Schon im Wahlkampf 2012 hatte Thilo Schreiber angekündigt, in Weil der Stadt eigene Stadtwerke gründen zu wollen. Jetzt macht sein Nachfolger Christian Walter einen Knopf an das Thema.

Weil der Stadt - Die Stadt Weil der Stadt soll Strom- und Gasverkäuferin werden. Dafür hat der Gemeinderat am Dienstagabend einstimmig dem Ansinnen der Verwaltung zugestimmt, eigene Stadtwerke zu gründen. „Damit können wir die Energiewende lokal und selbst gestalten und jeweils mit guten Partnern aufziehen“, erklärt Bürgermeister Christian Walter.

 

Einer der Partner steht schon fest. Zusammen mit der „Energie Calw“ (EnCW) will die Stadt eine Gesellschaft gründen, die dann Strom und Gas in Weil der Stadt verkauft. „Die Calwer haben sehr viel Erfahrung auf dem Gebiet“, sagt Walter. Unter dem futuristischen Solardach im Calwer Industriegebiet sitzen mittlerweile 110 Mitarbeiter, die Strom, Gas, Wasser und Wärme vertreiben und an 24 500 Kunden im Vorjahr 63 Millionen Euro umgesetzt haben. Mit ihrer Tocher „Schwarzwald Energy“ sind die Calwer sogar bundesweit auf dem Ökostrom-Markt unterwegs.

Im kommenden Jahr geht es los

Vor allem das Stichwort Ökostrom hat auch den Weiler Bürgermeister überzeugt. „Wir können dieses Projekt mit der EnCW sehr kurzfristig, noch im kommenden Jahr, starten“, kündigt Christian Walter an. Dafür will er den Vertrag mit den Calwern bis März fertig aushandeln und unterschreiben.

In Calw freut man sich über die Kooperation mit Weil der Stadt. „Das ist auch für uns ein spannendes Projekt“, sagt der EnCW-Pressesprecher Andree Stimmer. „Wir haben die Erfahrung und Expertise, im Gegenzug kann die Stadt Einnahmen generieren.“ Das beste Beispiel, wie eine solche Kooperation gut gelingt, sei die EnCW selbst, erklärt Stimmer. Seit 2007 gibt es die EnCW, beteiligt sind die Stadtwerke Calw und die EnBW. Seitdem haben die Calwer ein großes Netzwerk aufgebaut und übernehmen mittlerweile auch für andere Energielieferanten Dienstleistungen wie den Vertrieb und das Marketing, zum Beispiel für die „Energie Sachsenheim“. Im Unterschied dazu wollen sich die Calwer aber an der Gesellschaft der Weil der Städter selbst beteiligen.

Weil der Stadt verspricht sich von eigenen Stadtwerken unter anderem Einnahmen für die leeren Stadtkassen. In einem Strategiepapier der Stadtverwaltung heißt es zudem, dass eine solche Gesellschaft die Bürgernähe stärken könne, wenn sie vor Ort präsent ist. Das sichere auch die „ökologische und preisgünstige Mehrspartenversorgung“ und die „Demokratisierung der Energieversorgung“. Geschäftsfelder könnten dereinst neben Strom und Gas auch das Wasserwerk, die Kläranlage und das Hallenbad sein, ferner die Straßenbeleuchtung, E-Mobilität, die Bewirtschaftung der Parkplätze und Energieberatung. Eine Rolle spielen soll später auch das große Neubaugebiet Häugern, für das die Stadtwerke ein Wärmenetz betreiben könnten.

Zustimmung der Gemeinderatsfraktionen

Aus den Reihen der Kommunalpolitiker gab es nur Zustimmung zu den Plänen. „Es ist gut, dass wir auf einem niedrigen Level einsteigen und dann weitergehen“, sagt der grüne Fraktionsvorsitzende Alfred Kappler. „Bei der Energiewende geht es nun mal weg von riesigen Kraftwerksbetreibern hin zu kleineren, städtischen Versorgungsunternehmen.“ Der CDU-Fraktionschef Martin Buhl lobt ebenfalls das Vorgehen. „Der erste Schritt ist gemacht, jetzt kann das Ding wachsen“, sagt er. Jürgen Widmann, der Chef der Freien Wähler, fordert, dass die Stadtwerke immer eine hundertprozentige Tochter der Stadt bleiben müssten. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Cornelia Schmalz findet es ebenfalls gut, klein anzufangen. „Dann können wir gut überlegen, wen wir ins Boot holen“, erklärt sie. Und der FDP-Stadtrat Hans Dieter Scheerer findet, Stadtwerke seien der „richtige Schritt in die richtige Richtung“.

Dass die Stadträte in der Sitzung am Dienstagabend nicht ausführlicher Stellung genommen haben, liegt auch daran, dass sie hinter verschlossenen Türen nichtöffentlich schon öfter über das Thema diskutiert haben. Wie erst jetzt aus der Sitzungsvorlage hervorgeht, hat der damalige Bürgermeister Thilo Schreiber die Stadtwerke schon im November 2017 zum ersten Mal dem Gemeinderat vorgeschlagen. Seit 2018 ist die Verwaltung schon auf der Suche nach Kooperationspartnern.

Pläne reichen Jahre zurück

Der Plan ist aber noch älter. Schon im Wahlkampf 2012 hatte Schreiber die Stadtwerke als eines seiner Vorhaben angekündigt. 2014 hatte die CDU in Renningen diesen Ball aufgenommen und in einer Haushaltsrede gemeinsame Stadtwerke von Weil der Stadt und Renningen vorgeschlagen. Beim Neujahrsempfang 2017 kündigte Thilo Schreiber die Werke dann bei der Bürgerschaft zum ersten Mal öffentlich an. Seitdem feilte er hinter den Kulissen an dem Plan, wollte ihn in seiner letzten Gemeinderatssitzung zum ersten Mal noch selbst öffentlich diskutieren, aber da machten dem früheren Bürgermeister die Fraktionen einen Strich durch die Rechnung mit dem Argument, man könne solch wegweisende Entscheidungen nicht treffen, wenn der Nachfolger schon gewählt ist.

Der weiß um die Vorarbeit, auf die er aufbauen kann. „Herr Schreiber und Herr Katz haben das Thema über Jahre vorbereitet“, sagt Christian Walter am Dienstagabend. Dafür danke er beiden.