Wenn das Vehikel streikt, bleibt vielen Frauen oft nichts anderes übrig, als den Abschleppdienst zu rufen. In einem Volkshochschulkurs lernen sechs Damen ihre Autos besser kennen – und wechseln sogar Reifen.
Weil der Stadf - Ich finde es eine Schande, wenn man Frauen so abtut, als könnten sie das alles nicht.“ Anika Holtermüller ist die Verärgerung darüber anzumerken, dass manche Mitmenschen bei „Frauen und Technik“ die Augen verdrehen. Die angehende Diplom-Informatikerin lässt sich in Sachen Autotechnik schon lange kein X mehr für ein U vormachen. „Ich habe schon als kleines Kind meinem Vater in der Werkstatt beim Schrauben geholfen“, erzählt sie. Jetzt gab sie beim Autopannenkurs für Frauen an der VHS ihr Wissen weiter. Vor allem aber machte sie Mut, hinter die Geheimnisse eines Autos zu blicken.
Bevor die 28-Jährige ans Eingemachte der Technik geht, bekommen die sechs Frauen einen Tipp: „Schaffen Sie sich einen kleinen Ratschenkasten an. Dann haben Sie für viele Fälle das passende Werkzeug dabei“, empfiehlt Holtermüller, die neben dem Studium für ein Maschinenbauunternehmen arbeitet, das Motoren entwickelt. „Und der sieht schick aus in der Handtasche“, sagt sie augenzwinkernd.
Die älteste Teilnehmerin ist 71 Jahre alt
Für einen Reifenwechsel reicht dieses Kleinwerkzeug allerdings nicht. Das können die Frauen, von denen die älteste 71 ist, gleich feststellen. Denn nicht nur Theorie, sondern vor allem auch Praxis in einer Werkstatt in der Weil der Städter Josef-Beyerle-Straße stehen auf dem Stundenplan. Bevor der Wagenheber angesetzt wird, hat Anika Holtermüller einen „Tipp für die Hausfrau“ parat: „Benetzen Sie einen Reifen mit Wasser, in dem Spülmittel ist. Dort, wo er Blasen bildet, ist er undicht“, sagt sie. Im Zweifel sollte man jedoch immer die Werkstatt auf die Reifen schauen lassen, denn diese seien lebenswichtig.
„Haben Sie schon Ihren Ersatzreifen entdeckt?“ fragt sie in die Runde. Von den sechs Frauen melden sich drei. Auf die Frage „Wer weiß eigentlich, wo die Batterie sitzt?“ gehen zwei Finger in die Höhe. Am Ende des Tages werden es alle wissen. Und sie haben gesehen, wie man mit einem Starterkabel umgeht und dass man es laut Anika Holtermüller immer dabei haben sollte. „Es schadet auch nichts zu wissen, wo der Sicherungskasten ist und was sich dahinter verbirgt“, sagt die junge Frau, die Mitglied im Akademischen Motorsportclub Stuttgart ist und selbst alles an ihrem Fahrzeug repariert – „außer Räder auswuchten. Dazu habe ich nicht das nötige Werkzeug.“
Nun geht es ans Reifen wechseln – für viele Frauen keine leichte Übung, ist doch auch einige Muskelkraft dazu nötig. „Ich habe zwar einen Wagenheber, der ist auch schon benutzt worden, nur nicht von mir“, sagt eine der Teilnehmerinnen lachend. Als sich die letzten beiden Schrauben lösen, gibt’s Applaus. „Wer mag denn die Reifen wieder draufsetzen?“ fragt Holtermüller in die Runde. Eine 47-Jährige meldet sich und ist nach erfolgreicher Tat sichtlich stolz. „Ich habe zum ersten Mal selbst einen Reifen gewechselt. Das ist ein cooles Gefühl, und es war gar nicht so einfach.“
In fünf Jahrzehnten noch nie liegengeblieben
Auch Waltraud Bächle aus Weil der Stadt, die seit 50 Jahren Auto fährt, „will wenigstens einen Reifenwechsel können“. Sie brauche die Werkstatt ihres Vertrauens und sei auch noch nie liegengeblieben. „Aber etwas Angst, dass es einmal passieren könnte, fährt immer mit“, sagt sie.
Und diesem Gefühl, der Technik ausgeliefert zu sein, will der VHS-Kurs begegnen. Elke Odrich-Liebthal, die stellvertretende VHS-Leiterin, wollte schon länger in Leonberg einen solchen Kurs anbieten, fand jedoch keine Werkstatt, die mitmachte. Umso mehr freut sie sich, dass es jetzt in Weil der Stadt klappte. Die Begeisterung der Frauen gibt ihr Recht. Als eines der Autos auf der Hebebühne nach oben schwebt und sonst Verborgenes sichtbar wird, ist das Interesse groß. Zu diesem Zeitpunkt ist auch längst die Frage geklärt, wo denn bei den Fahrzeugen der Teilnehmerinnen der Abschlepphaken sitzt.