Die Bewerber um das Bürgermeisteramt in Weil der Stadt stellen sich vor. Es geht, zum Beispiel, um die Große Kreisstadt.

Weil der Stadt - Wer, wie etwa der alte römische Rhetor Cicero, den perfekten Politiker an seiner Fähigkeit zur freien Rede misst, der kommt an diesem Freitagabend in der Stadthalle Weil der Stadt zu keiner Entscheidung. Zehn Minuten lang dürfen die Kandidaten ihr Programm vorstellen – und vom Manuskript lesen dabei alle ab. Auch am Zwischenapplaus kann man nicht messen, wer das Volk am meisten mitreißt. „Bitte klatschen Sie erst am Ende“, lautet die Bitte von Thilo Schreiber, der als Bürgermeister nicht mehr antritt und deshalb als Regisseur und Moderator des Abends fungiert.

 

Einen eindeutigen Gewinner dieser sieben rhetorischen Duelle lässt sich also nicht vermelden. Also kommt es auf den Inhalt an. Neue Akzente gibt es vor allem bei der anschließenden Fragerunde. Wie halten Sie es, will ein Bürger wissen, mit der „Großen Kreisstadt“. Seit der letzten Wahl vor acht Jahren steht dieser Begriff als Synonym für das Wachstum der Stadt, das die einen fürchten und die anderen als Lösung der Probleme ansehen. Mit 19 200 Einwohnern ist Weil der Stadt fast an der magischen Grenze von 20 000 angelangt, die (nur ein Beispiel) aus dem Bürgermeister einen Oberbürgermeister macht.

Vorteile einer Großen Kreisstadt

Man dürfe Wachstum nicht überstrapazieren, warnt der Kandidat Ralf Boppel. „Wenn es aber passiert, dann passiert es“, sagt Alexander Schopf (FDP), der nur Vorteile in der Großen Kreisstadt sieht, zum Beispiel sei der Polizeiposten dann rund um die Uhr besetzt. Jürgen Katz kennt die Diskussion und formuliert entsprechend vorsichtig: „Die Große Kreisstadt ist kein Selbstzweck“, sagt der Beigeordnete. Angesichts der Neubaugebiete sei die Wahrscheinlichkeit aber hoch, dass Weil der Stadt in der kommenden Amtszeit die Schwelle übertritt. „Heute haben wir die Probleme einer Großen Kreisstadt, aber nicht die finanzielle Ausstattung“, erklärt der bisherige Beigeordnete.

Nach ihm ist der Kandidat Christian Walter dran, der Katz direkt anspricht: „Ich stimme Herrn Katz zu, dass das kein Selbstzweck ist“, sagt er. Einer der Vorteile sei aber, dass man eine Bußgeldstelle einrichten und Blitzer aufstellen dürfe.

Der Kampf um den Bürgermeisterposten entwickelt sich in den Augen vieler Bürger und Beobachter zu einem Duell Katz/Walter – auch in den Augen der beiden selbst, zum Beispiel bei der Frage, wer künftig das Bauamt leitet. „Würde ich Bürgermeister, und ich hätte einen Beigeordneten, der Bau-Experte ist, wäre es nicht sinnvoll, das Bauamt zum Bürgermeister zu holen“, sagt Christian Walter – noch im Konjunktiv, und vielleicht, so hofft er, nach dem 2. August im Indikativ?

„In acht Jahren sehe ich mich wieder genau auf dieser Bühne, um Sie erneut um Ihr Vertrauen zu bitten“, beendet der 30-Jährige kurz zuvor seine Vorstellungsrede, die die Kandidaten an einem Pult hinter einer Plexiglas-Scheibe halten müssen. Er wolle Weil der Stadt „von Herzen gerne“ zu seiner Heimat machen. Bei seinen Terminen und Stadtteilrundgängen hätten die Weil der Städter ihm gesagt, es brauche frischen Wind und einen neutralen Blick von außen im Rathaus – „verbunden mit einer langfristigen Agenda“, sagt er.

Duell Katz/Walter

Den Namen seines Mitbewerbers nennt er nicht, aber dass diese Sätze auf den 59-jährigen Katz abzielen, ist klar. Der wiederum fährt die Gegenstrategie: „Sie kaufen mit mir eben nicht die Katze im Sack“, sagt Jürgen Katz in seiner Rede. „Man kennt mich hier, als Bürger und als zweiten Mann im Rathaus.“ Er setzt auf Konfrontation. „Es darf uns freuen, dass auch Herr Walter, mein geschätzter Mitbewerber aus der Landeshauptstadt, unseren Kurs bestätigt“, sagt Katz. Viele von Walters Vorschlägen seien längst angestoßen und umgesetzt – etwa ein Landschaftsentwicklungsplan, die Umstrukturierung im Rathaus, Energieprojekte, Radwegekonzepte, Stadtwerke, Pläne für den Schulcampus. „Haken dran, läuft“, sagt Katz nach jedem dieser Projekte, um dann zu schlussfolgern: „Lieber Herr Walter, lieber Herr Dr. Schopf, wir können Sie beruhigen, Weil der Stadt hat in den letzten Jahren nicht gepennt.“

Ralf Boppel, der Weil der Städter Ingenieur, mahnt in seiner Rede, zunächst die Pflichtaufgaben abzuarbeiten. Er verspricht mehr Bürgerbeteiligung. Alexander Schopf (FDP) erneuert die Forderung, den neuen Bildungscampus müsse ein Investor bezahlen, denn der trage dann alle Risiken, und Weil der Stadt brauche eine private Hochschule. Silvia De Benedictis kündigt an, in den Ortsteilen Ortsvorsteher einzuführen, die die Ideen der Bürger bündeln. Uwe Laich regt an, mit dem Verweis auf die Geschichte mehr Touristen zu gewinnen. Als freie Reichsstadt sei Weil der Stadt früher schließlich bedeutender gewesen als Stuttgart.

Die beiden Bewerber Michael Ohm und Ulrich Raisch sind nicht zur Kandidatenvorstellung in die Stadthalle gekommen.