Bis zu 3000 Kilo Früchte auf einen Schlag haben Traubendiebe an den Hängen von Stuttgart gestohlen. Die Weinbergbesitzer vermissen den Feldschutz, denn Diebstähle sind nicht das einzige Problem.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Traubendiebe haben in den zurückliegenden Jahren den Wengertern das Leben schwer gemacht: Bis zu 3000 Kilo Früchte stahlen sie auf einen Schlag an den Hängen von Stuttgart. Wegen dieser Taten, aber auch wegen vermeintlicher Kavaliersdelikte, wenn Spaziergänger eine ganze Plastiktüte voll Trauben oder Weinblätter mitnehmen, dringen CDU und FDP im Gemeinderat auf einen besseren Schutz der Weinberge. Mit einer Anfrage an die Verwaltung wollen die Stadträte nun erfahren, wie es um den Feldschutz bestellt ist, respektive was die Stadt zum Schutz der bald anstehenden Ernte tun kann.

 

Im Ordnungsamt räumt Hans-Jörg Longin, der Leiter des städtischen Vollzugsdiensts, unumwunden ein, dass für den Schutz der Weinberge so gut wie kein Personal zur Verfügung stehe. Bis in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts sei das anders gewesen. Da habe der Feldschutz rund 70 Mitarbeiter gehabt, die sich um die Ordnung und Sicherheit auf Feldern und in Wäldern kümmern konnten. „Mit der Haushaltskonsolidierung Mitte der 90er Jahre änderte sich das“, erläutert Longin. Der Feldschutz wurde in den Vollzugsdienst integriert, insgesamt stehen nur noch 57 Mitarbeiter zur Verfügung.

Wenn die Trauben reif sind, fehlt es an Personal

„Und die haben immer mehr Aufgaben bekommen“, sagt Hans-Jörg Longin. Das Spektrum reiche von der Zwangsstilllegung stehengelassener Autos bis zu Tierschutzaufgaben, die der Vollzugsdienst zuletzt von der Polizei übertragen bekommen habe. Zurzeit sei das Personal auch im Rahmen der immer Winter gestarteten Sicherheitskonzeption Stuttgart (SKS) rund um den Hauptbahnhof gefordert. „Es ist logisch, dass unter der wachsenden Anzahl von Aufgaben der Feldschutz gelitten hat“, sagt der Leiter des Vollzugsdienstes.

Daran könne man in der nun anstehenden Erntezeit der Wengerter wenig ändern. Denn genau dann, wenn die Trauben reif seien, kämen noch mehr Aufgaben auf den Vollzugsdienst zu: „Dann ist Volksfest in Bad Cannstatt und meine Leute sind unter anderem damit beschäftigt, das Wohngebiet Veielbrunnen abzusperren und die Absperrung zu überwachen, weil dort immer wieder Festbesucher parken wollen“, sagt er. Zwei oder drei Bezirkssachbearbeiter könne er zum Schutz der Weinberge eventuell einsetzen. Ganz lasse man diese nach Möglichkeit nicht aus dem Blick, so habe der Vollzugsdienst im vergangenen Jahr Diebe erwischt, die im großen Stil Blätter von den Weinstöcken abmachen und entwenden wollten. „Wenn wir mehr tun sollen, muss der Gemeinderat Stellen schaffen“, macht Hans-Jörg Longin deutlich.

Wengerter vermissen Feldschutz

Aus Sicht der Weinbergbesitzer ist das zwingend notwendig: „Ich habe den Eindruck, dass es gar keinen Feldschutz mehr gibt“, sagt der Winzer Hans-Peter Wöhrwag aus Untertürkheim. „Die Weinberge werden langsam immer mehr zum rechtsfreien Raum. Da laufen Drogengeschäfte, außerdem haben wir Probleme mit Vandalismus und Müll“, schildert er. Die Leute, die zwischen den Weinbergen ihre Gärten hätten, würden diese oft schon am späten Nachmittag verlassen. „Sie haben Angst und wollen dort nicht bis abends bleiben“, sagt Wöhrwag. Nicht mal mehr als Grundstückseigentümer traue er sich einzugreifen, wenn er jemanden beim Randalieren erwische: „Wenn man eine Gruppe wegschicken will, drohen die mit Schlägen“, berichtet er. Auf unkonventionelle Art habe er etwas Abhilfe schaffen können. Ein Rentner, der immer früh am Morgen Holz hacke, habe bei seinem Haus Probleme mit den Nachbarn bekommen. Dieser Anwohner dürfe nun, wenn er um halb fünf nicht mehr schlafen könne, auf dem Betriebsgelände der Wöhrwags arbeiten und dort sein Holz hacken. „Er ist früh am Morgen und spätabends da, das bringt ein bisschen was.“ Eine Lösung sei das aber nicht.

Diebe schreckt man so nicht ab. Wie Wöhrwag aus schmerzhafter Erfahrung weiß. Im Gewann Im Tal in der Lage Herzogenberg hatten Diebe 2014 aus einem von Wöhrwags Wengert mindestens eine Tonne beste Rieslingtrauben fachmännisch von den Reben geschnitten und abtransportiert.Der Schaden: Mindestens 50 000 Euro.