Am Sonntag beginnt die vierte Auflage der Aktion Weihnachtsfreude. Jugendliche aus der Cannstatter Inzel werden nicht nur beschenkt, sondern helfen bei den Vorbereitungen.

Bad Cannstatt - Einen gelben Wunschzettel nach dem anderen spuckt das Laminiergerät aus. So bunt und fröhlich die Zettel gestaltet sind, so traurig sind die Wünsche, die darauf formuliert sind: Eine 34-jährige Frau wünscht sich rosafarbene Biber-Bettwäsche für ihre Tochter, ein 47-jähriger, wohnungsloser Mann eine dicke Jacke. Im Vergleich zu solchen Selbstverständlichkeiten muten die Wünsche von Laura, 15, Sherooz, 16, und Claudio, 14, schon fast luxuriös an. Ein Handy mit Touch-Screen hofft Laura unter dem Baum zu finden, die Jungen wünschen sich Gutscheine.

 

In der Cannstatter Inzel, Gesellschaft für offene und mobile Jugendarbeit Bad Cannstatt, helfen die drei Jugendlichen durch das Laminieren der Wunschzettel bei den Vorbereitungen zur Aktion Weihnachtsfreude. „Es macht Spaß, anderen Leuten zu helfen“, sagt Laura. Außerdem solle man gerade an Weihnachten nicht nur an sich selbst denken. Die Cannstatter Inzel ist eine der Einrichtungen, die von der Aktion Weihnachtsfreude von Beginn an unterstützt werden. Zum ersten Mal packen die Jugendlichen selbst mit an.

Jugendliche profitieren dreifach

„Das ist eine ganz tolle Aktion“, sagt die Leiterin der Inzel, Marie Déjeux. Viele Kinder und Jugendliche würden auf diese Weise zum ersten Mal damit konfrontiert, wie Menschen in Wohn- oder Pflegeheimen lebten. Andererseits profitierten auch die Jugendlichen selbst: „Durch Spenden werden Ausflüge in die Wilhelma oder ins Mineralbad möglich, die sich die Kinder sonst nicht leisten könnten“, sagt Déjeux. Die meisten Wünsche, welche die Pädagogen auf den Wunschzetteln notieren, ist für die ganze Einrichtung: „Wir wünschen uns Spiele, Schlitten oder auch Mützen und Schals, damit wir im Winter etwas ausleihen können.“ Für einzelne Jugendliche wünschten sich die Erzieher auch gezielt ein eigenes Geschenk, damit diese nicht nach den Weihnachtsferien als einzige nichts bekommen hätten. „Von den rund 70 Kindern, die regelmäßig in die Inzel kommen, können drei Viertel ein Geschenk gut gebrauchen.“ Viele Eltern ihrer Schützlinge seien alleinerziehend, arbeitslos oder kämpften mit Suchtproblemen. „Das ist typisch für den Stadtteil“, sagt Déjeux über die in der Neckarvorstadt gelegene Einrichtung. Von einem Geschenk profitierten die Jugendlichen dreifach: „Sie bekommen etwas Schönes, haben in der Schule etwas zu erzählen und lernen, was Gemeinschaft heißt.“ Alle Inzel-Schützlinge erhalten ihre Geschenke bei einem gemeinsamen Weihnachtsessen, für einen Teil der Jugendlichen geht es außerdem in den Waiblinger Weihnachtszirkus: Zum zweiten Mal organisiert die Cannstatter Fotografin Alexandra Licina in diesem Jahr einen Ausflug dorthin samt gemeinsamem Abendessen für 50 Kinder, die in der Inzel und von der Flüchtlingshilfe betreut werden.

Geschenke machen glücklich und sind ein Zeichen

Das ist für viele nicht selbstverständlich: „Wir leben zwar in einer Wohlstandsgesellschaft, aber viele Menschen – gerade in Bad Cannstatt – leben am Rand dieser Gesellschaft oder sind ganz ausgeschlossen von ihr“, sagt der Pfarrer der Stadtkirche, Florian Link. Viele Menschen könnten sich keine Geschenke leisten, etliche erhielten durch die Aktion ihr einziges Geschenk. Die Bedeutung der Geschenke gehe über den Materialwert hinaus: „Für die Obdachlosen sind sie ein Zeichen, dass ihren Mitbürgern ihre Not nicht gleichgültig ist, für die Flüchtlinge sind sie ein Zeichen des Willkommens, für die Jugendlichen ein Zeichen, dass sie angenommen sind, für die Kinder sind sie ein Glück und für die Alten ein Zeichen, dass sie nicht vergessen sind.“

AKTION WEIHNACHTSFREUDE

Aktion: Bei der Aktion Weihnachtsfreude spenden Cannstatter Geld, Sachen und Zeit an bedürftige Menschen aus sozialen Einrichtungen im Stadtbezirk, darunter unter anderen die Inzel, die Flüchtlingshilfe, das Haus Wartburg und die Ambulante Hilfe. Organisiert wird die Aktion seit 2010 von der Stadt-, der Martins- und der Lutherkirche sowie der Fotografin Alexandra Licina.

Termine: Die Wunschzettel hängen von Sonntag, 1. Dezember, an den Bäumen vor der Stadt- und der Lutherkirche. Geschenke können abgegeben werden in der Stadt-, Luther- und Martinskirche vor und nach den Gottesdiensten, in der Stadtkirche dienstags und donnerstags von 10 bis 12 Uhr und 16 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 12.30 Uhr, in den Pfarrämtern zu den Öffnungszeiten und bei Alexandra Licina, die als Shop in Shop inzwischen in der Boutique Divina Marina, Brunnenstraße 2, zu finden ist.