Ein Rockkonzert in der Kirche? Gibt es in Weil der Stadt: Die Band Coolisse kombiniert für Queen, Santana und Co. die Orgel mit Bass, Schlagzeug und E-Gitarre.

Wer glaubt, dass ein Rockkonzert nur in der Schleyer-Halle oder in der Porsche-Arena höchsten Musikgenuss bringt, der kann sich in Weil der Stadt eines Besseren belehren lassen. Denn die Weiler Band Coolisse zeigt einmal im Jahr, wie mit viel Einsatz, Wissen und Musikverstand an einem ungewöhnlichen Ort ein ungewöhnliches Konzert zum Publikumsmagneten wird.

 

Seit rund zehn Jahren machen sie zusammen Musik: Schlagzeuger Wolfgang Mareczek, Gitarrist und Synthesizerspieler Mike Martin, Bassist Thomas Müller und Keyboarder Anton Gruber, der auch die Kirchenorgel virtuos beherrscht. Zusammen sind sie Coolisse, benannt nach ihrem Übungsraum, dem Weiler Event-Kino Kulisse. Hier haben sie auch für die dritte Auflage von „Organ meets Rock“, kurz OmR, geprobt.

Die Idee dazu brodelte schon länger in Anton Gruber. „Unter anderem wollten wir zeigen, wie vielseitig die oftmals als so starr wahrgenommene Kirchenorgel ist und wie geschmeidig sie sich bei entsprechender Beherrschung durch die verschiedenen Musikgenres bewegen kann“, erklärt er.

Beeindruckende Lichtshow

Kirchenakustik bringt auch Herausforderungen mit sich

Für das diesjährige OmR haben die vier Vollblutmusiker Hits von Queen, Santana und Pink Floyd, Filmmusiken wie „Pirates of the Carribean“ oder „Phantom der Oper“ und klassische Stücke von Bizet bis Vivaldi adaptiert und mit einer Lichtshow, die sich sehen lassen kann, untermalt.

Doch ein Rockkonzert in der Kirche und mit der ausdrucksstarken Kirchenorgel muss anders geplant und vorbereitet werden als Konzerte in Musikhallen, denn mit der grandiosen Kirchenakustik ist nicht zu spaßen. Da Anton Gruber auf der Empore in die Tasten der Kirchenorgel greift, die restliche Band aber unten im Altarbereich spielt, muss eine ausgeklügelte Technik dafür sorgen, dass hier trotz akustischer Verzögerungseffekte und dem Nachhall ein harmonisches Ganzes entsteht. Mit technischem Know-how, Kreativität und der Hilfe des Leonberger Gitarrenbauers Günther Eyb hat Elektrotechniker Thomas Müller Lösungen für die perfekte Akustik gefunden. Für die eindrucksvollen Lichteffekte ist er ebenfalls verantwortlich.

Kirche platzt aus allen Nähten

Beim ersten Konzert 2018 hat die Band mit ungefähr 50 Neugierigen gerechnet. „Ganz optimistisch haben wir 80 Besucher geschätzt, heimlich gehofft habe ich auf etwa 130“, erzählt Anton Gruber. Als dann mit 350 Konzertbesuchern die Kirche nahezu voll war, war die Band erst mal baff. „Dass das so einschlägt, hätten wir nie gedacht!“, betont auch Wolfgang Mareczek, „zumal wir ja auch keine Werbung gemacht haben“, lediglich eine Vorankündigung in der Zeitung habe auf das Konzert aufmerksam gemacht.

Die Begeisterung war groß, das Feedback so positiv, dass die Band beschloss, im nächsten Jahr mit neuen Stücken wiederzukommen. Bei der zweiten Auflage von OmR war die Kirche proppenvoll, 400 Zuhörer wollten sich das Konzert nicht entgehen lassen. Durch die Pandemie hat OmR III erst im Spätherbst des vergangenen Jahres stattgefunden, und St. Peter und Paul platzte aus allen Nähten: „Leider haben nicht alle, die uns hören wollten, einen Platz gefunden“, bedauert Pfarrer Gruber, doch vielleicht haben diese bei der vierten Auflage mehr Glück. Geplant ist diese für den Spätherbst: „Da stehen wieder hitzige Diskussionen an“, plaudert Wolfgang Mareczek aus dem Nähkästchen, und alle vier brechen in Gelächter aus. Ja, ab und zu scheinen die Fetzen zu fliegen, doch die Chemie in der Band stimmt, und mit Humor und Toleranz wird ganz sicher wieder ein vielseitiges Programm auf die Beine gestellt werden.

Schwerer Stand für Musiker

Eine Band mit Pfarrer und Kinobesitzer

Dass sie trotz der Passion für die Musik ihre Brötchen anderweitig verdienen, haben die inzwischen leicht ergrauten Best Agers nie bereut. Mike Martin und Thomas Müller sind in der Industrie tätig, Wolfgang Mareczek betreibt das Weiler Kino-Center und die Kulisse, und Anton Gruber ist katholischer Pfarrer in der Keplerstadt. „Junge Musiker, obwohl talentiert und bestens ausgebildet, haben es heute aus mehreren Gründen verdammt schwer“, erklärt Thomas Müller. „Die Clubszene, das wichtigste Sprungbrett, ist mit Corona untergegangen, und junge Bands finden keine Plattform mehr, auf der sie sich bekannt machen können.“ Streamingdienste zahlten so gut wie nichts an die Künstler, davon könne keiner leben. „Dazu kommt, dass weltweit nur noch drei Labels das Sagen haben und die Musikszene bestimmen. Und die konzentrieren sich auf die berühmten Bands, für die sie horrende Eintrittsgelder verlangen können“, fügt Mike Martin hinzu.

Coolisse dagegen spielt ohne Gage, doch Spenden, die für einen guten Zweck verwendet werden, werden gerne angenommen. „Bis jetzt ist immer eine ordentliche Summe zusammengekommen“, freut sich Pfarrer Gruber. Kein Wunder, denn Coolisse gibt alles für ein Konzert, dass in Erinnerung bleibt.