Seit Sonntag breiten sich 26 Künstler in den Geschäften der Innenstadt aus. Ihre Werke sind Teil des verkaufsoffenen Sonntags gewesen. Die Aktion „Weil der Stadt als Galerie“ läuft noch bis zum Ostermontag.

Weil der Stadt - Aquarelle, mannshohe Metallskulpturen, Ölgemälde oder Kalligrafien – in den Gassen rund um die Stuttgarter Straße stellen 26 Künstler sich und ihre Werke in den Geschäften der Weil der Städter Innenstadt zur Schau. Sie sollen den Einzelhändlern am verkaufsoffenen Sonntag helfen, Werbung für ihre Geschäfte und den Standort zu machen.

 

Michael Kern sitzt hinter einem grünen Schreibtisch im Schaufenster von Foto Brandner nahe am Marktplatz. Neben ihm liegen Federhalter, Tintenfässer und dünne Pinsel. Auf dem Tisch vor ihm liegt ein schräges Holzbrett, auf dem der Kalligraf schreibt. „Das Brett hilft mir nicht nur beim Schreiben, der Winkel sorgt auch dafür, dass die feuchte Tinte sich im unteren Teil der Buchstaben sammelt. Das sieht dann am schönsten aus“, sagt Kern.

Sein Federhalter, mit dem er gerade filigranen Linien und verschnörkelte Buchstaben aufs Papier setzt, ist wie ein „V“ geformt. Die Feder steht in einem spitzen Winkel zum Griff. „Damit stehen Feder und Schrift in einer Linie“, erklärt der Kalligraf, der in London und Rom studiert hat. Seine Werke nehmen für die kommenden zwei Wochen fast den gesamten Platz im Schaufenster von Sabine Brandner ein. Am verkaufsoffenen Sonntag soll Kern mit seinen geschriebenen Kunstwerken Besucher anlocken.

Thomas Mangold vom städtischen  Gewerbeverein hat die Aktion „Weil der Stadt als Galerie“ organisiert. „Wir wollen für die Innenstadt als Standort werben“, sagt er, „unsere Konkurrenz sitzt im Internet oder in den großen Einkaufszentren auf der grünen Wiese.“ Weil der Stadt sei schon immer Marktstandort gewesen. „Das darf nicht verloren gehen“, sagt er entschlossen.

Neben dem Narrenbrunnen in der Stuttgarter Straße befindet sich das Geschäft von Martina Dreizehnter – Schreibwaren Scharpf. Anstelle von Stiften, Zeitschriften und grauen Ordnern hängen derzeit 15 Gemälde in ihrem Schaufenster. Die Bilder erzählen die Geschichte einer Pflanze. Ganz rechts keimt ein Bäumchen, treibt aus, blüht, trägt Früchte, verwelkt und geht am linken Ende des Schaufensters zu Grunde. „Die Bilder stammen vom Maler Fritz Haiber“, sagt sie. Der Künstler ist erst vor kurzem gestorben. „Das Schaufenster hat er noch selbst dekoriert“, erzählt die Inhaberin des Schreibwarengeschäfts.

„Ich mache an einem solchen Sonntag keinen großen Gewinn“, berichtet sie, „ich sehe das als Werbung.“ Wenn sich die Einzelhändlerin bei ihren Kollegen umhört, geht es vielen ähnlich. „Keiner von uns hat es leicht. Die Leute kaufen im Internet.“

Thomas Mangold vom Gewerbeverein kennt die Probleme der Händler. „Es gibt ein paar, die sitzen seit mehr als hundert Jahren im selben Haus. Die müssen keine Miete zahlen und fahren gute Gewinne ein“, berichtet er, „doch wer heute als Einzelhändler eine Existenz aufbauen will, hat es schwer. Die meisten verschwinden nach zwei oder drei Monaten leider wieder.“

Trotz des kühlen Wetters trauen sich immer mehr Menschen am Nachmittag vor die Tür. Sie bleiben vor den Schaufenstern stehen, bestaunen die Bilder und Skulpturen und kommen mit den Künstlern ins Gespräch. Auch der Landrat und seine Gattin waren zu Gast – als zweieinhalb Meter hohe Metallskulpturen von Werner Humberg. Die Figur t hat der Künstler aus alten Rohren, einem Pflug, Küchengeräten und den Ritzeln eines Fahrrads geschweißt. „Den echten Landrat, Roland Bernhard, hatte ich dabei nicht im Sinn“, schmunzelt er.