Traditions- und Heimatpflege, die schmeckt: Aus dem Stuttgarter Osten kommt ein Riesling, der für Lokalpatrioten ein Hochgenuss ist.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Stuttgart - Die Überreste sind noch überall erkennbar: Im Stuttgarter Westen stehen Weinbergmauern in Obstgärten, an den Hängen in Rohracker ist eine Wiese von Steinen durchzogen, über dem Katharinenhospital wachsen Sträucher an und aus den Mauern. Sie sind Relikte einer Zeit, in der in Stuttgart auf rund 1200 Hektar Wein angebaut worden ist – und zwar lange bevor Bad Cannstatt oder Untertürkheim eingemeindet worden sind.

 

In der Stadt war sogar eine Zeit lang zum Schutz der heimischen Wengerter der Import von auswärtigem Wein und das Bierbrauen verboten. Bekanntermaßen hat es auf die Dauer nichts genutzt, die Industrie hat die Landwirtschaft verdrängt. Auch wenn Stuttgart mit noch mehr als 400 Hektar zu den Großstädten (wie Wien zum Beispiel) mit der meisten Rebfläche zählt: In der Kernstadt sind von Hunderten von Hektar gerade noch zehn übrig.

Immerhin bemüht sich die Stadt, die letzten Reste dieser Weinbautradition zu erhalten. Erstens mit einem eigenen Weingut und zweitens mit vereinten Kräften. In Gablenberg fragte das Liegenschaftsamt beim Wein- und Obstbauverein nach, ob sich dessen Mitglieder nicht um einen von noch zwei Weinbergen in dem Stadtteil kümmern könnten. Die Anfrage kam gelegen, dem Verein fehlte es trotz seines Namens an einem solchen Stückle.

Der Weinbaumeister vom städtischen Weingut gab dann Starthilfe. Jeweils rund 500 Liter Riesling und Trollinger erzielen die Gablenberger im Gewann Sauhalde, den Wein lassen sie von Fachleuten in einem Weingut ausbauen. Er gilt als Rarität und ist für Lokalpatrioten natürlich ein Hochgenuss: Der Riesling duftet wie ein Streuobstapfel – fruchtig, herb und säuerlich – und ist ein sauberes Exemplar der klassischen schwäbischen Gattung. Was ihm fehlt, ist vermutlich etwas Sonne. Deshalb bauen mittlerweile fast alle anderen Wengerter ihre Trauben auf der anderen Seite des Tales an.

Gablenberger Riesling 2015, 6,50 Euro, Wein- und Gartenbauverein Gablenberg, erhältlich bei Margarethe Strauß, Tel. 07 11 / 48 44 22.