Weihnachten in Stuttgart Frau Zhao und die Weihnachtsbäume

Wie eine „schwäbische Chinesin“ die Initiative für die Weiterverwertung von Weihnachtsdeko ergreift. Lokalchef Jan Sellner beschreibt ein schönes Beispiel für Nachhaltigkeit im Kleinen.
Stuttgart - Die Weihnachtszeit schreibt schöne Geschichten. Zum Beispiel die Geschichte von Jing Zhao, einer Chinesin, die seit 20 Jahren in Stuttgart lebt und sich selbst als „schwäbische Chinesin“ bezeichnet. An Weihnachten 2017 schickte sie eine Mail an die Redaktion, um von einem „Weihnachtsmärchen“ zu berichten. Weil der Inhalt so schön war, hier in vollem Wortlaut: „Die lieben Finnen auf dem Weihnachtsmarkt sind nach Hause gefahren und haben viele schöne Tannenbäume zurückgelassen. Das gab mir Gelegenheit, einen riesigen, 2,5 Meter großen Tannenbaum mitzunehmen. Ich bin am Charlottenplatz in die Stadtbahn gestiegen, um nach Hause zu fahren. Sowohl der Schaffner als auch die Fahrgäste hatten volles Verständnis, dass mein Weihnachtsbaum mitten in der Bahn stand. Für einen kurzen Moment haben sich alle miteinander weihnachtlich gefühlt, und die Fahrgäste wünschten mir schöne Weihnachten.“
65 -70 Bäume zu verschenken
Jetzt, zwei Jahre später, findet diese Geschichte eine in jeder Hinsicht nachhaltige Fortsetzung: Die schwäbische Chinesin meldete sich erneut, um auf das finnische Weihnachtsdorf am Karlsplatz hinzuweisen, speziell auf die dortigen Weihnachtsbäume, für die es keine Verwendung mehr gibt, wenn die „lieben Finnen“ an diesem Samstag ihre Zelte abschlagen. „Es gibt eine Foodsaving-Bewegung“, schrieb Frau Zhao. „Warum sollte es nicht auch ein Weihnachtsbaum-Saving geben? Jeder Schritt, den wir als Bürger tun, ist ein guter Anfang und wertvoll für das Klima. Mit jeglicher Ressource sollte man behutsam umgehen – gerade auch in der schönen Weihnachtszeit.“
Also ging sie zu den „lieben Finnen“ und bat um Erlaubnis, die frei werdenden Weihnachtsbäume weiter verwerten zu dürfen. Und so kommt es jetzt auch: An diesem Sonntag ab 15 Uhr dürfen die Weihnachtsbäume am Karlsplatz, die dreieinhalb Wochen lang das finnische Weihnachtsdorf geschmückt haben, kostenlos mitgenommen werden. „Es sind 65 bis 70 Stück“, schreibt Frau Zhao und fügt in schönstem Schwäbisch-Chinesisch hinzu: „Mit einer Klappe drei Fliegen schlagen: Die Bäume werden mehrfach genutzt, die Müllmänner haben weniger Arbeit, und die lieben Finnen freuen sich auch, wenn ihre Weihnachtsbäume anderen zugutekommen.“
Von Älteren kann man Nachhaltigkeit lernen
Diese Haltung – der sparsame Umgang mit den Dingen – hat übrigens eine lange Tradition, bei der sich die Menschen in China und Stuttgart gar nicht so sehr voneinander unterscheiden dürften. Insbesondere Ältere sind Meister in dem, was man neudeutsch Upcycling nennt. Das konsequente Wieder- und Resteverwerten, der bewusste Umgang mit Ressourcen unterschiedlichster Art, wurde nicht von der zweifellos verdienstvollen Fridays-for-Future-Bewegung erfunden, sondern von Menschen, die Mangel erlebt haben, wie jener sparsamen Großmutter, die ihre Hände mit Butterpapier eincremte.
Nachhaltigkeit beginnt vor der eigenen Haustür. In dem Fall auf dem Stuttgarter Karlsplatz. Ohne das Umdenken im Kleinen gelingt das Große nicht. Klingt wie ein chinesisch-schwäbisches Sprichwort. Sicher ist: Frau Jing Zhao beherzigt es.
jan.sellner@stzn.de
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