Beim Weinbrunnenfest schenken emsige Helfer aus, darunter auch Weine aus Riquewihr und Bra.

Weil der Stadt - Die mächtige Kanone steht schon auf der Wiese vor dem Königstor – und Feldwebel Wolfgang Buhl, Pulverwart und Gründungsmitglied der historischen Bürgergarde, hat alles im Griff. Die Kartuschen mit dem Schwarzpulver hält er bereit, natürlich unter Einhaltung sämtlicher Sicherheitsvorschriften. Nicht umsonst hat er einen „Böllerschein“ und ein „Dienstbuch“ mit zahlreichen amtlichen Stempeln.

 

Die Bürgergarde in historischen Uniformen aus der Vormärzzeit – dunkelblau und rot, an die napoleonischen angelehnt – zieht auf, begleitet von den historischen Landjägern, der Ehrengarde der Kantonspolizei Zürich. Die Karabiner sind geschultert, und an der Farbe des Federbuschs auf dem Zweispitz erkennt man den Kommandanten (weiß), die Schützen (schwarz) und die Musik (rot). Daneben die Damen in Kostümen der Biedermeierzeit mit wippendem Reifrock, Hut und Schirmchen.

„Präsentiert das Gewehr! Habt acht! Gewehr auf!“

Der Tambourmajor greift zur Rolliertrommel: Trommelwirbel, und dann kommt vom hochgewachsenen Major Hartmut Sigel, geschmückt mit goldener Fangschnur und Epauletten, das Kommando: „Präsentiert das Gewehr! Habt acht! Gewehr auf!“

Die Kanone abfeuern darf zuerst ein Vertreter der Schweizer Ehrengarde, dann der stellvertretende Bürgermeister Martin Buhl und schließlich der Pulverwart selbst. Auf Kommando „Feuer!“ ist so ein heftiger Knall zu hören, dass sich das neugierige Publikum die Ohren zuhält.

1824 ist in Weil der Stadt tatsächlich eine Bürgergarde mit 40 Mitgliedern gegründet worden, um die Stadt gegen Überfälle zu schützen, bis sie 1849 – übrigens von den Leonbergern – entwaffnet worden ist, damit in der Revolutionszeit nichts „in die falsche Richtung“ läuft, wie Major Hartmut Sigel erzählt.

Und dann marschiert die stolze Bürgergarde durch das Königstor zum Marktplatz, wo schon ein reges Treiben herrscht. Wo noch vor einer Woche Strandleben mit Sand angesagt war, ist jetzt das Pflaster wieder blitzblank, und im mit Trauben geschmückten Kaiser-Karl-Brunnen, wo vor kurzem noch Kinder geplanscht haben, stehen jetzt emsige Helfer und schenken Wein aus, darunter auch Weine aus den Partnerstädten Riquewihr und Bra.

Urlaubserlebnisse werden ausgetauscht

Mit Böllerschüssen der Bürgergarde wird das 47. Weinbrunnenfest bei bestem Wetter eröffnet – Petrus ist wohl auch Weinliebhaber. Die Stadtkapelle Musikverein Weil der Stadt unter der Leitung von Markus Eichler bringt mit Marschmusik, Polka, Rock’n’Roll und James-Last-Hits fröhliche Stimmung auf den gut besuchten Marktplatz, und auch Johannes Kepler, der die Drähte der Fähnchen in seinen Händen hält, blickt vom Podest zufrieden auf seine Weiler Bürger.

Katrin Fischer, die Vorsitzende des Heimatvereins, hebt hervor, dass das Weinbrunnenfest am ersten Septemberwochenende die Bürger nach dem Urlaub wieder zusammenbringe. Urlaubserlebnisse werden ausgetauscht, und auch die Tombola der Kinder- und Jugendstiftung findet regen Zuspruch. Da ehrenamtliche Helfer aber – wie bei anderen Vereinen auch – knapp geworden seien, habe man durch die Kooperation mit der Bürgergarde das Fest gemeinsam besser stemmen können.

„Es ist einfach Leben in der Stadt“, freut sich Besucherin Ruth Widmaier und will auch mal „dem Bauhof ausdrücklich ein Lob aussprechen“, das den Strand so schnell abgebaut und das Fest hergerichtet habe. Nach der Stadtkapelle spielen gestandene Pädagogen der Lehrerband Althengstett – sonst mit Physik, Chemie, Deutsch oder Mathe unterwegs – mitreißende Musik von Eric Clapton und Joe Cocker, später spielt der Fanfarenzug auf.

Für die Kinder bieten Hans Peter Selz und Karin Frey eine kleine nächtliche Stadtführung: An der Stadtkirche zeigen sie eine metallene Elle, die als Maß verwendet worden ist. Auch Steinmetzzeichen und die Form von Dachziegeln sind am Mauerwerk versteckt. Auf dem Storchenturm – übrigens dem Treffpunkt der Bürgergarde – haben früher Störche genistet, und nach der Sanierung soll wieder ein großes Nest die Störche zum Brüten anlocken.

Schließlich kommt die interessiert lauschende Kindergruppe zum Roten Turm, wo der Kerker, Schandmasken und Folterinstrumente kindgerecht erklärt werden. Ein kleines Mädchen fürchtet sich dann doch „ein bisschen“, und ein Junge streichelt lieber eine Katze, die auf der Stadtmauer balanciert.