar einen Life-Coach, so stand das auf seiner Visitenkarte, hinzugezogen.
Und das brachte Sie zum Weinbau?
Nein! Weinbau fand ich langweilig. Die Lehrlinge bei uns im Betrieb haben sich immer über Schlepper und solche Sachen unterhalten, das gefiel mir überhaupt nicht.
Sie sitzen dennoch hier!
Ja, mit dem Coach haben wir besprochen, dass ich ein Praktikum in einem Weingut mache – und eines bei einem Kfz-Designer. Und mein Vater hat mir in den Hintern getreten, dass ich mich auch bewerbe.
Die Winzer kamen gut weg?
Ich bin damals zu Paul Fürst gegangen, hatte keine Ahnung und war mäßig motiviert. Und dann traf ich auf einen Ausbildungsleiter, der sich für Hip-Hop interessiert hat. Das war cool, ich konnte mich super mit dem unterhalten. Jeden Abend gab’s einen Wein aus der Schatzkammer, und die Lehrlinge mussten etwas dazu sagen, genau da hat es angefangen Spaß zu machen. Als wir dann noch auf einem Betriebsausflug in den Keller von Thomas Seeger in Leimen sind . . .
. . . gab’s noch besseren Wein?
Standen drei Harleys im Keller! Die hat der selbst aufgebaut, das entsprach schon eher meinen Vorstellungen als junger Mensch.
Und der Kindheitstraum vom Kfz-Design?
Dort war ich hinterher. Und habe den ganzen Tag Schminkspiegel für den Maybach geschliffen. Das habe ich nach einem Monat dann abgebrochen und bei Thomas Seeger gefragt, ob ich eine Lehre machen kann.
Was sagte der?
Ob ich als Winzer oder Zweiradmechaniker anfangen wolle.
Sie nahmen den Winzer. Haben Sie die Entscheidung mal bereut?
Nein, da gab’s viele positive Dinge. Ein Praktikum gleich in Australien, da musste ich als Laie richtig ran. Dann die Lehre bei Thomas Seeger, ein cooler Betrieb in Heidelberg, dort gibt es elf legale Graffitiflächen, in Stuttgart zwei. Und dann kam das Studium mit Praxissemester in Kalifornien.
Cool?
Noch cooler! Alle Vorurteile stimmen zu hundert Prozent, aber das war einfach eine verdammt gute Zeit.
Zurück in Stetten: Wohin geht denn der Weg bei Haidles? Bio?
Da sind wir dabei, seit einem Jahr sind wir in der kontrollierten Umstellung, aber noch nicht zertifiziert, wir wollen auch komplett auf Kupfer verzichten und schneiden nach dem Vollmond. Wir probieren viel aus. Manches gefällt uns, manches lassen wir bleiben.
Was tut sich sonst?
Das sind viele kleine Dinge, jeden Tag versucht man, an den Stellschrauben zu drehen. Klar ist, man ist als Winzer nie zufrieden, sondern sucht immer nach dem Potenzial, um noch besser zu werden.
Wohin führt das am Ende?
Natürlich habe ich Ziele, sogar sehr hohe. Aber wenn man die formuliert, dann hört sich das ganz schnell überheblich an. Ich nenne Sie nun Träume, und mein Ziel ist es, ganz einfach alles jeden Tag ein bisschen besser zu machen.
Zur Person: Moritz Haidle

Als Sohn einer echten Wengerterfamilie aus dem Remstal: geboren im Krankenhaus in Waiblingen am 28. Juni 1987.

 

Grundschule in Stetten, dann Friedrich-Schiller-Gymnasium in Fellbach mit eher durchschnittlichen Noten „und ab der siebten Klasse versetzungsgefährdet“. Abitur im Jahr 2007 ohne Extrarunde.

Anschließend Winzerlehre bei Thomas Seeger in Leimen und beim Weingut Künstler im Rheingau, einem Rotweinbetrieb und einem Rieslingspezialisten.

Von 2010 bis 2014 Studium in Geisenheim mit Praxissemester in Kalifornien und im Burgund. Im Jahr 2014 dann der erste Jahrgang unter der Regie des Juniors im Weingut Haidle.