Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Dann trauern alle, weil die Fasnet so schön wie immer war.

Weil der Stadt - Die Tränen tropfen laut. Eben noch haben sich sämtliche Altstadt-Keller mit den Schlager-Beats überboten. Aber kaum rücken die großen Zeiger der Kirchturmuhr bedrohlich nah in Richtung Mitternacht, huschen all die bunten Gestalten, die hier schon in den vergangenen 15 Wochen ihr Unwesen getrieben haben, durch die Altstadtgassen.

 

Doch alles hat ein Ende, niemand weiß das besser als die Jünger der in jahrhundertealte Ritualformen gegossenen Fasnachtereien. In immer gleichen Jahreskreisen vollziehen sie diese fünfte Dimension des Lebens, vom Aufgehen der Sonne am 11.11., über die Sonnenhöchststand am Tag des großen Umzugs – eben bis zum zwangsläufigen Untergang, wenn Glockenschlag und Kirchturmuhr den Aschermittwoch einläuten und allem Bunten ein Ende setzen.

Jeder weiß das – darum ist es dieses gemeinsame Wissen, das man als Narr auch in der allerletzten Stunde teilen kann, weil es alle fühlen. Spätestens, wenn sie dem Dunst der Keller-Feierei entstiegen sind und ihnen die dunkle, klare, frische Nacht entgegen schwappt.

Die Fasnet ist eine sehr ernste Sache

Alles im Leben hat ein Ende, aber selten im Leben zelebrieren Menschen ein Ende derart, dass sämtliche Poren und Sinne des Körpers daran teilhaben. Die Narrenkapelle spielt nochmals ihre Hymne, nur viel langsamer, viel tragender. Das Feuer in der Mitte der feiernden Meute wärmt, knistert und vertreibt die Düfte der Saison.

Denn andächtig vollzieht die Narrengemeinde ihre letzte Prozession, vom Marktplatz, wo zwei Hexen die Narrenfahne einholen, hinunter zum Narrenbrunnen. Dort setzt der Siebenerrat seine Strohpuppe in Flammen, die an Tüchern und Kleidern mit allem ausgestattet ist, was die Saison prägt. Das bekommt dann auch das anschließende Feuer zu spüren, der Reihe nach treten die Narren vor die Flammen.

„Meine Manuskripte“, so erzählt es ein Zigeuner, „für die ganzen Sketche und Kappenabende, die werfe ich ins Feuer.“ Damit sei die Saison beendet, sagt er, macht ein Kehrum und sucht in der Weite der Nacht sein Zuhause. Schluss, aus, vorbei. Wo hunderte Narren beisammen sind, da ist Stimmung, Party, Krach. Aber wenn sie gemeinsam ihr Ende zelebrieren, hört der Nachtkrapp jede Stecknadel fallen. Still wischt ein jeder die Träne beiseite, gemeinsam hält man Hände.

Zwei, die sich besonders lange umarmen, sind Daniel Kadasch und Michael Borger, der Zunftmeister und der Narrenzunft-Vorsitzende. „Ja, das geht tief“, erzählt Michael Borger später, „wenn man das Feuer sieht, dann denkt man schon nach.“ Über die vielen, vielen schönen Momente, über das, was weniger schön war, über das, was alles hätte passieren können, zum Glück aber nicht passiert ist.

Manchmal muss es auch ein Ende geben

Eine Umzugsveranstaltung mit 45 000 Zuschauern und 2000 Darstellern haben Borger und Kadasch auch in diesem Jahr wieder zusammen mit ihren Teams organisiert. „Erleichterung, aber auch Dank“, empfinde er da, sagt Michael Borger. Keine großen Unfälle sind in diesem Jahr passiert, ohne größere Gefahren ist alles über die Bühne gegangen.

Bis die Flammen erloschen sind, bleiben alle andächtig, schweigend stehen, im Hintergrund schließen alle Wirtschaften ihre Läden.

Das normale Leben beginnt. Jedenfalls ein Stück weit, in ein paar Wochen setzen sich alle Verantwortlichen in Narrenzunft, Stadtverwaltung und Polizei schon wieder an einen Tisch, um Bilanz zu ziehen, das verstärkte Sicherheitskonzept unter die Lupe zu nehmen. Denn „s’goht dagega“, trotz allem, trotz aller Tränen. Alles kommt wieder, auch die Fasnet, nicht zuletzt der Fasnetsbrunnen, an dem alle trauern, zeugt davon. „Ich sag’ immer: Wer die Fasnet erfunden hat, war ein toller Mensch“, sagt der Ober-Narr Michael Borger. „Aber wer der Fasnet auch ein Ende gesetzt hat, war ein noch tollerer Mensch.“