Im Bezirksamt haben Christen und Muslime über ihre Fastentraditionen gesprochen.

Stuttgart-Weilimdorf - Christen und Muslime in Weilimdorf möchten den Kontakt zueinander verstärken und ihre Religionen besser kennenlernen. Unter diesem Vorsatz steht die Veranstaltungsreihe, welche die evangelischen und katholischen Kirchen zusammen mit islamischen Gruppen und dem Bezirksamt im vergangenen Jahr ins Leben gerufen haben. Beim zweiten Treffen am Mittwoch ging es um das Thema Fasten. „Das betrifft alle, sowohl die christlichen als auch die islamischen Gemeinden“, sagte die Bezirksvorsteherin Ulrike Zich. Sie hob den Unterschied zu dem in Mode gekommenen Verzichten aus Diätgründen hervor. „Das religiöse Fasten ist etwas ganz anderes“, sagte Zich.

 

Über den Brauch im Islam sprach die Islamwissenschaftlerin und Dozentin an der evangelischen Hochschule, Emina Corbo-Mesic. Sie erklärte, dass das Fasten neben dem täglichen Gebet, der Pilgerfahrt nach Mekka, der Almosensteuer und dem Glaubensbekenntnis eine der fünf Säulen des Islam ausmache, die jeder Gläubige erfüllen soll. „Im Koran ist das Fasten als Pflicht erwähnt“, sagte sie. Der 30-tägige Verzicht sei ein Ausnahmezustand, „der uns Gott wie nichts anderes nahebringen kann“.

„Im Sommer ist das Fasten sehr anstrengend“

Corbo-Mesic ging auch auf die Fastenregeln ihrer Religion ein. Da immer im Ramadan, dem neunten Monat des Mondkalenders, gefastet wird, verschiebt sich die Zeit des Verzichts jedes Jahr um zehn oder elf Tage. Heuer beginnt das Fasten am 9. Juli. „Im Sommer ist es sehr anstrengend, weil dann die Tage länger sind“, sagte die Muslimin. Denn der Verzicht auf Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr beginnt mit der Morgendämmerung und endet bei Sonnenuntergang. Beendet wird die Phase mit dem Fest des Fastenbrechens. „Man genießt den ersten Kaffee dann ganz anders.“

Außer im Ramadan könnten Muslime auch drei Tage lang sühnefasten, um etwas wiedergutzumachen. Andere fasteten am 13., 14. und 15. eines jeden Monats oder jeden Montag und Donnerstag. Freitags oder an Feiertagen zu fasten sei hingegen verboten, wenn nicht an den Tagen davor und danach ebenfalls verzichtet werde. Wer krank ist, dem sei Fasten nach islamischem Glauben ausdrücklich verboten.

Besinnung auf das, was wirklich zählt im Leben

Mit dem Fasten erfüllen Muslime einen unsichtbaren Gottesdienst, erklärte Corbo-Mesic. Ferner gehe es darum, sich in Selbstdisziplin zu üben, die Seele zu reinigen, Gewohnheiten zu durchbrechen, den Körper dem Geist untertan zu machen und Beziehungen zu Mitmenschen und zu Gott zu festigen. Die Muslimin benannte einen weiteren Vorteil: „Arme und Reiche sind beim Fasten gleich.“

Pfarrer Lothar Müller vom Kloster Kirchberg erklärte, dass das Fasten zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag im evangelischen Glauben keine Pflicht sei. Es stelle jedoch eine Vorbereitung des Leibes und der Seele auf besondere Kirchenfeste dar. „Fasten ist beten mit dem Leib und eine innige Verbindung zu Gott“, erklärte er. Essen diene im Alltag häufig dem Vertuschen von inneren Vorgängen. „Seelische Regungen, Zweifel und Fragen an Gott machen wir dadurch weg. Beim Fasten verzichten wir auf all die Sicherheiten, Ablenkung und Zerstreuung.“ Wer faste, stehe „nur noch so“ vor Gott da und könne sich auf das besinnen, was wirklich zählt im Leben. „Man lernt, barmherziger zu werden zu seinen Mitmenschen.“