Die jüngste Zusammenkunft des Weissacher Gemeinderates endet mit einem Eklat. Fast in Fraktionsstärke verlassen die Freien Wähler an diesem 24. September die Sitzung. Schimpfend stürmen die Kommunalpolitiker aus dem Rathaus.

Weissach - Die jüngste Zusammenkunft des Weissacher Gemeinderates endet mit einem Eklat. Fast in Fraktionsstärke verlassen die Freien Wähler an diesem 24. September den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung. Schimpfend stürmen die Kommunalpolitiker aus dem Rathaus. Die Demokratie sei hier, in Weissach, in Gefahr, so wettern sie. Doch was ist überhaupt geschehen? Was bringt den Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gohl und fünf seiner Mitstreiter derart in Rage?

 

Klar ist: der Abgang der Freien Wähler ist ein weiterer Akt im schwelenden Streit zwischen der Fraktion der Freien Wähler und der Bürgermeisterin Ursula Kreutel. Obwohl Kreutel selbst Freie Wählerin ist und die Wählergruppierung im Kreistag vertritt, gibt es zwischen ihr und der Fraktion seit Monaten immer wieder Auseinandersetzungen. Die Räte protestieren, teilweise auch per Schreiben an die Kommunalaufsicht und den Landrat, gegen Kreutels Umgang mit ihrem Hauptamtsleiter Jürgen Troll. Kreutel hatte Troll nach einem heftigen Streit und monatelangem Kompetenzgerangel im April beurlaubt. Mittlerweile hat das Verwaltungsgericht Stuttgart ihn wieder zurück ins Amt befördert (wir berichteten). Doch Kreutel hat noch dazu während Trolls Abwesenheit im Mai durchgesetzt, dass er seinen Posten als Geschäftsführer der kommunalen Baugesellschaft der Porschegemeinde verliert. Und dieser Beschluss hat Bestand.

Trolls Abberufung aus der „Kombau“ ist nach Informationen unserer Zeitung auch indirekt der Grund für den Streit an diesem 24. September. Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung ist eine Abstimmung angesetzt. Der Gemeinderat soll auf Verwaltungswunsch ein Sitzungsprotokoll nachträglich genehmigen. Und zwar das der Gemeinderatssitzung von eben jenem 2. Mai – in welcher der Gemeinderat beschlossen hatte, Troll seinen Kombau-Posten zu nehmen.

Vertrauliche Gespräche vor dem Eklat

Die Bürgermeisterin Ursula Kreutel zieht sich mit Vertretern der zwei weiteren Fraktionen im Gemeinderat, der Bürgerliste und der Unabhängigen Liste, kurz vor der Abstimmung für wenige Minuten zu vertraulichen Gesprächen in die Cafeteria des Rathauses zurück. Als das Gremium wieder versammelt ist, stellt der Bürgerlisten-Rat und zweite stellvertretende Bürgermeister Martin Jäckle sofort einen Antrag zur Geschäftsordnung: Ohne Aussprache soll über das Mai-Protokoll entschieden werden.

Es findet sich eine Mehrheit. Über das Mai-Protokoll wird also nicht mehr diskutiert, obwohl die Freien Wähler eben doch noch Klärungsbedarf sehen. Sie zweifeln an, ob die Sitzungsprotokolle wirklich die Diskussion im Rat im Mai richtig wiedergeben. Jäckles Antrag nehmen die Freien Wähler nun als Maulkorb wahr und verlassen in der Folge den Saal; noch im Rausgehen stimmen sie gegen die nachträgliche Genehmigung des Mai-Protokolls, haben aber auch hier keine Mehrheit.

Die Abstimmung über das umstrittene Dokument war überhaupt erst nötig geworden, weil eine schriftführende Beamtin und eine zuständige Gemeinderätin ihre Unterschrift unter dem Protokoll verweigert haben sollen oder zumindest Zweifel daran anmeldeten – und in einem solchen Fall muss der Gemeinderat selbst die Schriften genehmigen. Offen zu den jüngsten Vorfällen befragt, geben sich die meisten Beteiligten schmallippig. Der Antragsteller Martin Jäckle von der Bürgerliste verweist auf die Nicht-Öffentlichkeit, ebenso die Bürgermeisterin Ursula Kreutel.

Bürgermeisterin Ursula Kreutel schweigt

Kreutel äußert sich lediglich allgemein zur Geschäftsordnung: „Impulse zu Anträgen dazu kommen aus dem Gemeinderat, sind normales demokratisches Handeln.“ Das bestätigt indes auch die Kommunalaufsicht: „Tagesordnungspunkte ohne Aussprache sind je nach Geschäftsordnung nicht unüblich“, erklärt der Landratsamt-Sprecher Dusan Minic.

„Die Vorwürfe gegen Herrn Troll sind haltlos, das hat das Verwaltungsgericht schon entschieden“, lässt wiederum Wolfgang Gohl verlauten, der Freie Wähler-Chef. Zum Verlassen der Sitzung äußert er sich nicht öffe ntlich, auch nicht zu der Frage, ob er und die anderen Freien Wähler bei der kommenden Sitzung in zwei Wochen wieder erscheinen werden. Aber: seiner Fraktion sei daran gelegen, die Sache „offen und ehrlich“ zu klären, so Gohl. Sein Fraktionskollege Martin Killper, der unlängst wegen der Debatte von seinem Amt als Aufsichtsratsmitglied der Kombau zurücktrat, springt ihm bei: „Vieles muss auf den Tisch, aber nicht mit dubiosen Anträgen.“

Gerhard Mann von der Unabhängigen Liste, der selbst gegen die Aussprache votiert, betont: „Die ganze Angelegenheit wurde schon so oft besprochen, alle Argumente sind schon ausgetauscht.“ Auch hätten die Stellungnahmen der Fraktionen, auch die der Freien Wähler, schriftlich vorgelegen, sagt er. Mann bezeichnet die Diskussion um die Sitzungsprotokolle als „ewige Zerferei“, die man habe beenden wollen. „Darüber noch einmal zu entscheiden, das wäre für uns nur eine Formalie gewesen“, sagt der Unabhängige Listen-Vorsitzende. Auch habe man die Schriftführerin schützen wollen. So oder so: Mann sagt, er wäre froh, wenn es eine Möglichkeit gebe, „die Sache aus der Welt zu schaffen.“