Das ständige hin und her rund um die Weihnachtsfeiertage und die Aussicht auf einen härteren Lockdown schlägt vielen Menschen aufs Gemüt. Was hilft dagegen?

Bremen/Stuttgart - Psychotherapeuten warnen vor zusätzlichen psychischen Belastungen zu Weihnachten in der Pandemie-Zeit. Wegen der Corona-Maßnahmen müssten die Menschen in diesem Jahr auf viele Traditionen und Rituale, die sonst Zugehörigkeit und gemeinsame Identität stifteten, in der gewohnten Form verzichten, sagte Amelie Thobaben von der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dabei sehnten sich viele gerade nach diesem Jahr mit seinen großen Unsicherheiten danach, einmal in Ruhe und mit vertrauten Ritualen Zeit miteinander zu verbringen. Besonders schwer macht der Verzicht nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer älteren Menschen und Kindern zu schaffen.

 

Besser einen Plan A und B haben

Thobaben erklärte, die Corona-Pandemie sei ohnehin schon eine beispiellose Ausnahmesituation. Mit der extrem großen Unsicherheit umzugehen koste viel Kraft. Denn der Mensch arbeite immer mit einer Perspektive: „Wir haben eine Vorstellung davon, wie der nächste Tag abläuft und kalkulieren dabei kleine Schwankungen ein. Aber die großen Unwägbarkeiten sind wir nicht gewohnt.“

Obendrein bleibe es nun auch zu den Feiertagen „offenbar spannend bis zur letzten Sekunde, wie wir jetzt mit dieser Weihnachtszeit umgehen werden oder dürfen“, sagte die psychologische Psychotherapeutin und Bremer Landesvorsitzende der Vereinigung. Einer der wichtigsten Tipps sei daher, sich eine Perspektive zu verschaffen: „Wir raten zu einem Plan A unter den jetzigen Kontaktbeschränkungen und einen Plan B für einen härteren Lockdown.“ Dies sei besser, als der Frage auszuweichen, „denn ein Hin-und-Hergerissensein macht der Psyche zusätzlichen Stress“.

Kinder und ältere Menschen stark betroffen

Die Psychotherapeutenkammer erklärte, besonders belastend sei die Verunsicherung für ältere Menschen, die alleine oder in Einrichtungen leben. „Gerade über die Feiertage, die ja schon eine gewisse Tendenz zur Melancholie haben, schmerzt der Verzicht auf gewohnte Rituale diese Menschen sehr“, sagte Präsident Ernst Dietrich Munz dem epd. Er plädierte dafür, „unbedingt im Rahmen des Möglichen Besuche zu erlauben, damit Angehörige gemeinsam Zeit verbringen können“.

Kindern sei der Wegfall liebgewonnener Abläufe wie Besuche bei Verwandten ebenfalls schwer zu vermitteln, sagte der psychologische Psychotherapeut aus Stuttgart. Eltern sollten versuchen, ihren Kindern möglichst klar die Schwierigkeiten in diesem Jahr erläutern und andere Möglichkeiten für Treffen etwa über Zoom zu finden.

Akzeptanz ist wichtig

Auch Thobaben warb dafür, mehr emotionale Nähe herzustellen, wo physische Nähe nicht möglich sei. So könnten Angehörige etwa per Videotelefonat am Plätzchenbacken, am Schmücken des Weihnachtsbaums oder am Glühweintrinken teilhaben, sagte die die 45-jährige Psychotherapeutin. Womöglich sei es psychisch sogar entlastend, weniger unterwegs zu sein und nicht für viele Leute kochen zu müssen.

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Die Expertin riet zudem zu „radikaler Akzeptanz“: Wer sich aktiv entscheide, nicht beeinflussbare Veränderungen in der Weihnachtszeit wegen Corona zu akzeptieren, könne Frustration und Hilflosigkeit entgegenwirken, sagte Thobaben. Helfen könne es auch, möglichst konkrete Pläne für die Zeit nach der Pandemie zu schmieden und so Vorfreude zu wecken: „Und im nächsten Jahr können wir dann das Zusammensein noch viel bewusster erleben und genießen, weil wir die Selbstverständlichkeit verloren haben.“