Was waren das noch für Zeiten, als die Grünen ausschließlich mit dem Fahrrad gefahren sind, die Formel 1 verbieten wollten und ein Tempolimit von 80 auf Autobahnen gefordert haben. Jetzt steigt sogar der einst so rebellische Verkehrsminister Winfried Hermann in einen Hybrid-Porsche – und schwärmt vom „Pioniergeist“, der hier in Weissach herrscht.

Weissach - Was waren das noch für Zeiten, als die Grünen ausschließlich mit dem Fahrrad gefahren sind, die Formel 1 verbieten wollten und ein Tempolimit von 80 auf Autobahnen gefordert haben. Das ist nicht nur zeitlich, sondern auch politisch-kulturell eine andere Ära. Selbst die Worte aus Winfried Kretschmanns Anfangszeit, man solle doch in Baden-Württemberg weniger Autos bauen, sind längst verklungen. Jetzt steigt sogar der einst so rebellische Verkehrsminister Winfried Hermann in einen Hybrid-Porsche – und schwärmt vom „Pioniergeist“, der hier in Weissach herrscht.

 

Ja, es hat sich wirklich viel getan. Der Porsche-Chef Matthias Müller hat den Ministerpräsidenten diese Tage gar als „Vorbild“ bezeichnet. In Weissach war dieser längst, nun kommt also an einem strahlend sonnigen Herbsttag auch der Mann, der in der Region gerne mal alle Verkehrsprojekte durcheinander bringt. Oder als Gottseibeiuns der Stuttgart-21-Anhänger weite Teile der Wirtschaftselite des Landes provoziert hat.

Friedliche Eintracht von Porsche und Grünen

Nun schreitet er in friedlicher Eintracht mit dem Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz aus dem schmucken 70er-Jahre Bau. Braun gebrannt, entspannt, mit Jeans und offenem Hemdkragen. Nein, einen Porsche gefahren ist er noch nie, bekennt er. „Aber meine Mitarbeiter haben mir einen kleinen, ferngesteuerten vor diesem Besuch geschenkt“, flachst der ehemalige Lehrer.

Unter dem Blitzlichtgewitter der zahlreich vertretenen Medien schaut er sich erst die Stromtankstelle an, bei der ein silberner Panamera S E Hybrid am Tropf hängt. Der kostet zwar mit 110 000 Euro kaum mehr als der herkömmliche, hat aber einen Elektromotor und kann mit dem bis zu 120 Sachen fahren. Der Minister setzt sich hinters Steuer, lässt sich von Wolfgang Hatz die vielen Konsolen erklären.

Die Automatik-Gangschaltung gleicht fast dem Armaturenbrett eines Flugzeuges. Der Ladestand der Batterie wird angezeigt. Mit einem schwungvollen Ruck setzt sich das Auto in Bewegung, das in 5,6 Sekunden auf 100 ist. Allerdings ohne das gewohnte Porsche-Röhren.

Fast lautlos gleitet der Schlitten sanft durch das „Gehirn von Porsche“, vorbei an dem Eingangsbereich, an dem sich internationale Besucher und Ingenieure fast pausenlos die Hand geben. Es geht auf die Kreisstraße nach Mönsheim. Auch die Presse fährt den Boliden, darf selbst hinters Steuer. Gibt man „zu viel“ Gas, röhrt es dann doch, und der Verbrennungsmotor schaltet sich ein. „Das Besondere ist, dass man den Übergang kaum merkt“, freut sich der Projektmanager Michael Dimitrow.

Von der Straße grüßt ein CDU-Plakat

Der Minister fährt einen sogenannten „Schaufensterwagen“, der im Ländle getestet wird. Für elf Hotels stellt Porsche zum Test die Panamera-Hybrids zur Verfügung, um sie im Praxistest zu prüfen. Es geht in den Enzkreis, durch Mönsheim, ein letztes CDU-Wahlplakat mit dem örtlichen Abgeordneten Gunther Krichbaum grüßt vom Straßenrand. Die Wege sind nicht allzu breit, weiter nach Iptingen. In den Kurven lässt sich erfahren und erfühlen, dass es kaum Unterschiede gibt zwischen Elektro- und Ottomotor, tatsächlich nicht mal beim Geräusch, so leise schnurrt der Tiger.

Es geht zurück nach Weissach, die Strohgäubahn grüßt für den öffentlichen Nahverkehr. Der Minister ist 24,2 Kilometer gefahren. „Davon 21,3 rein elektrisch“, sagt der Porsche-Sprecher Achim Schneider. Der durchschnittliche Verbrauch: 3,2 Liter, oder 73 Gramm pro Kilometer. „Es ist beeindruckend, dass ein Rennauto einen Wert erreicht, den andere vielleicht 2020 anstreben“, lobt der gebürtige Rottenburger.

Ja, es sei eine wahre Pionierleistung, einen solchen Wagen für die Straßenflotte vom Band rollen zu lassen. „Porsche hat da einen Riesensprung gemacht“, sagt Hermann, „und das ohne Leistungseinbußen.“ Das zeige, was Ingenieurskunst möglich mache. Bei so viel Lob steht der Weissacher Porsche-Leiter Wolfgang Hatz nicht hintan. „Diese Technologie ist hier in Weissach entwickelt worden“, sagt er. Und zu Hermann gerichtet: „Wir verstehen uns.“ Hatz lobt, wie pragmatisch man zusammen arbeite. Auch bei seinen Mitarbeitern gebe es eine ganze Reihe Grünen-Mitglieder.

Gar keine Streitthemen? Tempolimit vielleicht? „Man kann sich ja nicht in allem einig sein“, sagt Wolfgang Hatz und schmunzelt. Und Winfried Hermann betont, Verkehr sei mehr als Autos, das dürfe man nicht vergessen. Dass die grüne Basis, die ja in Weissach in Form des BUND die Erweiterung des Entwicklungszentrums kritisiert, den Schmusekurs kritisch sieht, glaubt er nicht: „Es war schon immer ein Märchen, dass wir Grünen alles mit dem Fahrrad machen.“

Ämter verändern die Menschen und die Verantwortung ebenfalls. Beim Hybrid-Panamera treffen sich grüne Mission und automobile Passion. Wäre ein solch sparsamer Wagen nicht sogar ein guter Dienstwagen für einen Minister? Hermann grinst. „Vom Verbrauch her ja, aber als Minister muss ich auch auf den Preis schauen.“