Es gibt ein neues Konzept für einen Wintermarkt in Bad Cannstatt: Für 2014 ist ein Welt-Weihnachtsmarkt angedacht, bei dem auf sieben oder acht Plätzen in der Altstadt unterschiedliche Kulturen präsentiert werden.
Bad Cannstatt - Riesenhut-Tipis, einen amerikanischen Bar-Bus, Ponyreiten und Wettmelken wird es in der Vorweihnachtszeit auf dem Cannstatter Marktplatz nicht geben. Der Idee einer Western-Weihnacht konnten weder Lokalpolitiker noch Wochenmarktbeschicker oder Vertreter der Stadtkirche etwas abgewinnen. Für Dirk Strohm vom Verein Die Altstadt Bad Cannstatt und Stefan Sendelbach, den Inhaber von Cool-Tours Stattreisen-Stuttgart, war die schallende Ohrfeige der Kritik jedoch kein Grund, den Kopf in den Sand d zu stecken. Im Gegenteil: „Wir haben Fehler gemacht und manches falsch eingeschätzt“, sagte Sendelbach am Mittwochabend dem Verwaltungsausschuss des Bezirksbeirats Bad Cannstatt. So waren nicht nur das Motto, sondern auch mangelnde Information und Einbeziehung anderer Beteiligter kritisiert worden. Unter diese Vergangenheit wollen Sendelbach und die Mitglieder der Altstadt Bad Cannstatt einen Schlussstrich ziehen und einen Neuanfang wagen. Mit ihrem neuen Konzept für einen Wintermarkt 2014 hätten sie auf die Hauptkritikpunkte reagiert.
„Zunächst haben wir uns ein neues Motto überlegt“, sagte Stefan Sendelbach in der Sitzung am Mittwoch. Einen Welt-Weihnachtsmarkt soll es im kommenden Jahr in Bad Cannstatt geben: „Das Motto passt gut zu Bad Cannstatt, wo fast 20 000 Menschen mit einem ausländischen Pass leben und beinahe die Hälfte der Bewohner einen Migrationsintergrund hat“, sagt Sendelbach. Verteilt auf mehrere Standorte in der Cannstatter Altstadt sollen Programmbühnen und bis zu 90 Stände und Hütten aufgestellt werden, die vom 6. Dezember 2014 bis 6. Januar 2015 bespielt und geöffnet sein sollen. „Mit diesem Datum nehmen wir Rücksicht auf den für Cannstatt wichtigen Niklasmarkt und beziehen auch andere Kulturen wie zum Beispiel die russische ein, die Weihnachten später feiern.“
Mindestens sieben Veranstaltungsorte
In sieben bis acht Erlebniswelten sollen die Besucher nämlich in ebenso viele unterschiedliche Kulturen eintauchen können: Angedacht sind im Konzept ein schwäbischer Weihnachtsmarkt auf der Marktstraße, ein italienischer Markt rund um den Erbsenbrunnen, ein amerikanischer Weihnachtsmarkt auf dem Holzmarkt, ein orientalischer Markt am Jakob-Heine-Platz, eine russische Weihnacht am Thaddäus-Troll-Platz sowie ein neuseeländischer Markt auf dem Felgerhof. „Optional könnte ein skandinavischer Weihnachtsmarkt mit Tipi auf einem Teilbereich des Marktplatzes stattfinden“, sagte Sendelbach. Denkbar wäre nach den Worten des Unternehmers, mit Rücksicht auf den Wochenmarkt die dortige Bühne erst nach Marktende zu bespielen und die Stände der Händler einfach unter dem Tipi aufzuschlagen.
Mit dem neuen Konzept sind Sendelbach und die im Verein Die Altstadt Bad Cannstatt organisierten Einzelhändler im Verwaltungsausschuss des Bezirksbeirats auf offenen Ohren gestoßen: „Es ist gut, dass nicht aufgegeben und die Kritik aufgenommen wurde“, sagte Roland Schmid (CDU). Grundsätzlich sei eine Belebung der Altstadt und des Marktplatzes wünschenswert; beim vorgestellten Konzept mit sieben bis acht Veranstaltungsorten sehe er aber die Gefahr der Zersplitterung. Auch die Cannstatter Grünen seien grundsätzlich für einen Weihnachtsmarkt, sagte Ulrich Schollmeier. Vor einer endgültigen Entscheidung wolle die Fraktion aber die Meinung der Stadtkirche und der Marktbeschicker hören. „Daraus kann eine schöne Sache werden“, sagt Stefan Conzelmann (SPD). Schon das Motto sei viel besser gewählt als bei der Western-Weihnacht, sowohl weil es die Internationalität Bad Cannstatts widerspiegele als auch im Namen an den auf dem Wasen gastierenden Weltweihnachtscircus angelehnt sei, der jedes Jahr zahlreiche Besucher nach Bad Cannstatt locke. Gerhard Veyhl, der am Mittwoch sowohl für die Freien Wähler im Bezirksbeirat als auch als Vertreter des Gewerbevereins sprach sagte: „Bad Cannstatt braucht Aktivitäten und dabei soll der Marktplatz eine zentrale Rolle spielen.“ Vorrangige Aufgabe sei nun, mit den Marktbeschickern an einem Tisch zusammenzukommen.
Stadtkirche muss in Überlegungen einbezogen werden
Axel Heger, der Geschäftsführer der Märkte Stuttgart war am Mittwoch bei der Präsentation des Konzepts zugegen, hatte aber bereits vor der Sitzung angekündigt, nicht unmittelbar Stellung beziehen zu wollen. Der Dekan Eckart Schultz-Berg sagte, die Stadtkirche unterstütze grundsätzlich eine Belebung der Altstadt. Er kritisierte aber, dass die Stadtkirche in dem Konzept bislang nicht berücksichtigt sei, was sie aber zwingend werden müsse: „Während des Weihnachtsoratoriums und anderen kulturellen Aufführungen kann auf dem Marktplatz kein lautes Programm laufen.“ Die internationale Öffnung sei aus Sicht der Stadtkirche klasse, allerdings müsse man sich bei manchen Details überlegen, was diese noch mit dem christlichen Weihnachtsfest gemein hätten: „Ein orientalischer Markt im Stil von 1001 Nacht hat nichts mit Weihnachten zu tun“, sagte Schultz-Berg. Bad Cannstatt müsse aufpassen, sich nicht lächerlich zu machen.
An Inhalten und Detailfragen soll es nach den Worten von Sendelbach nicht scheitern: „Wir sind für alles offen, noch handelt es sich um ein Rohkonzept.“ Der Verwaltungsausschuss des Bezirksbeirats einigte sich am Mittwoch darauf, dass sich die Fraktionen in den kommenden Wochen intern abstimmten und Meinungen einholten. In der Sitzung am 4. Dezember soll eine grundsätzliche Entscheidung über die ersten sieben Veranstaltungsorte gefällt werden. Ob und wie auch ein Teil des Marktplatzes mit einbezogen werden kann will das Gremium spätestens im Februar kommenden Jahres entscheiden.
Kommentar
Zum Erfolg verdammt
Einen weiteren Fehlschlag verkraften weder die Einzelhändler noch der Ruf der Cannstatter Altstadt als Einkaufsmeile.
Geschenke und Leckereien aus aller Herren Länder sollen Besucher aus allen Himmelsrichtungen nach Bad Cannstatt locken und so nicht nur den Weihnachtsmarkt, sondern die ganze Altstadt beleben und Kaufkraft in den Bezirk bringen. Die Idee hat Charme und passt zu Stuttgarts größtem Stadtbezirk, keine Frage. Bis zu 90 Stände und gut ein halbes Dutzend Programmbühnen an mehreren Veranstaltungsorten bieten allerdings nicht nur Chancen, sondern auch ein gewaltiges finanzielles und ideelles Risiko: Bleiben die Besucher aus und die Händler und Gastronomen auf Würsten, Kerzen und Gebäck sitzen, dürfte dies der letzte Weihnachtsmarkt in größerem Stil in Bad Cannstatt gewesen sein. Zu frisch sind die Erinnerungen an vereinzelte und meist verlassene Buden entlang der Marktstraße in Bad Cannstatt in den vergangenen Jahren und die Vorstellung von Westernspielen auf dem Marktplatz. Der Wintermarkt 2014 ist zum Erfolg verdammt, soll der Ruf der Altstadt als Einkaufsstadt nicht ruiniert werden. Wenn alles passt, kann Bad Cannstatt aber nur profitieren. Dafür müssen nun alle Beteiligten an einem Strang ziehen.