Endspurt in den Weinlagen von Leonberg und Gerlingen: Mit dem Abschneiden von Trauben ist es beim „Herbsten“ nicht getan. Und aufpassen müssen die Helfer auch.

Leonberg: Thomas K. Slotwinski (slo)

Schlussspurt für die Wengerter in Leonberg und Gerlingen. Früh haben sie wegen der milden Temperaturen in diesem Jahr mit dem „Herbsten“, der Weinlese, begonnen. Doch längst nicht alles wurde schon in der zweiten September-Hälfte abgeerntet. Denn viele Trauben sollten von der Sonne noch den letzten Schliff bekommen.

 

Doch der Plan ging nicht immer auf: Statt von Sonne waren die letzten Tage des Septembers und der Start in den Oktober weitgehend von Regen geprägt. Eilends mussten die Wengerter retten, was zu retten war. Am Feiertag, 3. Oktober, herrschte in den Weinbergen oberhalb der Glems reger Betrieb.

Die ganze Familie muss bei der Weinlese in Leonberg-Eltingen ran

Dennoch sind die heimischen Weingärtner nicht unzufrieden. „Die Qualität ist gut, die Oechsle-Grade sind hoch“, sagt etwa Axel Röckle. Er hat in Leonberg-Eltingen Reben am Ehrenberg und in der Feinau stehen, die er gemeinsam mit seinem Neffen Marc Sattler bewirtschaftet. Die beiden sind das ganze Jahr über in ihren Steilhängen beschäftigt, doch wenn es an die Lese geht, dann müssen die ganze Familie und viele Freunde ran. Die Maßeinheit Oechsle übrigens, benannt nach dem Apotheker Ferdinand Oechsle aus Pforzheim, bestimmt den Zuckergehalt der Trauben.

Am unteren Ende des Hanges am Ehrenberg stehen schon der Traktor und der Anhänger bereit, mit denen die Trauben abtransportiert werden. Foto: Simon Granville

Wie bei den anderen Wengertern in Leonberg und Gerlingen wird auch bei der Familie Röckle per Hand gelesen. Und das kann mitunter zur Geduldsprobe geraten. Denn nur die guten Trauben kommen in die Eimer. Geplatzte und gequetschte Beeren werden von den Helfern aussortiert.

Dann schlägt die Stunde der Buttenträger. Das sind die Männer mit einem länglichen Gefäß im Großformat auf dem Rücken, der Butte. Sie bringen das Lesegut von oben nach unten, wo auf einem Wirtschaftsweg in den Steilhängen schon der Traktor mit Anhänger für die Trauben steht. Ein buchstäblich schwerer Job, bei dem jeder Schritt auf den engen Treppen sitzen muss.

Doch nicht nur die Buttenträger haben ihre Mühe, sondern auch die Frauen und Männer, die die Trauben lesen. „Das war diesmal ein brutales Gefitschel“, sagt denn auch Axel Röckle, der in seinem Hauptberuf Rechtsanwalt ist und im Leonberger Gemeinderat der Fraktion der Freien Wähler vorsitzt. „Viele Beerenhäute waren schon geplatzt.“ Der Grund: „In diesem Jahr hatten wir sehr viele Wespen und Bienen“, erklärt Röckle. „Wenn die an die Trauben gehen, werden die Häute porös.“ Keine Probleme hingegen hat diesmal die berüchtigte Kirsch-Essig-Fliege gemacht.

Ganz schön steil: Blick auf den Leonberger Ehrenberg von oben. Foto: Simon Granville

Die Frauen und Männer, die in festem Schuhwerk und mit speziellen Scheren ausgestattet zwischen den Rebstöcken aktiv sind, haben ganz schnell klebrige Hände. Viele tragen dünne Handschuhe. Doch die Detailarbeit lohnt sich. Je akribischer die schlechten Beeren ausgelesen werden, desto besser wird das Produkt. Diese Gewissheit hilft über so manche Anstrengung hinweg.

Weinlese in Leonberg: Wurstsalat gibt Kraft für die zweite Runde

So ein Lesetag kann sich hinziehen, und wenn dann noch die Sonne von oben brennt, ist das eine schweißtreibende Angelegenheit. Verstärkt wird die gefühlte Pein durch den Anblick der Kollegen von nebenan: Der Wengerter Martin Hartmann der seine Helfer sitzen schon bei der Vesper und probieren das Ergebnis der Lese des vergangenen Jahres. Aber wie heißt es so schön? Ohne Fleiß kein Preis. Der Wurstsalat, den Silke Sattler am späten Mittag dem Team Röckle serviert, lässt alle Mühen vergessen und gibt Kraft für die zweite Runde. Denn nachdem die weißen Trauben am Ehrenberg abgeerntet sind, müssen noch die Roten in der Feinau geholt werden.

Die gelesenen Trauben kommen in den Hänger. Foto: Simon Granville

Gegen 17 Uhr sind alle froh, dass sich hinter den Laubblättern dann wirklich keine Trauben mehr verstecken. Als Lohn gibt es für jeden ein Fläschle und die Gewissheit, im nächsten Jahr wieder gerne dabei zu sein. Für die Hauptakteure jedoch ist noch lange nicht Feierabend: Axel Röckle und Marc Sattler bringen die Trauben per Traktor in den heimischen Keller, wo sie abgepresst werden, damit der Most weiter gären kann.

Mit der Ausbeute ist der Chef zufrieden: „Das ist eine ordentliche Qualität und gibt rund 1000 Liter rot und weiß.“ Für Axel Röckle eine „marktgerechte“ Menge, die sich in den kommenden Monaten gut verkaufen lasse. Doch bis dahin haben er und sein Neffe noch viel Arbeit. Genau wie die anderen Wengerter in Eltingen und Gerlingen.

Weinbau in Leonberg und Gerlingen

Leonberger Ehrenberg
Der Name umfasst die Weinlagen Ehrenberg und Feinau. Das Terroir des Ehrenbergs ist geprägt durch eine Mischung aus Löss und Lehm, die sich auf einem Kalksteinuntergrund befinden. Diese Bodenbeschaffenheit bietet gute Bedingungen für den Weinbau, da sie eine gute Wasserspeicherfähigkeit aufweist und gleichzeitig für eine ausreichende Belüftung der Rebenwurzeln sorgt. Die Weinlage Ehrenberg selbst wurde erstmals im 16. Jahrhundert dokumentiert. Der örtliche Obst-, Garten- und Weinbauverein, in dem sich auch die Winzer Christian Bock, Thomas Friedrich, Martin Hartmann und Stefan Hartmann engagieren, veranstaltet stets Anfang August das beliebte Wengerterfest in der Feinau.

Gerlinger Bopser
Die Gesamtfläche von acht Hektar unter diesem Namen besteht aus den Einzelgebieten Lettlenberg, Rote Halde und dem Tal. Hier wachsen die Trauben für die Weine Trollinger, Lemberger, Schwarzriesling, Dornfelder, Zweigelt, Samtrot, Spätburgunder (rot) sowie Kerner, Weißburgunder, Riesling, Silvaner, Grauburgunder (weiß). Die Weingüter Kühner, Sadlo, Schopf und Volz verkaufen die Sorten und locken ebenfalls mit Weinfesten.