Eine spannende Frage für alle Weinliebhaber: Wie wird der Wein in diesem Jahr? Wie wirkten sich der Frost im Frühjahr und die vielen Regentage zu Beginn des Sommers aus? Was schon fest steht: In diesem Jahrgang steckt sehr viel Arbeit.

Für eine endgültige Prognose ist es noch zu früh, denn die letzten Wochen vor der Lese sind entscheidend für die Qualität des Weinjahrgangs 2024. Allerdings zeichnet sich ab, dass er gut, vielleicht sogar außerordentlich gut werden könnte. Dennoch gibt es ein quantitatives Problem: Die Ernte wird nicht besonders üppig ausfallen.

 

Helmut Doldes Weinberge stehen in Frickenhausen und im Neuffener Tal, unterhalb der Burg Hohenneuffen. Mit über 520 Höhenmetern zählen die Trauben des Weingutes zu den höchstgelegenen Deutschlands. In dieser Höhe litten die Trauben möglicherweise mehr unter dem Nachtfrost im April als jene im Neckartal. Dolde spricht von einem sehr hohen, einem 50-prozentigen Ausfall. „Die verbliebenen 50 Prozent haben wir uns hart erkämpft mit deutlich mehr Arbeit“, beschreibt Dolde den Aufwand in diesem Jahr. Als im Frühsommer dann auch noch viel Regen kam, drohten Infektionen durch Schadpilze. Hier half ihm ein Warnsystem, das durch die Künstliche Intelligenz gesteuert wird: Es zeigt Dolde an, wann es Zeit ist, mit Pflanzenschutzmitteln zu arbeiten.

Und nun sieht es so aus, als hätte sich die Mühe gelohnt. „Bis jetzt sehen die Trauben herrlich aus!“, schwärmt Dolde. Er spricht von „Bilderbuch-Trauben“. Es bleibt aber noch etwas Zeit bis zur Lese, insofern will Dolde den Tag nicht vor dem Abend loben. „Letztendlich wird die Qualität in der Schlussphase entschieden. Das Potenzial ist da für einen hervorragenden Wein.“ Es seien zwar weniger Trauben, aber das führe auch dazu, dass sich die ganze Kraft auf diesen kleineren Anteil aufteilt. Insgesamt seien die Beeren relativ groß, dadurch würden die Ausfälle teilweise kompensiert. „Sie hängen sehr dicht, drücken sogar schon etwas.“

Auch im Neckartal wird weniger geerntet

In Esslingen ist die Euphorie nicht ganz so groß, aber auch hier geht Jochen Clauß vom Teamwerk, der Esslinger Winzergenossenschaft, erneut von einem guten Jahrgang aus. Aufgrund der Klimaveränderungen – wärmere Temperaturen – könne man eigentlich kaum noch von schlechten Jahrgängen sprechen. Er bestätigt Dolde, dass auch im Neckartal mengenmäßig eine verhältnismäßig kleine Ernte sein wird. Und auch die Wengerter vom Teamwerk haben mit Pilzkrankheiten zu tun, insbesondere dem Echten und dem Falschen Mehltau. Das bedeutete für die Teamwerker: Es geht ihnen nicht anders als Dolde. „Wir mussten schon viel tun, damit die Beeren gesund bleiben. Es gab viel Laubarbeit.“ Laubarbeit bedeutet in diesem Fall, dass Blätter weg müssen, damit nicht zuviel Nässe bei den Trauben bleibt. So können sie schneller trocknen nach dem Regen. Laubarbeit bedeutet aber auch, dass das Pflanzenschutzmittel, wenn es schon mal nötig ist, die Früchte erreicht.

Neben dem Echten und dem Falschen Mehltau – Pilze, die auch Kleingärtner zu Genüge kennen – macht noch die Kirschessigfliege den Weingärtnern das Leben schwer. Sie ist etwas größer als die Fruchtfliege, sieht aber so ähnlich aus. Wenn sie ihre Eier in die Traube legt, beschädigt sie die Frucht, knackt die Haut. So können Essigsäurebakterien eindringen, die den Wein, wenn es bei der Ernte nicht bemerkt wird, im wahrsten Sinne des Wortes essigsauer werden lässt. Beim Echten Mehltau ist es etwas anders: Wenn befallene Trauben mitgeerntet werden, wird der Wein muffelig. Das alles wird den Weingärtnern aus Esslingen ebenso wenig passieren wie ihrem Kollegen aus Frickenhausen, denn sie sind erfahren. Aber sie bezahlen auch einen Preis dafür: Im Weinberg muss vieles per Hand gemacht werden.

Augen auf bei der Traubenernte

Beim Ernten heißt es dann aufgepasst: Trauben, die befallen oder beschädigt sind, bleiben hängen oder werden verworfen. „Es wird im wahrsten Sinne des Wortes eine Lese sein“, sagt Jochen Clauß. Wichtig aber im Moment: „Die Reife ist da.“ Die erste Ernte geht hier schon in rund zwei Wochen Anfang September los.

Es gibt übrigens einige Sorten, die Clauß überhaupt keine Sorgen machen und weniger gefährdet sind. Aktuell sind das die Sorten Müller-Thurgau, sämtliche Burgundersorten und auch der Lemberger „sieht gut aus“. Der Riesling macht sich ebenfalls gut. Er wird allerdings später geerntet. Eines besonderen Augenmerks und intensiver Pflege bedürfen dagegen der Trollinger sowie die Rebsorten Acolon und Dornfelder.

Nun kommt es also auf die nächsten Tage und Wochen an. „Bleibt es trocken, haben wir keine Probleme mehr“, lautet die Prognose von Clauß. Und Dolde meint: „Als Winzer ist man demütig. Wir machen alles, was in unserer Hand liegt. Aber der Erfolg ist abhängig vom Wetter.“

Weinlese vom Spätsommer bis in den Spätherbst

Federweißer
 In den Weinbergen südlich von Freiburg hat die diesjährige Lese bereits begonnen. Geerntet werden unter anderem die Trauben der frühen Rebsorte Solaris. Sie werden zum Federweißen verarbeitet, einem teilweise gegorenen Traubenmost.

Weiß- und Rotweine
 Für viele Weingärtner fängt die Ernte Anfang bis Mitte September an – so auch für die Wengerter in Esslingen. Ein Indikator für die Ernte ist der Fruchtzuckergehalt der Trauben, der gemessen wird, sobald die Früchte reif erscheinen.

Späte Sorten
Rebsorten wie Riesling werden relativ spät geerntet bin hinein in den November statt. Je später die Lese, umso höher die Reife und gehaltvoller die Weine. Allerdings muss hier eine mühselige Auslese betrieben werden, was sich im Preis niederschlägt.