Weil der Pfarrer der St.- Franziskus-Gemeinde keine Zeit hat, lässt er einen Vertreter eine Trauerfeier übernehmen – mit chaotischen Folgen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Weilheim - Das ist ein Unding und eine ganz tragische Geschichte für die Betroffenen.“ Paul Magino, der Dekan des katholischen Kirchenbezirks Esslingen-Nürtingen, ist fassungslos: „Das Verhalten des Pfarrers der Weilheimer St. Franziskus-Gemeinde, Hermann Ehrensperger, ist einfach unentschuldbar.“

 

Was den Dekan so in Rage bringt, ist ein Vorfall vom vergangenen Freitag: Weil ihre strenggläubige Mutter in einem Weilheimer Pflegeheim gestorben war, wollte ihr Sabine Lemke aus Aichelberg (Kreis Göppingen) einen würdevollen Abschied auf dem örtlichen Friedhof organisieren. Sie wandte sich an den Pfarrer der St. Franziskus-Gemeinde, der auch für Aichelberg zuständig ist, und bat Ehrensperger um eine feierliche Urnenbestattung mit Trauerfeier. Als Termin wurde ihr der 15. November genannt.

Trauergespräch am Telefon

Dass Ehrensperger später wegen eines anderen Termins absagte, habe sie nicht irritiert, erzählt sie. Schließlich habe er versprochen, für Ersatz in Form eines Lektors zu sorgen. Gewundert habe sie sich aber schon, dass sich zunächst niemand wegen eines Trauergesprächs bei ihr gemeldet habe. Erst einen Tag vor der Beerdigung habe der Lektor schließlich angerufen und binnen kürzester Zeit ein paar Fakten aus dem Leben der Mutter abgefragt.

Was die Familie dann jedoch bei der Beerdigung erlebte, wird Sabine Lemke wohl ihr gesamtes Leben nicht mehr vergessen. Der Lektor sei in verwaschenen Jeans und Anorak aufgetaucht. Lemke: „Ausgerüstet war er mit einem Malerpinsel und einem wassergefüllten Gurkenglas, das er für die Segnung der Urne einzusetzen gedachte.“

Gebet im Stenostil

Anschließend habe der ältere Mann seine Ansprache innerhalb kürzester Zeit „heruntergeleiert“, wobei er seine Rede mit Anmerkungen wie „das passt hierzu nicht“, „das lassen wir aus“ und „ach, das gehört gar nicht zu dieser Beerdigung“ kommentiert habe. Den Namen der Mutter habe er drei Mal verkehrt gesagt, zudem das Sudetenland mit Jugoslawien verwechselt. Das abschließende Vaterunser habe er dann im Stenostil heruntergebetet.

Doch damit war der Albtraum, in dem sich Sabine Lemke mittlerweile wähnte, noch lange nicht vorbei. Denn anschließend habe der Lektor die Urne tatsächlich mit dem Malerpinsel und Wasser aus dem Gurkenglas gesegnet. Diesen Vorgang habe der Redner dann am offenen Grab wiederholt und ihr dann das Gefäß und den Pinsel gereicht. Dass er das mit den Worten: „So, jetzt dürfen Sie ihrer Mutter Wasser geben“ getan haben soll, – wie das andere Trauergäste berichten –, weiß Sabine Lemke nicht mehr: „Ich habe unter Schock gestanden.“ Sehr wohl erinnert sie sich aber an die mahnenden Abschiedsworte des Ersatzpredigers: „Denken Sie an Ihre Mutter.“ Dann habe er die fassungslose Trauergemeinde nach weniger als 15 Minuten verlassen.

Beerdigen dürfen nur Priester und Diakone

Entsetzt über diese Schilderung ist auch Uwe Renz, der Pressesprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Verantwortlich für diesen „unentschuldbaren Vorgang“ sei aus seiner Sicht aber nicht der ehrenamtliche, mittlerweile 79-jährige Lektor. Allein der Weilheimer Pfarrer Hermann Ehrensperger trage die Verantwortung für „diesen schrecklichen Vorfall“. „Nie hätte er den Mann mit dieser Aufgabe betreuen dürfen“, sagt Renz. Erlaubt sei das Beerdigen Priestern und Diakonen. Auch könnten Pastoral- und Gemeindereferenten, also allesamt hauptberufliche Seelsorger, nach einer speziellen Ausbildung bestatten. Ehrenamtliche Helfer dürften nur dann eine Urnenbeisetzung leiten, wenn es zuvor bereits eine „profilierte Trauerfeier“ gegeben habe. Das sei in Weilheim nicht der Fall gewesen.

Der so von seinen Kollegen attackierte Weilheimer Pfarrer versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. „Ich war da ja nur in der zweiten Reihe dabei“, erklärt Hermann Ehrensperger. Eine Urnenbestattung könne überdies doch jeder Bestattungsunternehmer vornehmen. Verhindert sei er gewesen, weil er einen Vortrag habe halten müssen. Nur einmal habe er bisher den Helfer eingesetzt. Da habe es keine Beschwerden gegeben. Die Frage, ob der Helfer, der angegeben hatte, mehrfach bei Beerdigungen mitgewirkt zu haben, recht habe, lässt Ehrensperger unbeantwortet: Ohne Gruß legt er auf.

Ehrensperger drohen dienstrechtliche Konsequenzen

Paul Magino bringt für ein solches Verhalten kein Verständnis auf. Natürlich komme es vor, dass ein Pfarrer verhindert sei. Es sei jedoch üblich, das mit Kollegen abzusprechen und sich von ihnen vertreten zu lassen. Uwe Renz betont, dass dem Bischof Gebhard Fürst die Bestattungskultur außerordentlich wichtig sei. Mehrere Stunden hätten die Dekane bei ihrer letzten Sitzung diesem Thema gewidmet.

Für Hermann Ehrensperger wird die Angelegenheit dienstrechtliche Konsequenzen haben. Uwe Renz kündigt an, dass der Weilheimer Pfarrer zu einem „ernsten Personalgespräch“ nach Rottenburg zitiert werde. Das entspreche im weltlichen Leben einer Abmahnung.

Kommentar: Unerträglich

Weilheim - Die katholische Kirche hat ein Problem. Das heißt Hermann Ehrensperger. Denn der offenkundig problembeladene Umgang des Weilheimer Pfarrers mit dem Thema Tod kann die Verantwortlichen in Rottenburg nicht ruhen lassen. So ist es beispielsweise schon auffällig, wenn man auf der Homepage der St.-Franziskus-Gemeinde die Rubrik „Was tun, wenn . . .“ anklickt. Hilfe gibt es dort zu den Bereichen Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit, Bußsakrament und Krankenbesuch. Das Thema Tod wird aber vorsorglich ausgespart. Vollkommen unerträglich aber ist, wie und an wen der Pfarrer Beerdigungstermine delegiert. Das muss den Rottenburger Bischof Gebhard Fürst erzürnen.

Da viele Menschen eher sporadisch Kontakt zur Kirche und zur christlichen Botschaft hätten, schreibt Fürsts Pressesprecher Uwe Renz in einer Stellungnahme, bestehe bei einer Beisetzung „die Chance, sich existenziellen Fragen nach Leben und Tod, Sinn und Vollendung zu öffnen“. Beerdigungen seien also auch eine der raren Gelegenheiten, Kontakt zu solchen Menschen zu knüpfen, die den Kirchen den Rücken gekehrt hätten. Dafür lohne es sich, ganzen Einsatz und umfassende Kompetenz einzubringen. Während viele Priester, Diakone und andere Seelsorger diesen Dienst überzeugend leisten, scheint es Hermann Ehrensperger damit nicht genau zu nehmen. Schlimmer: selbst jetzt versucht er noch, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Das kann und darf die Kirche nicht akzeptieren.

Bei der Bewältigung des Beerdigungsdebakels zeigt Hermann Ehrensperger keine Größe. Auf einen Anruf des Weilheimer Pfarrers wartet die Familie Lemke bisher vergeblich. Wenigstens hat der Esslinger Dekan Paul Magino nun angekündigt, sich im Namen der Kirche bei den Angehörigen zu entschuldigen. Das Problem Hermann Ehrensperger ist damit allerdings nicht gelöst. Mehr als eine Abmahnung ist aus Sicht der Kirche dienstrechtlich nicht möglich. Es ist deshalb zu hoffen, dass der Geistliche selbst die Konsequenzen aus seinem unerträglichen Verhalten zieht.