Der Zirkus lebt vom Nachwuchs. Beim Weltweihnachtscircus sind viele Generationen aktiv dabei. Sie feiern Heiligabend erst im Zelt und dann im Caravan, jeder auf seine Art.

Stuttgart - Wenn der Applaus verklungen ist und die Besucher heim zur Bescherung drängen, dann beginnt die Party im Vorzelt. Sie ist exklusiv für die Artisten, Dompteure und Clowns des Weltweihnachtscircus, die aus allen Teilen der Welt kommen. Nach dem Dinner geht es zu privaten Feiern in die Caravans, zumindest für alle, die christlichen Glaubens sind. Mit dabei: viele Kinder. Das Kleinste ist der wenige Wochen alte Sohn von Geraldine Knie, der berühmten Pferdelehrerin. Sie hat bereits einen 16-jährigen Sohn und die sechsjährige Chanel, die in Stuttgart mit einer reizenden Dressurnummer auftritt.

 

Anita Fuzy und Krisztian Kranitz-Nagy haben ihren künstlichen Christbaum aufgestellt, auch wenn es dann noch enger im Caravan zugeht. Mama Anita hat in der Miniküche Plätzchen gebacken, Töchterchen Loretta nach Kräften geholfen. Sie ist drei Jahre alt und will später wie die Eltern im Zirkus auftreten – sie zeigen die beeindruckende Kraftnummer als Duo Silver Power. Die beiden kommen aus Budapest und arbeiten seit zehn Jahren zusammen. Ihre Tochter soll später selbst entscheiden, was sie beruflich machen wolle, sagen sie. Dennoch werden sie nächstes Jahr beginnen, mit ihr zu trainieren, spielerisch zunächst. Solange Loretta nicht in der Schule ist, reist sie mit, der Zirkus hat es ihr besonders angetan, aber auch die Reisen auf Kreuzfahrtschiffen findet sie spannend.

Dennoch steht für ihre Mutter fest: Das Kind soll in eine feste Schule, soll so normal wie möglich aufwachsen, daheim in Ungarn. Dann werden die Eltern eben nur Engagements in Theatern und Varietés annehmen. Zunächst aber freut sich Loretta wie alle anderen Kinder auch auf Weihnachten, es gibt traditionell Kohlrouladen. „Bei uns in der Heimat fangen die Frauen vier, fünf Tage vor dem Fest an zu kochen und zu backen. Weihnachten ist bei uns essen, essen, essen.“ Für die beiden Artisten kein Problem: Bei zwei bis drei Shows am Tag schmilzt das Fett von allein.

Die Mutter ist schwer gestürzt

Auch Katerina Abakarova wird im Caravan mit ihren Lieben feiern. Sie kommen aus Russland, und die orthodoxen Christen feiern eigentlich erst am 7. Januar. „Aber wir sind schon so lange in Europa unterwegs, da haben wir uns angepasst, Bescherung ist am 24. Dezember“, erzählt die 27-Jährige. Das große Festessen allerdings findet später statt. „Wir essen, was gerade da ist.“ Das Fest 2017 wird ohnehin anders sein als die vorigen: Am 24. Juli stürzte Mutter Malvina bei einem Auftritt im Zirkus Knie in Luzern schwer. Sie hatte mehrere Knochenbrüche, darunter die Ellbogen, und wird nie mehr auftreten können.

Was nun? „Ich bin eingesprungen“, sagt die Tochter, die ebenfalls Artistin ist. Die Fußstapfen waren groß, das Duo Desire of Flight hat vor vier Jahren mit seiner Luftakrobatik den goldenen Clown beim Zirkusfestival von Monte Carlo gewonnen. „Das scheinbar Leichte ist das Schwierigste“, meint Katerina Abakarova. „Wir haben einen gefährlichen Job. Wir wissen, was wir tun.“ Das Wichtigste sei, dass ihre Mutter wieder gehen und sprechen könne.

Ihr Papa ist 80 und redet noch immer kräftig mit. „Das fängt schon beim Frühstück an. Haben wir die Nummer für Stuttgart 2020 gebucht . . .?“, erzählt Elisa van der Meijden. Vor einem Jahr ist sie in das Unternehmen ihrer Eltern Henk van der Meijden und Monica Strotmann eingetreten, die seit 25 Jahren den Weltweihnachtscircus nach Stuttgart bringen. „Langsam“, sagt die 26-Jährige, übernehme sie Verantwortung. Dieses Jahr etwa das Tagesgeschäft im Weihnachtscircus in Amsterdam, wo sie auch Heiligabend feiern wird. In das Programm für die Stuttgarter Show steigt sie peu à peu ein. „Ich brauche nicht mehr drei Jahre, sondern nur noch etwa ein Jahr, um meinen Vater von einer Nummer zu überzeugen.“