Wein in der 0,75 Liter Flasche Ein Schritt entfernt vom großen Wurf beim Mehrwegsystem

25 Millionen gespülte Flaschen gehen in Möglingen jährlich vom Band – bald auch die 0,75-Liter-Flaschen. Foto: Werner Kuhnle

Mehrweg bei Wein? Lange kein Thema und immer noch kaum verbreitet. Jetzt steht eine Genossenschaft in Möglingen vor einem entscheidenden Punkt bei einem Mehrwegsystem für 0,75-Liter-Flaschen.

Ludwigsburg : Anna-Sophie Kächele (ask)

130 000 grüne und weiße Weinflaschen laufen im Möglinger Spülzentrum täglich vom Band. Das Etikett wird mit Lauge und Wasser abgelöst, der Deckel entfernt, die Flasche bei Bedarf mehrmals durchgespült – bis zu 50-mal hält die Flasche dieses Prozedere aus. Bereits seit 1998 spült die Weingärtner Servicegesellschaft (WSG) Ein-Liter-Flaschen. Künftig sollen auch die neuen 0,75-Liter-Flaschen, die im vergangenen Jahr von der eigens gegründeten Genossenschaft Wein-Mehrweg entwickelt wurden, durch die Anlage laufen. „Ich denke Mitte des Jahres, also in wenigen Wochen, ist es dann soweit“, sagt Werner Bender, Vorstand der Wein-Mehrweg eG.

 

Frank Färber mit der Mehrwegflasche und dem zugehörigen Kasten Foto: Werner Kuhnle

Die 0,75-Liter-Flaschen werden von den 13 Mitgliedern der Genossenschaft schon befüllt und bei sich und in inhabergeführten Getränkemärkten verkauft, sie sind online aber noch nicht erhältlich und werden bislang auch nicht im Spülzentrum gespült. „Die Flaschen kommen erst in den Webshop, wenn sie auch zurückgegeben werden können“, sagt Bender. Die Württembergische Weingärtner-Zentralgenossenschaft (WZG), eines der Gründungsmitglieder der Wein-Mehrweg eG, beliefert nur den Lebensmittelhandel. Der hat zwar Interesse an der 0,75-Liter-Mehrwegflasche, jedoch erst, wenn es auch die passende Kiste dazu gibt, damit die Anlagen bei der Flaschenabgabe direkt unterscheiden können. Dieser Bedingung kommt die Wein-Mehrweg eG jetzt nach und lässt demnächst die eigenen Sechserkisten produzieren.

Genussgewohnheiten verändern sich

Sobald die 0,75-Liter-Flaschen auch für den Handel befüllt und gespült werden, verspricht sich Frank Färber, Betriebsleiter der WSG, mehr Geschwindigkeit bei der Entwicklung des Mehrwegsystems. Der Erfolg sei eine Existenzfrage. Seit 1998 spült die WSG jährlich 25 Millionen Flaschen, heute sind es knapp die Hälfte wie zu Hochzeiten. „Der Trend der Literflasche geht zurück“, sagt Färber. Die klassischen Viertele-Trinker, die gerne Trollinger und Lemberger kaufen, gäbe es immer weniger, die jungen Menschen würden zu anderem Alkohol greifen oder Wein aus dem Ausland wählen. Zehn Prozent der Flaschen gehen beim Spülen zu Bruch oder werden aussortiert, weil es entweder keine Weinflaschen sind oder sich nicht um Mehrweg handelt.

Rund 12 bis 13 Cent kostet der Spülgang pro Flasche, der Neupreis liegt seit der Erhöhung der Energiepreise bei circa 35 Cent. Auch hier soll die Mehrwegflasche für mehr Sicherheit sorgen. „Neben den ökologischen Vorteilen verschafft die Mehrwegflasche den Teilnehmenden auch eine größere Unabhängigkeit“, sagt Bender.

Mehrwegsystem bisher erschwert durch verschiedene Formen und Größen

Bis zu 50 Prozent Emissionen des klimaschädlichen CO2 werden laut des Verbands ProMehrweg beim Spülen im Vergleich zur Neuproduktion eingespart. Und noch einen Vorteil für die Umwelt hat die neue Flasche: Statt den üblichen drei Cent Pfand bei Mehrweg-Weinflaschen sind es auf der 0,75-Liter-Flasche 25 Cent. „Dadurch ist der Rücklauf höher, bei drei Cent schmeißt man eine Flasche auch mal weg“, sagt Färber.

Werner Bender wurde in den vergangenen Jahren häufig darauf angesprochen, warum es kein Mehrwegsystem für 0,75-Liter-Weinflaschen gibt. „Ich konnte nie eine befriedigende Antwort liefern.“ Dem Thema wollte sich lang niemand annehmen. Der Grund: auf dem Markt gibt es viele unterschiedliche Größen, Formen, Verschlüsse – eine Vereinheitlichung gestaltet sich schwierig. „Mehrweg heißt in einem gewissen Maß Standardisierung und der Verzicht auf Individualität und Exklusivität.“ Die Abgrenzung von anderen Produkten sei aber über das Etikett möglich – solange sie nicht selbstklebend sind, die gehen in der Anlage nicht mehr ab.

Kunden anfangs skeptisch

Die Lembergerland Kellerei Rosswag in Vaihingen an der Enz ist eines der Gründungsmitglieder der Wein-Mehrweg eG und füllt derzeit drei verschiedene Weine in die 0,75-Liter-Mehrwegflasche ab. Die Resonanz sei anfangs zurückhaltend gewesen, gerade weil die Flaschen bislang nicht im Lebensmittelhandel zurückgegeben werden können, berichtet Markenbotschafter Bertram Haak. In der eigenen Vinothek verkaufe sich der Wein aber gut, weil die Stammkunden die Flaschen beim nächsten Einkauf wieder zurückbringen. Das Design gefalle manchen besser, anderen schlechter. „Wenn wir erklären, dass es mit der Robustheit der Flasche zu tun hat, haben die Kunden aber Verständnis“, sagt Haak. Alle Weinsorten künftig in Mehrwegflaschen abzufüllen, kommt für die Kellerei nur in Frage, wenn sich das System deutschlandweit durchsetzt.

Werner Bender ist sich sicher, dass die Nachfrage von Konsumenten und dem Handel größer wird und hofft auf weitere Mitglieder – nicht nur aus Württemberg. Er weiß aber auch: bis sich das System wirklich etabliert hat, kann noch einige Zeit vergehen.

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