Heinrich Weidner machte den Wanderverband zukunftsfähig, er startete das landesweit erste Bürgerbegehren und erntete als Umweltschützer den Zorn von Motorsportfans. Für 60 Jahre Ehrenamt bekam der Journalist das Bundesverdienstkreuz.

Weil der Stadt - Nach dem „Hallo“ gibt’s erst mal Schelte. „Ihren Anruf habe ich schon in der letzten Woche erwartet“, sagt der Mann am anderen Ende der Leitung und schiebt lachend hinterher: „Für eine Zeitung, die Ausschau hält nach Besonderem, dürfte das nicht uninteressant sein!“ Was Heinrich Weidner meint, ist seine Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz in der Landesakademie für Jugendbildung am Malersbuckel. Ob Politik, Kirche, Natur- und Denkmalschutz und vor allem Wandern – der Weil der Städter hat sich im Ehrenamt über Jahrzehnte um das Gemeinwohl verdient gemacht und bekam dafür von Landrat Roland Bernhard und Innenminister Reinhold Gall die Medaille mit dem schwarzen Bundesadler.

 

Beim Hausbesuch legt der 86-Jährige voll bedruckte A4-Seite auf den Tisch. Sie enthalten seine Lebensstationen, oben drüber steht „Kurzfassung“. Kurzfassung? Die Nachfrage quittiert der gebürtige Heilbronner mit einem verschmitzten Lächeln. „Mein Arbeitstag hatte 24 Stunden“, sagt er. Das heißt: die erste Hälfte verbrachte er zunächst an der Schreibmaschine in der Zeitungsredaktion. Nach einem Volontariat bei einem Lizenz-Blatt, für das er Reportagen über die Entnazifizierungs-Spruchkammerverfahren oder den nächtlichen Transport der Deutschen Mark im Zuge der Währungsreform schrieb, arbeitete er unter anderem für die Deutsche Presse Agentur und die Heilbronner Stimme. Später saß er als Pressesprecher bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall und im Heilbronner Landratsamt „auf der anderen Seite des Schreibtischs“.

Ehrenamtliche Tätigkeiten „in der zweiten Tageshälfte“

In der „zweiten Tageshälfte“ widmete er sich seinen Ehrenämtern. „Manchmal frage ich mich schon, wie ich alles unter einen Hut bringen konnte“, sagt er lapidar. „Aber wenn man mich brauchte, war ich da.“ So wie 1971, als er im Bundesvorstand des Deutschen Wanderverbandes (DWV) die Zügel in die Hand nahm und diesen in den folgenden 30 Jahren fit für die Zukunft machte. Der Träger der Karl-Carstens-Medaille leitete auch als Bundesvorsitzender die Deutsche Wanderjugend (DWJ) und gründete später dazu eine Stiftung sowie die Europäische Wanderjugend. Was er gelernt hatte, setzte er auch im Ehrenamt ein und so kümmerte er sich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, er gestaltete Jahreszeitungen und Kataloge, und er moderierte auch die Deutschen Wandertage mit Tausenden Zuhörern und Politik-Prominenz im Publikum. „Ich hatte mich nie in den Vordergrund gedrängt, aber mit dem Mikro war ich sehr vertraut“, sagt er.

Auch deshalb berichtete er fast 20 Jahre lang von seinen Touren für den damaligen SDR. „Nach dem Bekenntnis des Bundespräsidenten Carstens bekam das Wandern einen riesigen Zulauf“, erklärt Weidner und erinnert sich an die Öffnung des Eisernen Vorhangs für Wanderer 1987. „Ich hatte einen Sendetermin von einem österreichischen Telefon aus“, erzählt er. Doch weil die österreichische Delegation bei der Feier in der ungarischen Grenzstadt Köszeg geblieben sei, habe er mit seiner Frau die Grenze zu Fuß passieren müssen. „Als wir dann auf den Grenzposten zuliefen, wurden die Wachleute langsam nervös“, berichtet er grinsend. „Auf der anderen Seite ging es in das nächste Lokal, und ich lieferte meine Live-Reportage pünktlich ab!“

Die Leidenschaft fürs Wandern wurde ihm in die Wiege gelegt. „Mein Vater war ein begeisterter Wanderer und Sonntag war immer Wandertag bei den Weidners“, erzählt er. Seine Laufbahn begann bei der Haller Jugendgruppe des Schwäbischen Albvereins. „Aber ich war kein Mitläufer, sondern immer der Macher“, sagt Weidner, der dann gleich Gruppenleiter wurde. Später als Vorsitzender der Ortsgruppe in Beilstein organisierte er mit seiner Frau Wanderwochen in ganz Europa – regelmäßig auch mit Gleichgesinnten aus der französischen Partnerstadt. „Ich glaube, wir hatten eine Gabe, Menschen fürs Wandern zu begeistern“, findet er. Viele Weggefährten würden sich noch heute erinnern, was sie „mit den Weidners erlebt haben“.

Fusion der Jugendherbergs-Verbände auf den Weg gebracht

Auch im Hauptausschuss des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) machte er von sich reden und erreichte die Fusion der Landesverbände Schwaben und Baden. Im Deutschen Nationalkomitee Denkmalschutz gelang dem Umweltaktivisten – er führte auch Regie beim Umwelt-Kabarett „Mir stinkt’s“ –, dass das Heilbronner Bergrennen im Beilsteiner Stadtwald 1984 eingestellt wurde. „Die Leute vom ADAC standen damals an der Tür und beschimpften uns“, erinnert er sich mit einem Schmunzeln.

Als Mitglied der SPD – für die Genossen saß er im Beilsteiner Gemeinde- und Haller Kreistag – war er auch politisch aktiv. Wie etwa 1987 bei dem ersten erfolgreichen landesweiten Bürgerbegehren zum Erhalt der St.-Anna-Kirche in Beilstein-Billensbach, das er initiierte. „Als Pressesprecher im Heilbronner Landratsamt und Angestellter des Landrats war ich in einer Zwitter-Rolle, weil er entscheiden musste, ob das Begehren zugelassen wird“, erzählt Weidner, der aus dieser Zeit auch seinen Duzfreund Innenminister Gall kennt. Nach dem berufsbedingten Umzug „ins große Hamburg“ in den 60er-Jahren brachte sich Weidner auch als Chef des Kirchengemeinderats im Stadtteil Billstedt ein.

Seit 2002 lebt er mit seiner Frau Adelheid – die beiden sind seit 1962 verheiratet und haben zwei Töchter – in der Keplerstadt. „Sie hat mir immer den Rücken freigehalten“, sagt er über seine Gattin, die er natürlich beim Wandern kennengelernt hat. Übrigens: Auch an seinem „Un-Ruhesitz“ hat er Spuren hinterlassen. Und das schon lange, bevor es ihn ins Heckengäu verschlug. Denn für den Bau der Akademie am Malersbuckel in den Sechzigern hatte er in seiner Funktion beim Jugendherbergswerk geworben. Auf seine Initiative hin brachte zudem der Schwarzwaldverein zum 100-Jahr-Jubiläum das Wanderbuch „Kreuz und quer durchs Heckengäu“ heraus, das zu einem Verkaufsschlager wurde.

Klar, die Freude über das Bundesverdienstkreuz ist groß. Doch bei allem sei es ihm nie um persönliche Vorteile gegangen. „Mein Leitspruch war immer: Es muss nichts für mich anfallen, sondern die Gemeinschaft muss davon profitieren“, betont der umtriebige Senior, der auch Träger der Landesverdienstmedaille ist.