Die letzten Weinlesen laufen im Landkreis. In Spielberg hat die Stadt Sachsenheim einen eigenen Weinberg. Verwaltungsmitarbeiter schnippeln die Beeren von den Reben.

Spielberg - Mittwochmorgen, 8 Uhr, am Rande des Sachsenheimer Ortsteils Spielberg. Während der Ort noch verschlafen in Nebel gehüllt liegt, versammelt sich am Hang eine kleine Truppe, ausgerüstet mit bunt strahlenden Allwetter-Anoraks und weniger strahlenden Gummistiefeln – man weiß ja nie bei dem Wetter. In der Nacht hat es noch heftig geschüttet, in Rheinland-Pfalz schneit es sogar vereinzelt. Und laut Wetterdienst hat es an diesem Morgen gerade einmal drei Grad. Nicht gerade die besten Bedingungen, um die vielleicht besten Weintrauben seit Jahren zu ernten.

 

Aber es hilft nichts, die Weingärtner Stromberg-Zabergäu drängen zur Ernte. Heute ist letzter Liefertermin. Bei ihnen wird der Sachsenheimer Stadtwein verarbeitet und abgefüllt. Richtig, die Stadt Sachsenheim hat einen eigenen kleinen Weinberg, 25 Ar groß. Ursprünglich hat ihn die Stadt gekauft, um ihn später als mögliche Tauschfläche für Landwirte anbieten zu können, wenn irgendwo anders Bauflächen benötigt werden. Das hat sich aber nie ergeben, und so bewirtschaftet die Stadt den Weinberg seit dem Jahr 1996.

Hier ernten Mitarbeiter der Stadt

Die Damen und Herren in Gummistiefeln und Anoraks sind nämlich Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Mitglieder des Gemeinderats. Der Bürgermeister Horst Fiedler, heute mit Wollmütze und Wanderschuhen, pflückt auch mit, aber eher zurückhaltend: „Zuviel wäre wahrscheinlich nicht gut für die Qualität des Weins“, scherzt er. Sachsenheim sei im Landkreis Ludwigsburg zwar nicht die einzige Kommune mit eigenem Wein, „wahrscheinlich aber die einzige, wo der Bürgermeister miterntet“, sagt er. Dabei sei er qua Herkunft „nicht so weinerfahren“, sagt der Kurpfälzer. Das habe er sich erst in Württemberg angeeignet.

Schon mancher naiver Erntehelfer hat sich hier eine Erkältung geholt. Denn ohne wetterfeste Schuhe und Handschuhe friert man schnell. Noch wichtiger ist aber der Eimer. Denn ohne ihn kann keiner ernten. Immer wieder verbreitet sich echo-artig der Ruf nach einem Eimer von links nach rechts. Von dort werden dann leere Erntekübel unter den Reben durchgereicht, bis sie befüllt wieder in die andere Richtung gehen. Pro Zeile, so nennt man eine nach oben gezogene Reihe Weinreben, schnippeln zwei Helfer. Wer oben fertig ist, hilft in anderen Zeilen aus. Weinlesen ist Teamarbeit. Dabei unterhalten die Helfer sich über das, was die Stadt bewegt: Was tut sich beim Wasserschloss? Wie geht’s weiter mit der ehemaligen Gaststätte Ochsen in Spielberg? Und am wichtigsten das Thema Fußball: Holland ist draußen.

Zu saure Trauben landen im Dreck

Ein guter Weinleser ist noch nicht vom Himmel gefallen. Das hat auch Kati Grimm feststellen müssen. Sie arbeitet im Liegenschaftsamt, und damit ist die Weinlese für sie quasi Pflichttermin. Sie ist in diesem Jahr zum zweiten Mal dabei und muss sich gleich Kritik anhören: „Die Trauben wollen nicht mal die Vögel“ , sagt Rolf Schäfer mit heruntergezogenen Mundwinkeln und wirft eine Rispe mit hellen Beeren aus Grimms Ernteeimer in den Dreck. Je heller, desto saurer. Und sauer will man beim süßen Muskat-Trollinger nicht. Grimm selbst trinkt die Sorte aber auch selten. „Wenn, dann gekühlt.“

Schäfer arbeitet seit 22 Jahren auf Weinbergen. Der bärbeißige Spielberger hat auch kein Problem, den Bürgermeister anzufrotzeln: „Jetzt muss man euch Theoretikern wieder zeigen, wie die Praxis funktioniert.“ Er ist überzeugt: „Dieses Jahr haben wir eine Spitzenqualität“ – auch wenn manch städtischer Erntehelfer die fauligen Beeren nicht so sauber aussortiert. „Das ist Edelfäule“, kommentiert er trocken.

Die Trauben und die Flächen im Landkreis

Sachsenheim
Der Winzer Reiner Wirth schätzt, dass er in diesem Jahr etwa 3000 Kilo Beeren vom städtischen Weinberg zur Strombergkellerei fahren wird. Im vergangenen Jahr waren es 3800 Kilogramm. Der Stadtwein wird nur zu besonderen Anlässen, beispielsweise Jubiläen, verschenkt, aber auch auf dem Weihnachtsmarkt verkauft.

Rebsorten
Der Muskat-Trollinger ist eine in Baden-Württemberg selten angebaute Rebsorte: Von 11 343 Hektar Rebfläche insgesamt in Württemberg sind nur 93 Hektar mit Muskat-Trollinger bepflanzt. Vor allem angebaut werden Trollinger (2253 ha), Riesling (2123 ha), Lemberger (1682 ha) sowie Schwarzriesling (1509 ha).

Kreis
Knapp 2100 Hektar Rebfläche werden im Landkreis Ludwigsburg bewirtschaftet – das sind 18 Prozent des Anbaugebiets in Württemberg. Ein Markenkern des Weinanbaus im Kreis Ludwigsburg sind die terrassierten Steillagen. Mit 365 Hektar verfügt der Kreis über knapp die Hälfte aller dieser Lagen in Baden-Württemberg.