Während die Obmänner eines Einwohnerantrags zur Erhaltung des Gebäudes eine ganze Palette möglicher Nutzungen präsentieren, sind Gutachter in Sachen Statik und Brandschutz pessimistisch. Die Gemeinderäte sind sich in zwei Fragen einig.

Betont sachlich und mit rund zweistündiger Dauer hat sich Kernens Gemeinderat mit dem Thema „Zukunft der Genossenschaftskelter Stetten“ beschäftigt. Mit dabei waren Jochen Beurer, Klaus Eißele und Eberhard Kögel, die drei Obleute eines Einwohnerantrags, der veranlasst hatte, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. 200 Unterschriften waren dafür nötig. Die Tatsache, dass binnen weniger Tage mehr als 300 zusammenkamen zeige, dass die Sache mit der Kelter die Stettener umtreibe, sagte Kögel: „Wir hätten noch viel mehr Unterschriften bekommen können.“

 

Kämpfer für die Kelter fordern mehr Zeit

Das Ziel sei zunächst, so erläuterte Kögel im Rahmen der Präsentation zum Einwohnerantrag, „dass wir Zeit bekommen, um Nachnutzungsmöglichkeiten entwickeln zu können“. Dieser Wunsch richte sich keineswegs gegen die Genossenschaft, in deren Besitz sich das Gebäude in deren Liquidierungsphase noch befindet. Aber: „Die Kelter hat große Bedeutung für Stetten, weit über den Ort selbst hinaus.“

In ihrer halbstündigen Präsentation vor dem Ratsgremium und rund 50 Zuhörern stellten die Obleute unter anderem eine Ideensammlung zur künftigen Nutzung vor. Zusammen mit dem Architekturbüro Jeggle wurden mögliche künftige Nutzungen des rund 65 Meter langen Baus mit freitragender Dachkonstruktion erarbeitet.

Die Ideensammlung umfasst etwa eine Vinothek, eine Hausbrauerei, Café oder Gastronomie, einen von örtlichen Erzeugern genutzten Bauernmarkt oder auch eine „Wine-Bank“ mit Schließfächer für besonders wertvolle Weine. Ein Indoor-Spielplatz steht mit auf der kreativen Liste möglicher Kelternutzungen, ebenso eine Galerie samt Ausstellungen für örtliche Künstler, eine Anlaufstelle der Remstal Touristik sowie Kunstateliers zum Mieten. Auch ein Weinbau- und Obstbaumuseum samt Touristik-Info als Ausgangspunkt für Attraktionen wie Kugelbahn, Klettergarten oder Schafwanderweg wird vorgeschlagen, dazu auch Gewerbeschauen, Indoor-Golf oder multifunktionale Spielfelder für verschiedene Sportarten.

Statikexperte: „Ziemlich deprimierend“

Die Aussichten für den Bau aus dem Jahr 1931 nannte im Anschluss an die Obleute-Präsentation der Statikexperten Roland Fischer „ziemlich deprimierend“. Problematisch sei zum einen, dass es von dem Gebäude außer einer groben Skizze keinerlei Unterlagen zu Konstruktion und Statik gebe. Klar sei, dass das Tragwerk keine zusätzlichen Lasten etwa durch Verkleidung oder Brandschutzummantelungen tragen könne. Entsprechende Ertüchtigungen und Sanierungsmaßnahmen nebst einer tauglichen und zeitgemäßen Dachdeckung seien voraussichtlich so kostenaufwendig, dass die nötigen Arbeiten letztlich mindestens genauso teuer werden dürften wie ein kompletter Neubau anstelle des historischen Gebäudes.

Der Brandschutzspezialist Christof Backes, seitens der Kommune ebenfalls als Gutachter für die zum Verkauf stehende Kelter beauftragt, befürchtet bei einem Brand im Gebäude „akute Einsturzgefahr binnen Minuten“. Die Einstufung entspreche aktuell dem Standard F Null, also keinerlei Brandschutz – ohne Zeit für die Feuerwehr, dort eingreifen zu können.

Zwischennutzungen, wie sie als Interimslösung bis zu einer Entscheidung vorgeschlagen wurden, werden laut dem Genossenschaftsvertreter Rüdiger Borck nicht möglich sein. Dort dürfen, so ein aktueller Bescheid aus dem Landratsamt, entsprechend der ursprünglich genehmigten Nutzung, ausschließlich Wein und Trauben gelagert werden. Jede andere Nutzung des Gebäudes erfordert eine Nutzungsänderung samt entsprechendem Bauantrag.

Wenn je nach Nutzung laut Gesetz noch eine Löschanlage notwendig wäre, würden sich auch hier die Kosten schnell im hohen sechsstelligen Bereich bewegen. Sowohl über Kosten als auch über eine Genehmigungsfähigkeit könnten allerdings ausschließlich für den jeweiligen Einzelfall Aussagen gemacht werden. Gehandelt wurde im Gremium in Summe ein Sanierungsaufwand von mindestens 1,5 Millionen Euro auch für die einfachsten Varianten.

Was ist die Position des Bürgermeisters?

Kernens Bürgermeister Benedikt Paulowitsch betonte, dass letztlich die Genossenschaft entscheide, was mit der Stettener Kelter passieren wird. „Wenn jemand gefunden wird, der investieren möchte, ist das für uns als Gemeinde in Ordnung.“ Wenn aber kein Interessent gefunden wird, werde man prüfen, was mit Kelter und im Zweifelsfall mit dem Grundstück passieren soll. Über die Bedeutung der Kelter sei sich auch die Verwaltung aber durchaus bewusst.

In den Fraktionen des Kernener Gemeinderats herrschte weitgehend Einigkeit, dass die Erhaltung der Kelter wünschenswert sei. Mögliche Kosten von mehreren Millionen Euro, da herrscht allerdings ebenfalls weitgehend Konsens, seien nicht zu stemmen. Man sollte Zeit gewinnen „bevor die Kelter abgerissen wird“, sagte der CDU-Rat Rolf Schlegel. Und es sei wünschenswert, dass sich die Gemeinde an diesem Prozess beteilige. Ein Problem bleibe, dass die Gemeinde bislang nicht der Eigentümer sei.