Ein Prädikatswein für spezielle Gelegenheiten: Nach acht Jahren Pause produzieren die Weingärtner in Esslingen in diesem Jahr wieder eine Beerenauslese.

Esslingen - Weinlese kommt von Auslese. Das kann sogar so weit gehen, dass von der Traube nur einzelne Beeren ausgewählt werden. Dann spricht man von einer Beerenauslese – und das Endergebnis ist ein ganz besonderer Prädikatswein für spezielle Gelegenheiten. In diesem Jahr haben sich die Esslingen Weingärtner erstmals nach acht Jahren wieder an diese Rarität gewagt. Das Grundprodukt der Esslinger Beerenauslese 2020 sind einreduzierte Spätburgunderbeeren, die voll- oder überreif von Hand gelesen wurden.

 

„Es eignet sich nicht jedes Jahr dafür so etwas Besonderes zu machen“, erklärt Achim Jahn, der Vorstandsvorsitzende der Esslinger Weingärnter. Dieses Jahr brachte besonders gesunde Trauben hervor. Das war vor allen Dingen der eher trockenen Witterung geschuldet. „Es hat nicht soviel geregnet – das war gut für die Weinstöcke“, bestätigt Jahn. So fiel der Entschluss nach Abschluss der regulären Weinlese Anfang Oktober einen ganzen Weinberg mit insgesamt 25 Ar stehen zu lassen und sich an eine Beerenauslese zu wagen. Ursprünglich waren die Trauben für einen Pinot Noir aus dem Holzfass geplant. „Dafür hatten wir insgesamt drei Weinberge vorgesehen – jetzt sind es eben nur zwei geworden“, sagt der Wengerter. Zum Schutz der Beeren wurden die Stöcke bis zur Lese mit Netzen geschützt: „Sonst wäre das ein gefundenes Fressen für die Vögel gewesen.“

Optimale Wetterbedingungen

Ein wichtiger Aspekt für eine gute Beerenauslese ist das Wetter kurz vor der Ernte, was die Anbau und letztlich die Markteinführung allerdings auch ziemlich unkalkulierbar macht. „Wir haben lange gebangt, ob das Wetter wirklich mitmacht“, erzählt Jahn. Denn ideale Bedingungen für die Herstellung von Beerenauslesen liefert nur feuchtwarmes Herbstwetter mit Tau und Feuchtigkeit am Morgen, und warmem Sonnenschein am Nachmittag. Hätte es anhaltenden Frost gegeben, hätten die Esslinger umdisponiert und einen Eiswein gemacht. Doch dieses Jahr hat alles gepasst.

Um die Beeren nach deutschem Weinrecht als Beerenauslese einstufen zu dürfen, müssen diese ein Mostgewicht von mindestens 125 Grad Oechsle besitzen. „Das ist ganz wichtig, viele Weinkenner kaufen ganz gezielt eine Beerenauslese“, erklärt der Weingärtner. Bei der letzten Probe kamen die Beeren auf 130 Grad Oechsle: „Das ist eine ganz hervorragende Qualität.“

Weinspezialität mit vielschichtiger Aromatik

Aufgrund des hohen Arbeitsaufwands sind Beerenauslesen zwar nicht die billigsten Weine. Doch sie bestechen in ihrer hohen Qualität und durch ihre vielschichtige Aromatik. Das Endprodukt ist eine Weinspezialität mit gold- bis honiggelber Farbe und intensivem Aroma. Die Farbe der Beerenauslese wird gerne mit der eines Bernsteins verglichen. Im Geschmack besitzt die Beerenauslese eine exzellente Würze. Der Alkoholgehalt von Beerenauslesen ist aufgrund der natürlichen Restsüße deutlich niedriger und liegt bei ungefähr 10 Prozent. „Aber eine Beerenauslese ist ja eher ein Dessertwein, da braucht es nicht soviel Alkohol“, erklärt Wengerter-Vorstand Achim Jahn. Die Esslinger Beerenauslese 2020 soll ab Mitte 2021 in Flaschen abgefüllt werden. Beerenauslesen können lange gelagert werden und erst nach Jahren getrunken werden, da die edelsüßen Weine in der Flasche noch einmal nachreifen.

Auch für die Esslinger Weingärtner war 2020 wegen der Pandemie ein außergewöhnliches Jahr. „Wir mussten viele tolle Veranstaltungen wie unseren Weinwandertag absagen“, bedauert Jahn. Der Umsatzeinbruch hält sich mit 10 bis 15 Prozent weniger verkauftem Wein aber in Grenzen. „Die Privatkundschaft hat trotzdem gut gekauft, es lief auch viel mehr übers Onlinegeschäft.“ Letzteres wollen die Esslinger künftig noch weiter ausbauen. Mit dem gesamten Jahrgang 2020 sind die Esslinger sehr zufrieden. „Wir hatten zwar eine etwas kleinere Ernte, aber die Trauben waren alle außergewöhnlich gesund. Das was wir bisher in unserem Keller getestet haben, lässt sich alles sehr gut an“, freut sich der Weingärtner auf künftige Genüsse.