Auch Weihnachten wird dieses Jahr anders sein. Die Kirchen arbeiten intensiv an Konzepten für Corona-gerechte Weihnachtsfeiertage. Vielerorts könnte es ein Draußenfest werden.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Weihnachten ist nicht mehr weit. Darauf deuten die Lebkuchen hin, die jetzt überall in den Geschäften auftauchen. Die Vorbereitungen der Kirchen für das diesjährige Weihnachtsfest laufen schon viel länger. So hat die evangelische Landeskirche im Sommer eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold eingesetzt. Sie soll Ideen sammeln und Vorschläge anbieten, „wie die Menschen Weihnachten trotz des gebotenen Abstands als Fest der Nähe erleben können“. Konkret arbeitet die Landeskirche bereits an einem Ticketing-System für die Platzreservierung, das sie interessierten Gemeinden rechtzeitig zur Verfügung stellen will.

 

Vor zwei Wochen schaltete die Landeskirche zudem eine digitale Plattform, auf der Gemeinden Vorschläge in einen öffentlichen „Ideenpool“ einspeisen können. Die Ideen sprudeln. Auffällig viele betreffen Draußen-Veranstaltungen. „Hier in Stuttgart gibt es einige Jugendfarmen mit Schafen und Pferden. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Stallandacht vor Ort dort für Familien eine attraktive Weihnachtsfeier wäre“, schlägt etwa Pfarrerin Franziska Stocker-Schwarz vor. Denn: „Die Geschichte der Hirten von Bethlehem mit echten Schafen zu spielen, macht Spaß.“ Ein anderer Einsender regt eine „Kirche am grünen Baum“ an: „Ein Freiluftgottesdienst vor dem hell leuchtenden großen Christbaum an der frischen Luft ist attraktiv. Mit Posaunenchor kann das Singen im nötigen Abstand gut begleitet werden.“ Wieder andere wollen „die gute alte Waldweihnacht beleben“.

Weihnachten am Baggersee, im Stadion und im Stadtpark

Jenseits der Stadtgrenzen wird ebenfalls über neue Gottesdienst-Formate nachgedacht: „Bei uns wurde die Idee einer Weihnachtsfeier an unserem Baggersee geboren“, schreibt ein Gemeindemitglied aus Rheinau-Süd in Mannheim. „Wir haben für den großen Heiligabendgottesdienst vorsorglich den ganzen Stadtpark reserviert und werden dort eine Parkweihnacht gestalten“, heißt es in einem Beitrag aus Crailsheim. In Beutelsbach soll Heiligabend im überdachten Hof der Remstalkellerei gefeiert werden. Und aus Wittlensweiler in Freudenstadt kommt die Nachricht: „Wir wollen den Weihnachtsgottesdienst dezentral im Ort zu verteilen. Bereits ab Oktober suchen wir Menschen für jede Straße, die als Gastgeber draußen vor ihrem Haus eine Andacht gestalten.“ Wie sagt Prälatin Arnold: „Es geht um die ganze Bandbreite – vom Gottesdienst im Stadion bis zur Krippe in der Weihnachtsbox für zuhause.“

Ein ökumenischer Gottesdienst auf dem Schlossplatz?

Zurück nach Stuttgart. Hier platziert der Stuttgarter Stiftskirchenpfarrer Matthias Vosseler eine interessante Idee: „Wenn es nach mir ginge, würden wir an Heilig Abend einen großen ökumenischen Gottesdienst auf dem Schlossplatz feiern“, sagt er auf Anfrage. Ob das finanziell und organisatorisch realisiert werden könne, sei eine andere Frage. „Auch das Krippenspiel der Kinder im Innenhof des Alten Schlosses steht als Vorschlag im Raum“, meint Vosseler. In jedem Fall soll es in den Adventswochen täglich ein Orgelkonzert und eine Bild-Meditation in der Stiftskirche geben. „Auch die Krippe wird aufgebaut sein samt eines kleinen Stationenwegs.“

Advents-Prozessionen – ein alter Brauch könnte wiederkehren

In der katholischen Kirche laufen ebenfalls intensive Vorbereitungen. „Wir werden zusätzliche Gottesdienste anbieten, insbesondere an Heiligabend“, sagt der Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes. Außerdem werde man Materialien für die häusliche Gestaltung von Advent und Weihnachten zur Verfügung stellen. Gottesdienste sollen gestreamt und spezielle Video-Impulse über Social Media in der Advent- und Weihnachtszeit angeboten werden. Auch Hermes zieht es ins Freie: „Open-Air-Angebote bieten den Vorteil, dass man singen kann, was für uns und viele Menschen wichtig ist.“ Es könne auch an alte kirchliche Traditionen wie Advents-Prozessionen angeknüpft werden.

Matthias Vosseler, der Stiftskirchenpfarrer, hat noch einen ganz grundsätzlichen Wunsch: „Ich wünsche mir, dass in diesem Jahr weniger Rummel um das Fest herum sein wird und wir uns mehr auf den eigentlichen Charakter und Anlass von Weihnachten besinnen.“ Etwas Ähnliches hat er bei der diesjährigen Kieler Woche erlebt, „wo nach langer Zeit wieder einmal das Segeln im Vordergrund stand und nicht so sehr das Drumherum“.