Weinhandel Irische Etiketten schocken Italiens Winzer

Italienische Winzer sehen ihren Wein durch Schock-Etiketten verunglimpft. Foto: dpa/epa ansa Tonino Di Marco

Warnhinweise vor Alkoholkonsum auf Weinflaschen, die das irischen Parlament eingeführt hat, bringen die italienische Rechtsregierung Giorgia Melonis in Rage.

Die von Irland eingeführten Warnhinweise für alkoholischen Getränke werden in Italien als Kriminalisierung eines nationalen Kulturguts empfunden. Die Rechtsregierung von Giorgia Meloni will in Brüssel gegen die Entscheidung des irischen Parlaments protestieren – und hat schon ein paar Verbündete gefunden.

 

Diese irischen Banausen! Wer wird denn einen piemontesischen Barolo mit seinen edlen Veilchennoten verschmähen? Oder einen Brunello di Montalcino, sortenrein gekeltert aus den strengen, männlichen Sangiovese-Trauben der Toskana? Die Biertrinker von der grünen Insel wissen ja nicht einmal, woher der Name Sangiovese kommt: Von Sangue (Blut) und Giove (Jupiter) nämlich, also vom Blut des römischen Göttervaters. Von einem Sassicaia 2016 der Tenuta San Guido gar nicht zu reden. 100 Punkte hat der „Super Tuscan“ in der Bibel des amerikanischen Weinpapstes Robert Parker erhalten. Das Maximum!

Der „Schwager der Nation“ fürchtet eine „Verzerrung des Marktes“

In Italien ist der Wein nicht einfach ein Getränk, sondern ein nationales Kulturgut. Und so hat der Entscheid des irischen Parlaments, auf Alkoholprodukten Warnhinweise nach dem Vorbild von Zigarettenschachteln einzuführen, die vor den Leber- und Krebsrisiken von Wein, Bier und Spirituosen warnen, unter den italienischen Weinproduzenten und in der Regierung einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Francesco Lollobrigida, Italiens Landwirtschaftsminister und „Schwager der Nation“ - der Minister ist mit Giorgia Melonis Schwester verheiratet – erklärte, dass die irischen Schock-Etiketten zu einer „Verzerrung des Marktes“ führen könnten, was gegen EU-Recht verstoße. Er will zusammen mit Außenminister Antonio Tajani in Brüssel Protest gegen das irische Gesetz einlegen und die Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens fordern.

Etiketten würden unbegründete Ängste auslösen

Die italienischen Weinbauern schlagen ebenfalls Alarm: „Die Verpflichtung der EU, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, kann nicht mit Entscheidungen umgesetzt werden, die die Gefahr bergen, dass einzelne Produkte unabhängig von den konsumierten Mengen auf ungerechte Weise kriminalisiert werden“, betont der Präsident des italienischen Bauernverbands Coldiretti, Ettore Prandini. Will heißen: Wenn sich die Iren in ihren Pubs notorisch zu viel Guiness-Bier hinter die Binde gießen, dann ist das ihr Problem und heißt noch lange nicht, dass man vor einem Glas italienischen Weines warnen muss. Die irischen Schock-Etiketten würden bei den Konsumenten nur unbegründete Angst auslösen. Dabei seien doch ein oder zwei Gläser Wein am Tag gesund, oder etwa nicht?

Italien konsumiert deutliche weniger Alkohol als andere europäischen Länder

Fest steht jedenfalls, dass die Italiener deutlich weniger tief ins Glas blicken als die Iren oder auch die Deutschen, Österreicher und Schweizer: In Italien liegt der durchschnittliche Konsum reinen Alkohols bei acht Litern pro Jahr, bei den anderen genannten Ländern bei etwa elf bis 13 Litern. Aber beim italienischen Protest geht es natürlich nicht um hehre Prinzipien wie Mäßigung und Eigenverantwortung, sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen. Italien ist mit Ausfuhren im Wert von 7,9 Milliarden Euro (2022) weltweit der zweitgrößte Wein-Exporteur hinter Frankreich mit 12,3 Milliarden. Rein mengenmäßig ist Italien sogar das wichtigste Exportland der Welt.

Das Wohl und Wehe des italienischen Weinbaus hängt nicht von Irland ab

Nun könnte man einwenden, dass Irland in der italienischen Export-Statistik keine wirklich entscheidende Rolle spielt: Gerade einmal für 45 Millionen Euro haben die Iren im vergangenen Jahr italienischen Wein importiert. Das entspricht 0,57 Prozent des gesamten italienischen Weinexports. Das Wohl und Wehe der italienischen Weinbauern hängt also kaum von Irland ab. Aber – und das ist die große Befürchtung der Produzenten – das irische Beispiel könnte ja Schule machen. Etwa in den puritanischen USA, wo es heute kaum noch möglich ist, irgendwo in Frieden eine Zigarette zu rauchen. Sollten die Amerikaner wegen Warnhinweisen beim Alkohol plötzlich ähnlich abstinent werden wie beim Nikotin, dann täte das Italiens Weinbranche richtig weh: Die USA sind die größten Abnehmer von Barolo, Brunello und all den anderen tollen Tropfen aus dem Belpaese.

Eine Ausweitung der Etikettenkampagne wird befürchtet

Bedenken, dass die Warnhinweise nur der Anfang einer größeren, vielleicht weltumfassenden Diskriminierungs- und Kriminalisierungskampagne gegenüber dem Wein sein könnten, gibt es nicht nur in Italien. Auch Frankreich und Spanien haben gegenüber dem irischen Gesetz Vorbehalte angemeldet und wollen sich auf EU-Ebene mit den Italienern verbünden. Ob die Befürchtungen der Weinländer bezüglich einer Ausweitung der Warnhinweise auf die ganze EU begründet sind, bleibt dahingestellt: Ein Versuch, solche Etiketten europaweit einzuführen, ist von der EU-Kommission erst im letzten Jahr abgeschmettert worden. Für die nur in Irland eingeführten Warnhinweise hat die EU-Kommission dagegen im Januar grünes Licht gegeben. Nun muss sich Brüssel wegen des Protestes von Italien, Frankreich und Spanien erneut mit der Causa befassen.

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