Es gibt sie – Weihnachtsgeschenke, die keine Freude bereiten. Die StZ muss gar nicht lange nachdenken, um sich an die traurigsten Präsente zu erinnern.

Stuttgart - Darüber spricht man eigentlich nicht – über Weihnachtsgeschenke, die einen ärgern, die man sich nicht gewünscht hat oder die man einfach nicht haben will. Die Autorinnen und Autoren der StZ mussten nicht lange nachdenken und verraten hier, was ihre traurigsten Präsente an Weihnachten waren.

 

Katja Bauer besitzt jetzt ein Rohrreinigungsset

Sie kennen das: Es ist kurz vor Weihnachten, aus irgendeinem Grund haben Sie immer noch nicht alle Geschenke und aus irgendeinem genau so blöden Grund stehen Sie an einem Samstagvormittag in der viele Meter langen Kassenschlange im Baumarkt. Vermutlich ist gerade Ihre Lichterkette kaputtgegangen. Sie haben nun ewig zwischen Regalen gestanden und nach einer neuen Kette gesucht. Alles ist ausverkauft, außer dem knallhässlichen Modell in Schneekristallform – kaltweiß, versteht sich. Jetzt auch noch anstehen! Da entdecken sie am Grabbeltisch vor der Kasse: ein Rohrreinigungsset. Ein langer, dünner Schlauch, zwei Anschlüsse, abgepackt in Blisterfolie, unschlagbar günstig. Wenn der Abfluss mal verstopft ist. Die Kassenschlange ist immer noch unendlich lang. Und ihr Kopf ist unendlich leer. Es ist der Moment, in dem die Verzweiflung gewinnt. Nur noch ein paar Tage bis Weihnachten. Keine Ahnung, was der andere sich wünscht, worüber er sich wirklich freut. Eins allerdings ist sicher: ein Rohrreinigungsset, das hat er noch nicht. Das hat nämlich kein normaler Mensch. Das ist die Lösung. Sie schlagen zu.

Sie würden so was nie verschenken? Auch nicht im größten Stress und bei maximaler Überforderung? Das möchte ich nicht wissen. Es würde mich um Jahre zurückwerfen. Ich schweige darüber, wer es uns verehrt hat. Es waren Menschen, zu denen man den Kontakt nicht abbricht. Auch nicht unter solchen Umständen. Außerdem war das Set liebevoll verpackt und wurde mit der Bemerkung überreicht: „Das kann man immer brauchen.“ Es war ein dermaßen harmonisches Fest. Ich habe dann gleich nach Weihnachten einen Meditationskurs gebucht.

Ein schönes Steckenpferd für Dominik Ignée

Mit elf Jahren fuhr ich mit dem Bonanza-Rad auf den Bolzplatz, baute über Bäche mächtige Brücken, und im Winter donnerte ich mit dem Schlitten fast todesmutig mit dem Kopf voran die Hänge hinunter. Ich kletterte auf Bäume und stürzte dabei zweimal ab. Beim ersten Mal brach ich mir den rechten Arm, beim zweiten Mal den linken. In diesem Jahr, in dem ich als Elfjähriger das Leben am Limit suchte, gab es ein Weihnachten, das mich zugegebenermaßen ein bisserl traumatisierte und im Prinzip schlimmer war als jeder Gips. Man schenkte mir ein Steckenpferd.

Ein Steckenpferd? Mit elf? Ja, von meiner Patentante aus Norddeutschland bekam ich es. Sie kannte meinen Namen, sie wusste an welche Adresse das Paket zu schicken war, aber sie zeigte sich recht ahnungslos hinsichtlich meines Alters. „Viel Spaß mit dem Steckenpferd!“, schrieb sie – ich weiß das noch, als hätte ich den Brief erst gestern geöffnet. Darüber hinaus hoffe sie, dass sich mit diesem Geschenk für mich ein kleiner Traum erfülle. Man soll nicht undankbar sein, und so schrieb ich ihr natürlich artig zurück und drückte in gewisser Weise meine Bewunderung aus für dieses dunkelbraune Steckenpferd mit der aus Wolle gebastelten quietschgelben Mähne. Aber die Frage war ja nun wirklich, wohin ich mit dem Teil wie im Monty-Python-Film „Die Ritter der Kokosnuss“ hätte reiten sollen? Auf den Bolzplatz? Zu unserem Geheimlager hinter dem Friedhof meines Heimatdorfs? In die Schule? Ins Kino? Statt mich zu blamieren, sattelte ich mein Bonanza-Rad, klemmte die Pille auf den Gepäckträger und radelte auf den Bolzplatz. Wir spielten auf Schnee. Ich kam wunderbar mit den Bedingungen zurecht, brillierte im Mittelfeld, erzielte den Siegtreffer, ließ mich feiern – und verlor kein Sterbenswort darüber, was bei mir so alles unterm Weihnachtsbaum lag.

Adrienne Braun mag die exklusive Espressokanne nicht

Die Freundin hat sich nicht lumpen lassen. Sie hat sogar mehr als großzügig in den Geldbeutel gegriffen. Sie hat ein hochwertiges, solides und sehr schönes Geschenk gekauft: eine Espressokanne. Nicht irgendeine billige Schraubkanne, sondern ein Markenprodukt. Ein Herdgerät aus mattiertem Edelstahl mit Trans-Therm-Boden, ergonomisch geformt, funktional ausgetüftelt und in Sachen Energieeffizienz optimiert. Ein Produkt, das, wie der Hersteller behauptet, „Maßstäbe in Design und Qualität“ setzt und „bereits jetzt zu den Klassikern des 21. Jahrhunderts gezählt werden darf!“ Das kann ich voll und ganz unterschreiben. Als ich auspackte, wusste ich sofort: Das ist das Nonplusultra in Sachen Schraubkanne.

Bloß: ich trinke keinen Kaffee. Ich habe überhaupt noch nie Kaffee getrunken und auch nicht einmal darüber nachgedacht, das auf meine alten Tage hin ändern zu wollen. Alle halbwegs guten Freunde, Verwandete und Bekannte sollten das eigentlich wissen. Die Freundin hat sich aber keineswegs geirrt. Sie kennt mich gut und wusste zu genau, dass ich keinen Kaffee trinke. Sie hat diese exklusive, stilvolle Espressokanne nicht etwa gewählt, damit ich mir einen guten Espresso kochen kann. Sie hat die Kanne zwar mir, aber eigentlich sich selbst geschenkt. Damit sie beim nächsten Besuch einen vernünftigen Kaffee serviert bekommt. Nach dem Motto: „Dein Kaffee schmeckt mir nicht“. Bis heute benutze ich bei Besuch die Kanne, immerhin kommen seither von den Kaffeetrinkern keine Klagen mehr. Trotzdem: so chic und schön sie sein mag, so ganz hab ich der Kanne den unausgesprochenen Vorwurf bis heute nicht verziehen.

Die Katzen-Hörbücher hat Julia Schröder nie angehört

Wenn die eigenen Kinder endlich erwachsen und aus dem Haus sind, wird für die Eltern vieles einfacher. Aber ein paar Dinge scheinen auf einmal viel schwieriger zu sein, als sie mal waren, damals, als die Kleinen noch um Nikolaus herum ihre Wunschzettel schrieben und mit kleinen Zeichnungen sowie – sicherheitshalber – den Bestellnummern aus dem Quelle-Katalog versahen. Was könnte dem Kind denn bloß gefallen, summt es in Tausenden von Mütter- und Väterhirnen, man muss doch an Weihnachten irgendwas in der Hand haben . . . Das „Kind“ hat inzwischen dreißig, vierzig oder noch mehr Jahre auf dem eigenen Buckel, es könnte eine Mehrfachsteckdose oder eine neue Badewannendichtung brauchen, aber das sagt es nicht. Wie praktisch,

wenn das erwähnte Nicht-mehr-Kind sich eine Katze anschafft! Katzencontent ist nicht nur im Internet, sondern auch im wirklichen Leben schnell gefunden. Ein Besuch in der örtlichen Filiale eines beliebigen Modernen Antiquariats reicht. Und schon fällt dem Vater ein wohlfeiles Hörbuch in die Finger, mit dem Titel „Katze fürs Leben“, das passt ja prima, die hat doch Katzen! Solche Dinge kommen vor. Ich will nicht sagen, von wem, aber mir wurde die Hörbuchfassung von Stefanie Zweigs „Katze fürs Leben“ geschenkt, obwohl ich keine Hörbücher höre, Stefanie Zweig nicht lese und Katzenkalender, -becher und -gemälde für deutlich weniger lebensnotwendig halte als meine echten Katzen. Das Beste: ich habe dieses Hörbuch zweimal bekommen, an zwei Weihnachten hintereinander, von denselben Leuten.

Matthias Hohneckers Bumerang für Sohnemann

Geschenke sind ja nie, nie, nie ärgerlich. Niemals! Ausnahme: man verschenkt etwas, das man nur deshalb verschenkt, damit man selbst was davon hat. Wenn man sich als Vater also über den Umweg Sohn selbst was schenkt, um damit spielen zu können. Die Klassiker: Modelleisenbahnen für Anderthalbjährige und Rennbahnen im Vorgriff auf die mögliche Geburt eines Nachkömmlings. Der Klassiker im Hause Hohnecker 2005: ein Bumerang. Der Vater (also ich) war auf dem Bumerangtrip, vielleicht weil er gerade „Crocodile Dundee“ angeschaut hatte, vielleicht weil er die Frage „Woher kommst Du?“ gerne mit „Aus Tralien!“ beantwortete. Also schenkte der Vater nach umfassender Einarbeitung ins Wurfgerätewesen (und der überraschenden Entdeckung,

dass Bumerange nach dem gyroskopischen Effekt funktionieren) dem Sohn einen Bumerang. Die Freude war groß – beim Vater. „Nein, ein Bumerang! Sooo toll!“ Draußen, auf dem Acker, der erste Wurf (vom Vater!), natürlich mit dem richtigen Anstellwinkel. Doch der Bumerang blieb achtzig Meter weiter im nassen Gras liegen – wie ein Gyrosstück. Zweiter Versuch, Anstellwinkel perfekt, Vater hochmotiviert. Aber der Bumerang durchschlug das Fenster eines Gewächshauses. Dritter Versuch, der Sohn war längst wieder unterm Christbaum verschwunden, Anstellwinkel modifiziert, noch perfekter. Doch der Bumerang kehrte nie zurück, blieb unauffindbar. Natürlich war der Bumerang schuld, nicht der Vater. Der hat sich nur mächtig geärgert über dieses Eigengeschenk – und an das Gedicht von Ringelnatz gedacht: „War einmal ein Bumerang, war ein Weniges zu lang. Bumerang flog ein Stück, aber kam nicht mehr zurück. Publikum – noch stundenlang – wartete auf Bumerang.“

Jan Georg Plavec hat zu viele Manschettenknöpfe

Man hat eben doch noch nicht alles. Das Jahr über fallen einem immer mal wieder Sachen ein, die man sich schenken lassen könnte. Manschettenknöpfe zum Beispiel. Das war 2011, und ich fand es eine gute Idee, mir nach dem schicken Anzug zum Geburtstag und zwei dazu passenden, selbstverständlich bügelfreien Hemden mit klassischem Ärmelaufschlag nun auch noch die entsprechenden Knöpfe schenken zu lassen. Schon klar, dass distinguierte Herrschaften ihre Manschettenknöpfe maßschneidern lassen; ich fand, dass es zum Anfang auch ein Modell tun würde, das meine Eltern für mich aussuchen oder meine Freundin. Allen dreien erzählte ich also von meiner Geschenkidee, beiläufig natürlich und über das Jahr verteilt, wie man das mit Geschenkideen eben so macht.

Um es abzukürzen: meine Eltern und meine Freundin hörten so gut zu, dass an Heiligabend gleich drei Paar Manschettenknöpfe unterm Baum lagen, während die Anwesenden in einer Tonlage zwischen belustigt und peinlich berührt kichernd um mich herumstanden. Bei der Gelegenheit fiel mir ein, dass ich mit den besagten beiläufigen Äußerungen in früheren Jahren zu einem Picknickkorb, einer Freisprecheinrichtung, einem Adventskalender aus Holz in Lkw-Form, diversen Gesichtscremes, einer Kuscheldecke, rosafarbenen Espadrilles, Skiunterwäsche und einer ledernen Dokumentenmappe gekommen bin. Man muss sich also eine regelrechte Strategie beim zufälligen Fallenlassen von Geschenkwünschen zurechtlegen. Wenn man das hinkriegt, dann klappt’s auch mit den Manschettenknöpfen.