Vor zehn Jahren war Famos in Weinstadt das erste Sozialraumprojekt im Rems-Murr-Kreis, inzwischen gibt es sieben.

Weinstadt - Einfach einmal eine Kissenschlacht in der Schule machen – bei Famos ist das kein Problem. Seit zehn Jahren gibt es das Projekt Familie und Schule im Sozialraum, kurz Famos, unter der Trägerschaft der Evangelischen Gesellschaft (eva) an der Silcherschule für Kinder, die im Klassenverband auffallen. Wichtig dabei ist: Kein Kind muss zu Famos, sondern man darf. „Die Teilnahme ist freiwillig“, erklärt Jana Bares. Gemeinsam mit Oliver Bense bildet die Sozialpädagogin das neue Leitungsteam des Sozialraumprojekts an der Endersbacher Grundschule. „Manche Schüler haben auch schon versucht, sich selbst dafür anzumelden, weil ihre Freunde bei uns sind“, erzählt Bares und lacht. Das gehe aber nicht.

 

Die Teilnahme ist freiwillige

Die Auswahl träfen die Lehrer, erklärt Birgit Albrecht-Schrödel, die zuvor zusammen mit einem Kollegen Famos geleitet hat. Nach einem unverbindlichen Erstkontakt zu den Eltern dürften die Kinder drei Mal zum Schnuppern kommen. Das Konzept der Freiwilligkeit geht auf. Von Beginn an seien die Eltern dem Angebot gegenüber sehr offen gewesen. „Nur in Einzelfällen hat es Überzeugungsarbeit gebraucht.“ Auch der Bedarf war gegeben. So hätten sich schnell Wartelisten für die beiden siebenköpfigen, nach Alter aufgeteilten Famos-Gruppen gebildet. Dabei sei es unterschiedlich, wie lange ein Kind aufgenommen werde. „Manche sind nur relativ kurz drin, andere werden drei Jahre lang begleitet“, berichtet Albrecht-Schrödel aus ihrer Erfahrung. „Oftmals entwickeln sich weitere Hilfen daraus, ein Erziehungsbeistand oder eine Sozialpädagogische Familienhilfe.“

Dabei werden längst nicht nur Kissenschlachten bei Famos veranstaltet. Viel mehr geht es um soziales Lernen bei ganz unterschiedlichen gemeinsamen Aktivitäten: von Basteln über hauswirtschaftliche Dinge wie Kochen und Backen bis hin zum Schwimmen gehen. „Wichtig ist, dass die Aktivitäten ein Stück Freizeitcharakter haben, zwar in der Schule stattfinden, aber die Kinder sich dennoch ganz anders erleben können als im Unterricht“, sagt Bares. Dafür werde der Blick auf die Stärken der Kinder gelegt und nicht, wie sonst oft in der Schule und daheim, auf das, was sie noch nicht können, ergänzt Albrecht-Schrödel. Damit die Kinder hierbei nicht nur miteinander, sondern auch von einander lernen könnten, achte man auf eine gute Mischung mit Jungen wie Mädchen in den Gruppen, Kindern mit Migrationshintergrund und ohne sowie stillen und lebhaften Schülern. Neben der Gruppenarbeiten seien auch Elterngespräche und Einzelarbeit mit den Kindern wichtige Projektbestandteile.

Das Kreisjugendamt hat das Projekt initiiert

Der Vorstoß ein solches Angebot für Familien in Weinstadt einzurichten sei vom Kreisjugendamt gekommen, sagt Christof Wiedmann, der stellvertretende Bereichsleiter für Famos bei der eva. „Gemeinsam mit der Stadt wurde dann überlegt, wo gibt es Bedarf und wo kann man das Projekt angliedern.“ Warum ist die Wahl auf die Silcherschule gefallen? Sind die Schüler dort problematischer? Das Spezielle an der Schule sei, dass sie eben eine Innenstadtschule sei mit einem höheren Migrationsanteil und wenig Grünflächen drumherum, was zu mehr Anspannung bei den Schülern führe, antwortet Wiedmann. Doch seien Kinder letztlich immer nur „Sensoren“ für den gesamtgesellschaftlichen Druck, unter dem Familien stünden, etwa materiell. „Beide Eltern gehen beispielsweise arbeiten, haben dadurch weniger Zeit für ihre Kinder, und trotzdem bleibt durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse wenig Geld.“

So ist Famos, das in Endersbacher nicht nur an der Grundschule angeboten wird sondern mit der Jugendhilfeverbund Winnenden als Träger auch an der Erich-Kästner-Schule – früher eine Haupt- und Werkrealschule, jetzt eine Gemeinschaftsschule – zwar eines der ersten Sozialraumprojekte im Rems-Murr-Kreis, aber nicht das einzige. Insgesamt gibt es nach Angaben des Landratsamtes inzwischen sieben. Die eva ist etwa auch an der Lehenbachschule in Winnenden und der Ernst-Heinkel-Realschule in Remshalden vertreten – und zwar mit „You win – du gewinnst“ (Uwin).

Vorreiter im Kreis

Projekte: Famos war im Jahr 2006 das erste Sozialraumprojekt im Kreis. Inzwischen gibt es weitere sechs in Waiblingen, Welzheim, Winterbach, Remshalden Murrhardt, Weissach im Tal und Sulzbach an der Murr unter verschiedenen Trägerschaften und Namen. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie gemeinsam mit dem Kreisjugendamt Rems-Murr entwickelt wurden. Als freie Träger sind mit im Boot: Evangelische Gesellschaft (eva), Jugendhilfeverbund Winnenden, SOS-Kinderdorf Württemberg, Diakonischer Jugendhilfeverbund Heilbronn, Verein Kinder- und Jugendhilfe Backnang.

Erfolg: Als Gradmesser des Erfolgs sieht Christof Wiedmann von der eva den langen Bestand von Famos und seine Akzeptanz bei Familien und Schulen. In den gesamten zehn Jahren seien die Gruppen immer voll gewesen.