Im Museumsweinberg hat die Vorlese begonnen. Der Wengerter Jochen Beurer verrät einige Geheimnisse – zum Beispiel, warum eine der Rebsorten einst verboten war.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Kernen - Unten im Tal steigt aus den Stettener Schornsteinen Rauch in die morgendlich-kalte Oktoberluft. Die Sonne tastet sich nur langsam an der Ruine der Yburg vorbei und lässt die obersten Weinblätter leuchten. Zwischen den Reben knackt und raschelt es: Rund ein Dutzend Helfer von Jochen Beurer sind mit der Vorlese beschäftigt. Man kennt sich, die Arbeit am Weinberg ist entspannt. Fast wie Urlaub hat es ein mit den Beurers befreundeter Winzer einmal empfunden.

 

Kein Wunder: Die Steillage unterhalb der Ruine ist ein Juwel. Auf einer kleinen Terrasse stehen, von Weinreben umrankt, zwei Liegestühle mit bester Aussicht. Ein Gruppe wandernder Rentner zieht vorbei – auch ihnen gefällt der Flecken offensichtlich gut. Rund um die Rebstöcke wachsen Hagebutten, ein Pfirsichbaum, diverse Kräuter. Genau so soll es hier sein, sagt der Demeter-Wengerter Jochen Beurer: „Wir wollen weg von der Monokultur, hin zu mehr Leben im Weinberg.“

Die Rebsorte Heunisch war einst verboten

Wohl auch deshalb haben er und seine Helfer vor zehn Jahren angefangen, die alten, verfallenen Trockenmauern auf dem Grundstück wieder aufzubauen. Die Arbeit war aufwendig und die Beurers beantragten Zuschüsse: „Ein Quadratmeter kostet rund 500 Euro – alleine kann man das wohl kaum stemmen“, sagt er. Wenn er heute auf den Wengert blickt, blitzt auch ein bisschen Stolz aus seinen Augen: Die Reben, aus denen im Jahr 2012 der erste Wein wurde, sind inzwischen ganz schön gewachsen.

Viele davon sogar ziemlich Old-School in der mittelalterlichen Drei-Schenkel-Erziehung: Jeder der Schenkel eines Rebstocks wird wie anno dazumal mit Pfeifengras an einem einzelnen Pflock angebunden – und nicht wie heute zwischen Drähte eingeklemmt. „Das bringt zwar einen sehr hohen Ertrag pro Weinstock, macht aber auch im Vergleich zur modernen Anbauweise sehr viel Arbeit“ , erklärt Beurer. Das Anbinden hat übrigens sein 76-jähriger Vater Siegfried übernommen – „er kennt sich aus mit den Methoden von damals“, sagt Beurer. In dem Museumsweinberg bleibt das Wissen erhalten.

Nicht nur die Erziehung der Rebstöcke ist altmodisch, die angebauten Sorten sind es auch: Im Museumsweinberg wächst unter anderem Heunisch, dessen Gene man heute auch im Riesling findet. Im Mittelalter war die Sorte sehr beliebt. Weniger wegen ihres Geschmacks, sondern auch wegen der schwäbischen Sparsamkeit: Die Weinbauern hatten ihre Zehntsteuer zu entrichten – und mit den großen Beeren des Heunisch war die eingeforderte Menge schnell erreicht. Den hohen Herrschaften schmeckte der Trick nicht besonders: „Da der Heunisch sehr säurebetont ist, wurde er irgendwann verboten“, so Beurer schmunzelnd.

Der Wein bleibt streng limitiert

Andere Sorten, die im Museumsweinberg wachsen, sind Räuschling („der Name kommt bestimmt vom Rausch“), Honigler oder Affenthaler. Im Lauf der Jahre hat die Familie das Spektrum um einige Sorten erweitert; insgesamt 23 Sorten kommen in den gemischten Satz von „Rettet die Reben“. Das Resultat, sagt Beurer, sei ein sehr guter, goldener Weißwein – „aber einer, den man nicht in eine Schublade stecken kann“. Und der mit der Zeit immer besser werde: „Die Reben sind jetzt viel tiefer im Boden verwurzelt, und das schmeckt man“, ist er sich sicher. Wirklich vergrößern will er die rund 14 Ar große Museums-Anbaufläche aber nicht. Daher bleibt der Old-School-Wein streng limitiert auf 300 Flaschen.

In rund zwei Wochen will Beurer dann mit der Hauptlese richtig loslegen. Die Beeren werden dann eingemaischt – mit sauberen Gummistiefeln und auf ganz klassische Weise in einem alten Barriquefass ausgebaut. Von Dezember an gibt es den „Rettet die Reben“-Jahrgang 2015 für 30  Euro je Flasche zu kaufen.