In den Weinbergen entlang des Neckars und am Albtrauf hat ein Wettlauf gegen die Kirschessigfliege begonnen. In den Steillagen Esslingens hat die Lese so früh begonnen, wie seit dem Jahr 1976 nicht mehr.

Esslingen - Die Regenwolken drohend über sich und die Kirchessigfliege im Rücken haben die Wengerter im Landkreis Esslingen schon früh mit der Lese begonnen. „Wir fangen sonst immer um unser Weinfest-Wochende Mitte September herum an. Jetzt haben wir die frühen Sorten alle schon reingeholt. Das war meines Wissens zuletzt im Jahr 1976 so“, sagt Albrecht Sohn, der Vorstandsvorsitzende der Esslinger Weingärtner.

 

Trotzdem alles richtig gemacht, sagt der Wengerter-Chef rückblickend. Als die Lesetrupps draußen in der Steillage waren, hat sich die Sommersonne noch in den Trauben von Acolon, Müller-Thurgau und Dornfelder gespiegelt. Und doch beziffert Sohn den Ernteausfall beim Trollinger, dem Esslinger Nationalwein, auf rund 30 Prozent. Die erstmals in Scharen im Land auftretende Kirschessigfliege hat mit ihrer Vorliebe für rote Trauben auch von den Esslinger Steillagen ihren Tribut gefordert. Erschwerend kommt hinzu, dass nach den ergiebigen Regenfällen der vergangenen Tage die noch gesunden Trauben mit Wasser vollgepumpt sind. „Jetzt kommt alles auf eine schnelle Lese an“, sagt Sohn, der gemeinsam mit seinen Genossenschaftskollegen 74 Hektar Rebfläche bewirtschaftet.

Mit der Gelassenheit ist es vorbei

Auch an den Weinbergen am Fuß der Schwäbischen Alb ist es mit der Gelassenheit vorbei. „Eigentlich wollten wir in Ruhe zusehen, wie wieder ein Spitzenwein heranreift“, sagt Helmut Dolde, der auf seinem kleinen Weingut im Frickenhausener Teilort Linsenhofen von der Fachpresse hoch gelobte Bergweine ausbaut. Jetzt muss Dolde seine Lesemannschaft kurzfristig zusammentrommeln. Am Donnerstag, 25. September, geht es von Linsenhofen aus in die Weinberge.

„Wie die Qualität wird, lässt sich schwer abschätzen, Sicher ist, dass der Wein uns in diesem Jahr vor eine große Herausforderung stellt“, sagt Dolde. Wenn sich schon der Weinjahrgang 2014 mit der Reife schwer tue, dann sei wenigstens er als Wengerter am Wein gereift. „Man lernt wieder, demütig zu werden“, sagt Dolde. Nachdem seine Zunft in den vergangenen Jahren in jeder Beziehung verwöhnt worden sei, zeige die Natur dem Menschen in diesem Jahr wieder die Grenzen auf.

Die Kirschessigfliege zwingt die Lesehelfer den Worten Doldes zufolge zu noch gewissenhafterer Arbeit. Die schon reifen Trauben kommen in den Korb, die befallenen werden aussortiert und die, die noch mehr Sonne vertragen können, bleiben hängen. „Um die bestmögliche Qualität zu lesen, werden wir in diesem Jahr drei Durchgänge pro Weinberg machen“, sagt Dolde, der dabei auf eine hochmotivierte Schar an Freiwilligen zurückgreifen kann.

Zum Prädikat reicht es wohl nicht

Die Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck hat ihre Mitglieder schon jetzt zur Rebschere gerufen. „Wir lesen gerade mit rund 200 Leuten den Dornfelder“, sagt Jürgen Buck, der Vorstandschef der Neuffener Genossenschaft. Die bisher gemessenen Öchlesgrade lassen kaum Prädikats-, dafür aber gute Qualitätsweine erwarten. Auch in den rund 450 Meter hohen Weinbergen am Fuß des Hohenneuffen hat die Kirschessigfliege gewildert. Buck beziffert den durch Schädlingsbefall hervorgerufenen Ausfall auf durchschnittlich rund 20 Prozent – beim Dornfelder weniger, beim Müller-Thurgau, der am Dienstag gelesen werden soll, mehr.

Die Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck bewirtschaftet Flächen am Fuß der Schwäbischen Alb in Beuren, Balzholz, Frickenhausen, Linsenhofen, Neuffen, Kappishäusern, Kohlberg und Weilheim. Während zur Genossenschaftsgründung im Jahr 1948 der Riesling, der klassische Täleswein, mit einer Anbaufläche von 90 Prozent nahezu konkurrenzlos war, werden inzwischen auf den 27 Hektar Rebfläche je zur Hälfte rote und weiße Traubensorten kultiviert.