Elf Insassen aus der sozialtherapeutischen Einrichtung auf dem Hohenasperg haben für Heiligabend ein Krippenspiel vorbereitet. Dabei ist Weihnachten für sie eine der schwersten Zeiten im Gefängnis.
Asperg - Es sind die harten Jungs, die in der sozialtherapeutischen Einrichtung auf dem Hohenasperg ihre Haftstrafe absitzen: Gewalttäter, Mörder, Sexualstraftäter. Aber als sie am Montagabend das Krippenspiel für den Gottesdienst an Heiligabend proben, ist von dieser Härte kaum etwas zu spüren. Die elf Insassen im Alter zwischen 30 und 55 Jahren haben das Stück selbst geschrieben und interpretieren die Geburt Christi auf ihre Weise.
„Ich spiele einen Hirten, der auch ein Obdachloser sein könnte“, sagt einer der Gefangenen. „Von meiner Zeit auf der Straße weiß ich, dass jeder Obdachlose auf bessere Zeiten hofft. Das habe ich versucht, im Stück darzustellen.“ Bewusst spielen die Männer die Hirten in ihrer Alltagskleidung und wollen so den Bezug zur heutigen Welt herstellen. Die Lieder, welche die Gruppe anstimmt, sind moderne Gospellieder. Begleitet werden die Sänger von drei als Könige verkleideten Insassen, die Keyboard, Gitarre und Querflöte spielen.
Maria und Josef sucht man in dem Krippenspiel vergeblich. Die Bethlehems-Geschichte der Herbergssuche des biblischen Paars erzählen die Männer in einem Lied nach. „Das hängt mit den Sexualstraftätern zusammen, die hier einsitzen“, erzählt die Pfarrerin Henrike Schmidt. Die Darstellung einer Frau sei den Männern daher unangebracht erschienen. „Deswegen haben sie darauf verzichtet.“ Im Mittelpunkt stehen die Hirten, die von der Geburt Christi ergriffen sind und sich eine Chance auf einen Neuanfang erhoffen.
Es ist bereits das vierte Krippenspiel auf dem Hohenasperg
Vor drei Jahren hat die evangelische Pfarrerin erstmals ein Weihnachtsstück mit Strafgefangenen aus der Sozialtherapie einstudiert. Mit Erfolg. „Das Krippenspiel war bisher immer anders, aber jedes Mal sehr ergreifend“, sagt die Seelsorgerin des Justizvollzugskrankenhauses (JVKH) und der sozialtherapeutischen Einrichtung.
Am ökumenischen Gottesdienst im Kirchenraum des Hospitals nehmen Insassen, Mitarbeiter und Ehrenamtliche teil. Etwa 100 Besucher sollen kommen. Für Familienangehörige und Freunde der Inhaftierten bleibt aus Sicherheitsgründen der Zutritt verboten.
„Dann sieht mich meine Betreuerin mal ganz anders“, sagt einer der Schauspieler. Er wirkt zum ersten Mal mit. „Mein Herz schlägt vor Aufregung schneller, wenn ich an den Auftritt denke. Das kenne ich nicht, vor so vielen Menschen zu spielen“, sagt ein anderer Neuling. Sein Kollege hat auch beim dritten Mal Lampenfieber. „Ich habe Angst, dass ich meinen Text vergesse“, gesteht er.
Die Männer sind vor ihrem Auftritt nervös
Einige der Insassen, die beim Stück mitspielen, sind schon seit vielen Jahren hier, erzählt die Pfarrerin. Meist haben die Häftlinge eine Strafe von mehreren Jahren erhalten, für einige ist es nicht die erste Haftstrafe, sagt sie. In der Sozialtherapie am Hohenasperg sollen die Männer im Laufe von zwei bis drei Jahren langsam wieder an das Leben draußen gewöhnt werden. Dafür besuchen sie regelmäßig Einzel- und Gruppentherapien mit Psychologen und Therapeuten.
Pfarrerin Schmidt ist täglich auf dem Hohenasperg, jeweils acht Stunden. Sie betreut soziale Projekte und führt mit den Gefangenen Einzelgespräche, die unter das Beichtgeheimnis fallen. „Viele der Männer öffnen sich mir gegenüber“, sagt sie. Wieso die Männer einsitzen, ist für Sie nicht relevant. „Ich schaue mir die Taten nicht an. Für mich stehen die Menschen im Mittelpunkt, und so sollen sie auch wahrgenommen werden“, sagt sie.
„Das schönste Geschenk ist, wenn wir nett zueinander sind“
Und die Häftlinge sind Menschen, die auch Weihnachten feiern wollen. Allerdings ist das im Gefängnis nicht so einfach. „Gedanklich bin ich in der Weihnachtszeit mehr bei meinen Angehörigen und wäre gern bei meinen Lieben und nicht im Vollzug“, sagt einer der Männer. Weihnachten sei die Zeit im Jahr, in der es sie am meisten nach draußen zieht, zu ihren Frauen und Kindern, erzählen mehrere Gefangene. Viele zeigen Gefühle: „Ich habe keine Familie, und gerade zu Weihnachten bekomme ich Angst vor dem Alleinsein. Dann denke ich viel an die Menschen zurück, die früher in meinem Leben waren und erinnere mich an die Weihnachtstage im Kinderheim“, sagt einer. Trotzdem wollen die Männer Weihnachten feiern. So gut es eben geht.
Im Gruppenraum der sozialtherapeutischen Einrichtung steht ein Weihnachtsbaum, den die Häftlinge festlich geschmückt haben. Zu essen gibt es an Heiligabend Saitenwürste und Kartoffelsalat. „Das ist Tradition“, verrät einer der Gefangenen, die in der Küche arbeiten. Und Geschenke? „Wenn wir untereinander so nett und respektvoll sind, wie während der Proben zu dem Krippenspiel, ist das ein inneres Geschenk“, sagt einer der Insassen. „Wir sind hier in einer Einrichtung, in der man sich sonst nicht beschenkt“, sagt er.