Vor acht Jahren eröffnete die Kellerei Kern ihren Betrieb in Rommelshausen. Jetzt wurde er ausgezeichnet – für die Verknüpfung von Weinbau, Baukunst und Tourismus.

Kernen - Wenn Christoph Kern nach Hause fährt, vorbei an Firmenkomplexen im Industriegebiet Lange Äcker in Rommelshausen, freut er sich über den Blick, den er am Ende der Willy-Rüsch-Straße hat: Den auf die Kellerei seiner Familie, die sich mit ihrem mediterranen Ambiente deutlich von der Nachbarschaft absetzt.

 

Vor acht Jahren wurde das Areal eröffnet

Kern, 2018 als Jungwinzer des Jahres ausgezeichnet, wohnt wie seine Eltern im Kellereigebäude und schätzt auch die Aussicht, die er von seiner Dachterrasse hat. Dort eröffnet sich ein Panorama von der Stettener Yburg bis zum Fellbacher Kappelberg.

Für Beratung und Proben gibt es die Vinothek – die auch Raum für Ausstellungen ist. Foto: Patricia Sigerist

So lässt es sich leben und arbeiten am Rande des Industriegebiets – was nicht nur den Kerns gefällt: Der Betrieb bekam jetzt das Siegel „Wein und Architektur“ verliehen, das von Tourismus Marketing Baden-Württemberg und der Architektenkammer des Landes erstmals vergeben wurde – für gelungene Verknüpfung von Weinbau, Baukunst und Tourismus. Bemerkenswert an der Auszeichnung der Kellerei mit Gutshof ist, dass es quasi um einen Altbau geht. Vor acht Jahren wurde das Areal eröffnet – und gleich 2013 vom Deutschen Weininstitut als gestalterisch vorbildlich gelobt, als ein „Höhepunkt der Weinkultur“. Die neuerliche Ehrung spreche dafür, dass „wir zeitlos modern sind“, meint Christoph Kern.

Busse voller Touristen machen bis dato noch keinen Stopp im Industriegebiet

Für den Preis hatten sich die Kerns voriges Jahr beworben und umfangreiche Unterlagen eingereicht. Die Recherche der Jurymitglieder vor Ort muss eine dezente gewesen sein. „Wir haben davon nichts mitbekommen.“ Neben Architektonik, Baumaterialien und der Weinpräsentation flossen Kriterien wie Veranstaltungen, Öffnungszeiten und Erreichbarkeit mit ein. Da kommt der Kellerei die Nähe zu Bahnhof und Bushaltestelle zugute, für Kunden mit Auto stehen eigene Parkplätze zur Verfügung.

Busse voller Touristen machen bis dato noch keinen Stopp im Industriegebiet. „Zum Glück“, sagt Christoph Kern. Denn seine Familie gebe zwar gerne Einblicke, wolle Führungen aber persönlich gestalten. Gleichwohl kommen Interessierte, die Stuttgarter Touristeninformation empfehle den Abstecher nach Kernen, auch Architektengruppen waren da. „Aber die meisten kommen noch wegen der Weine“, sagt der 32-Jährige, der im Ort für die UFW im Gemeinderat sitzt. „Dass sie zum Beispiel im Innenhof gemütlich einen Wein trinken können, das steht für die Besucher im Vordergrund.“

Zeitlos, nachhaltig und moderne Weinkultur, das wurden die definierten Eckpunkte

Seine Familie habe etwas Besonderes schaffen wollen, sagt Christoph Kern über den einstigen Umzug von Fellbach-Schmiden nach Rommelshausen. Privilegiert Bauen, was etwa Winzern oder Landwirten zusteht, durften die Kerns mit ihrer GmbH nicht. „Wir wollten aber keine funktionale Halle und den Eindruck vom Industriegebiet abmildern“, sagt Kern. Zeitlos, nachhaltig und moderne Weinkultur, das wurden die definierten Eckpunkte.

Foto: Patricia Sigerist

Inspiriert von Gebäuden in Südtirol und im Schwarzwald wurde Lärchenholz für die Verkleidung ausgesucht. Das anfangs helle Braun bekommt langsam eine silbergraue Patina. „Das Holz verändert sich, wie wir“, sagt Kern. Auch bei der Bepflanzung bekommt die Natur viel Spielraum. Reben erobern die Pergola im Hof, es wächst Hibiskus, heimische Bepflanzungen wie die Zierkirsche bringen Farbe, alte Palmen in der warmen Jahreszeit südliches Flair. Dann summt und surrt es an allen Ecken, viele Insekten fühlen sich wohl. Und seit dem vorigen Jahr sitzen zwei Torwächter auf den Natursteinmauern der Einfahrt: Die Skulpturen von Menschenaffen hat der Weinstädter Künstler Karl Ulrich Nuss geschaffen.

Für Verkostungen in Rommelshausen bietet sich der große Showroom an

Auch wenn vieles wie Urlaub anmutet, für die Kerns steht die Arbeit im Vordergrund. Rund 1,3 Millionen Liter Wein werden im Jahr gekeltert, abgefüllt, gelagert und vermarktet. „Die Abläufe in der Produktion sind super gut“, zieht Kern Bilanz. Die Abnehmer seien überwiegend in einem Radius von 100 Kilometern zu finden. Kern-Weine werden aber auch in Berlin angeboten, Glühweine im Winter gibt’s sogar in Garmisch-Partenkirchen.

Für Verkostungen in Rommelshausen bietet sich der große Showroom an. „Wir wollen den Wein erlebbar machen“, sagt Christoph Kern. Erinnerten einst Verkaufsräume von Kellereien mit Regalen und Einkaufswagen an Getränkeabholmärkte, geht es nun hell, modern und offen zu. Alte Möbel wie ein Schreibtisch und eine Sitzgruppe, gepflegte Erbstücke, bringen Wärme in den puristisch gestalteten Raum, der zudem als Galerie genutzt wird. Die Vinothek geht über in einen abtrennbaren Seminarraum. „Der Bereich könnte etwas größer sein“, schaut Kern auf die Erfahrungen der letzten Jahre zurück. Doch große, private Feiern sollten hier eh nie stattfinden. „Anfragen hätten wir aber genug.“

Der Bekanntheitsgrad der Kellerei Kern dürfte mit dem Siegel „Wein und Architektur“ zunehmen. Denn die „weintouristischen Anlaufpunkte“, wie es die Preisverleiher formulieren, werden vielfältig beworben. Womöglich muss sich die Familie Kern doch noch auf volle Ausflugsbusse einstellen.