Schlag für Wengerter: Schon vor den Eisheiligen hat starker Frost ganze Rebhänge vernichtet.

Stuttgart - Nach der ohnehin nur spärlichen Ernte im Herbst 2010 droht den Wengertern in Württemberg nun der nächste Schlag: Schon vor den Eisheiligen hat starker Frost ganze Rebhänge vernichtet, in den Weinbergen muss teilweise mit einem Komplettausfall gerechnet werden.

 

Lemberger und Dornfelder werden in diesem Jahr zur Mangelware, beim Riesling droht vielerorts ein Totalverlust - der Kälteeinbruch in den ersten Mainächten hat den Weinbau in Württemberg ins Mark getroffen. Nächtliche Minustemperaturen haben den Reblagen vom Remstal bis in den Stromberg erhebliche Frostschäden beschert, vor allem im Taubertal und im Heilbronner Unterland wurden die frisch ausgetriebenen Knospen buchstäblich schockgefrostet. "So verheerende Frostschäden gab es zuletzt vor exakt zwei Jahrzehnten", sagt Dieter Weidmann, Vorstandschef der Wengerter-Zentralgenossenschaft (WZG) in Möglingen.

Nach einer ersten Schadenbilanz des Weinbauverbands ist bereits vor den für einen plötzlichen Kälteeinbruch bekannten Eisheiligen fast ein Drittel der Rebfläche in Württemberg von Frostschäden betroffen. Teilweise müsse mit einem Komplettausfall gerechnet werden, sagt Hermann Hohl, der Präsident des Weinbauverbands. Er sieht etliche Betriebe "ernsthaft in ihrer Existenz gefährdet" - weil Genossenschaften ebenso wie private Weingüter schon unter dem mengenmäßig schwachen Jahrgang 2010 zu leiden haben, sind die Edelstahltanks und Flaschenkeller vor allem beim Weißwein schon jetzt weitgehend leer. Weitere Frostnächte könnten die angespannte Situation verschärfen: "Nur wenn die Vegetation jetzt optimal verläuft, können nicht vom Frost betroffene Weinberge noch gute Erträge liefern", betont Hohl.

Allerdings sind die Schäden regional höchst unterschiedlich verteilt. Während der Frost am Heuchelberg fast 60 Hektar Riesling gemeuchelt hat, schätzt Eberhard Lang, Kellermeister der Bottwartalkellerei, die Schäden nur auf 15 bis 20 Prozent. Betroffen sind vor allem Tallagen, in denen sich die nächtliche Kälte gestaut hat. "Wir müssen einfach abwarten, ob sich die Reben von diesem Schock noch erholen", sagt er.

"Die Reben sind komplett erfroren"

Auch WZG-Chef Dieter Weidmann will die Flinte noch nicht in den Trester werfen: "Noch haben wir keinen exakten Überblick, welche Ernteeinbußen bei bestimmten Rebsorten zu erwarten sind", betont er. Weinkönigin Karolin Harsch aus Güglingen im Kreis Heilbronn will die Hoffnung auf einen guten Jahrgang ebenfalls noch nicht aufgeben: "Im Moment sind alle geschockt, das ist klar. Aber erst nach der Blüte im Juni lässt sich mehr sagen." Sie hofft auf eine Erholung der Reben und nachträgliche Triebe.

Die Wengerter von Deutschlands umsatzstärkster Einzel-Genossenschaft Lauffen am Neckar leiden unter den Folgen des Kälteeinbruchs: "Die Schäden betragen bei uns zwischen 25 und 30 Prozent, in einzelnen Lagen sogar über 70 Prozent", sagt der Vorstandschef Ulrich Maile. Einzelsorten wie Dornfelder oder Acolon habe es schwer getroffen, die Renommiersorte Schwarzriesling habe die Minusgrade gut überstanden.

Bernd Munk schaut mit düsterer Miene auf die Reben, hier ist gar nichts mehr zu machen. Vor allem nichts zu ernten, der Dornfelder ist komplett erfroren "Das ist zwar eine Frostlage, aber seit 20 Jahren gab's halt keinen solchen Frost mehr", sagt der Vorstandschef der Weinmanufaktur Untertürkheim. Die Weinberge in der Stadt sind zwar nicht ganz so stark betroffen wie im Unterland, aber mit Ausfällen ist auch hier zu rechnen. "Ganz eindeutig lässt sich das noch nicht sagen, aber wir rechnen mit fünf bis zehn Prozent Ausfall", meint Jürgen Off, Kellermeister in Untertürkheim.

Kollege Martin Kurrle vom Collegium Wirtemberg stöhnt ebenfalls beim Blick aus dem Fenster der Rotenberger Kelter. "Direkt die Württembergstraße runter sind die Reben komplett erfroren", sagt er. Nach dem schwachen vergangenen Jahr sei dieser Rückschlag "ganz schlecht". Vor allem der Zeitpunkt überraschte die Wengerter. "Das Jahr fängt ja richtig toll an, mit so einem Frost haben wir wirklich nicht mehr gerechnet", sagt Felix Ellwanger vom Weingut Jürgen Ellwanger aus Winterbach. Sie hätten deshalb die sogenannten Frostruten bereits abgeschnitten. Damit meint man den zweiten Trieb an der Rebe, der zur Sicherheit wegen genau solcher Nachtfröste in der Regel erst später abgeschnitten wird. Im hinteren Teil des Remstals sei mit Einbußen von ungefähr 20 Prozent zu rechnen. Jetzt hoffe er eben auf die Gnade der Natur im restlichen Jahr: "Unsere Werkstatt ist eben im Freien. Aber vielleicht bleiben wir dann ja wenigstens vom Hagel verschont."