Sie rechnet mit deutlich weniger Steuereinnahmen, muss außerdem den Konflikt mit dem Weissacher Hauptamtsleiter Jürgen Troll bewältigen. Dennoch blickt Ursula Kreutel optimistisch in die Zukunft. Die einzige Bürgermeisterin im Altkreis ist davon überzeugt, dass Weissach eine starke Gemeinde ist und in Zukunft bleiben wird.

Sie rechnet mit deutlich weniger Steuereinnahmen, muss außerdem den Konflikt mit dem Weissacher Hauptamtsleiter Jürgen Troll bewältigen. Dennoch blickt Ursula Kreutel optimistisch in die Zukunft. Die einzige Bürgermeisterin im Altkreis ist davon überzeugt, dass Weissach eine starke Gemeinde ist und in Zukunft bleiben wird.
Frau Kreutel, zurzeit beherrschen Kräne den Himmel über Weissach – Porsche erweitert sein Entwicklungszentrum. Da haben Sie etwas mit ihrem Kollegen Wolfgang Faißt in Renningen gemeinsam. . .
Der Vergleich hinkt natürlich etwas, denn Porsche gibt es in Weissach schon lange, während Bosch in Malmsheim neu baut. Klar ist aber: Im Landkreis Böblingen bewegt sich an vielen Stellen etwas, auch bei uns. Die erhöhte Arbeitsbelastung, die die Ansiedlung eines Entwicklungszentrums für eine Verwaltung mit sich bringt, kennen wir übrigens ebenfalls schon lange.

In Renningen diskutieren die Bürger auch die Frage, wie Bosch die Stadt kulturell und sozial verändern wird, nicht nur wirtschaftlich. Wie wird Porsche Weissach in den kommenden Jahren weiter beeinflussen ?
Bei uns hat eine solche Veränderung ja bereits stattgefunden – das Unternehmen beeinflusst das Leben und die Menschen in Weissach schon seit Jahrzehnten. Viele Menschen sind mit Porsche eng verbunden. Und der Standort des EZW hat eine einmalige Entwicklung unserer Infrastruktur ermöglicht, die für eine Gemeinde unserer Größe einzigartig sein dürfte. Aber die Gemeinde hat in den 90er Jahren auch die unangenehmen Auswirkungen kennengelernt, die von einem großen Gewerbesteuerzahler ausgehen können. Den Anstieg der Arbeitnehmer spüren wir momentan insbesondere beim Verkehr. Weitere Auswirkungen auf die Infrastruktur oder das Gemeinwesen erwarte ich nicht. Im Bereich der öffentlichen Einrichtungen haben wir eigentlich alles, was wir benötigen und vieles darüber hinaus. Und der Regionalplan gesteht uns keine größeres Wachstumspotenzial zu.

Obwohl Porsche in Weissach wächst, können Sie nicht unbedingt davon ausgehen, dass die bisher sehr erfreulichen Gewerbesteuereinnahmen weiter fließen. Seit dem 1. August gehört die Porsche AG vollständig zu Volkswagen. Wie wird sich das auf Weissach auswirken?
Das wissen wir noch nicht genau, es hängt von der künftigen Verteilung der Lohnsummen ab, die Grundlage für die Berechnung der Gewerbesteuerzerlegungsanteile für die verschiedenen Standorte ist. Wir sind jetzt jedenfalls in einem Boot mit den großen Volkswagen-Werken. Auch wenn Porsche in Weissach weiter wächst – verglichen mit den rund 48 000 VW-Mitarbeitern in Wolfsburg ist das hiesige Entwicklungszentrum kein großer Standort. Andererseits könnte es sein, dass eine Art Erfolgsanteil – also die Bewertung, welcher Unternehmensbereich zum Gesamterfolg beiträgt – dem Standort Weissach und damit uns zu Gute kommt.

Dennoch schätzen Sie, dass die Einnahmen sinken werden?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass unser Stück vom Kuchen künftig deutlich kleiner ausfällt. Wir erwarten allerdings keine Entwicklung wie sie Sindelfingen mit Daimler-Chrysler durchleben musste, dass Gewerbesteuereinnahmen komplett wegbrechen werden, wir plötzlich gar nicht mehr von Porsche partizipieren. Wir arbeiten zurzeit an einem belastbaren Haushalt für das Jahr 2013, sind im Gespräch mit Porsche, um zu erfahren, wo die Reise hingehen könnte. Wie das Ergebnis 2012 ausfallen wird, ist auch noch nicht klar. Im Haushalt vorgesehen sind jedenfalls 32,4 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen.

Porsche ist natürlich nicht das einzige Unternehmen in Weissach. Wie läuft der Verkauf der Grundstücke im Gewerbegebiet Neuenbühl II?
Er läuft gut. Noch sind nicht alle Grundstücke vermarktet, es gibt noch Flächen. Wir versuchen uns hier breit aufzustellen, den einheimischen Unternehmern Entwicklungspotenzial zu bieten und möglichst vom Automobil unabhängige Firmen zu gewinnen. Allerdings ist die Fläche insgesamt sehr übersichtlich.

Denken Sie an eine Erweiterung?
Wir haben nach derzeitigem Stand des Flächennutzungsplan-Entwurfes ja die Möglichkeit einer Erweiterung vorgesehen. Auch hier gilt: Von der Region ist für die Gemeinde Weissach Eigenentwicklung vorgesehen, nicht mehr. Ich will das übrigens nicht nur negativ bewerten. Es ist natürlich wichtig und richtig, über Neubauten zu diskutieren und beispielsweise auch die Porsche-Erweiterung zu reflektieren. Der Gegensatz zwischen wunderschöner Landschaft und High-Tech macht auch den besonderen Reiz unserer Region aus.

Von der Wirtschaftsentwicklung zur Zukunft des Ortes allgemein: Um den Gemeindeentwicklungsprozess Weissach 2025 ist es ruhig geworden..
Die laufenden Prozesse erzielen momentan vielleicht nicht immer Außenwirkung. Das heißt aber nicht, dass die Ergebnisse aus dem Gemeindeentwicklungsprozess „Weissach 2025“ nicht konsequent fortgeführt werden, im Gegenteil. Ein solcher Prozess ist ja kein statischer Vorgang, der irgendwann abgeschlossen ist. Die Entwicklung geht ständig weiter. Auch wenn mir vereinzelt vorgeworfen wurde, dass ein solcher Prozess oft mehr Zeit kostet, bis Ergebnisse greifbar werden, weil die Bürger eingebunden werden – und nicht allein der Gemeinderat eine Entscheidung fällt –, bin ich überzeugt davon, dass dieser Gemeindeentwicklungsprozess richtig und wichtig war. Durch die Bürgerbeteiligung ist eine größere Akzeptanz anstehender Entscheidungen zu erwarten. Und die Gewichtung der Projekte hat natürlich der Gemeinderat beschlossen.

Können Sie handfeste Beispiele für Erfolge des Prozesses nennen?
Wir haben bereits Handfestes erarbeitet wie den Gewässerentwicklungsplan und das Gestaltungs-und Pflegekonzept für unsere vielen Grünflächen. Beides ist in der Umsetzung. Ein weiteres konkretes Beispiel für Bürgerbeteiligung ist unser Engagement in der Solar-Bundesliga, als ein Element auf dem Weg zur Energie-Plus-Gemeinde – also mehr Energie selbst zu erzeugen als wir verbrauchen.

Ein ambitioniertes Ziel. Welche Möglichkeiten des Einflusses hat eine Gemeinde da?
Wir haben natürlich auf allen öffentlichen Gebäuden, auf denen das möglich war, Photovoltaikanlagen installieren lassen. Außerdem bieten wir durch diverse Förderprogramme den Bürgern Anreize, selbst in Solartechnik zu investieren. Es gibt beispielsweise finanzielle Unterstützung für Photovoltaik und Solarthermie und den KfW 55-Standard. Auf freien Bauplätzen „Hinter der Kirche“ wollen wir fünf Energie-Plus-Reihenhäuser errichten lassen. Leider signalisiert uns der damit befasste Bauträger, dass das Interesse noch nicht so groß ist, wie wir dies erwartet haben. Dabei sparen die Besitzer solcher Häuser sofort stark bei den Energiekosten, auch wenn die Gebäude etwas teurer sind. Sie kosten rund 270 000 bis 300 000 Euro, bieten bis zu 140 Quadratmeter Wohnfläche.

Auch die Verkehrsentwicklung ist in den Bürgerwerkstätten und Diskussionen ein Thema gewesen. Sie selbst setzen vor allen Dingen auf Temporeduzierung und punktuelle Umbauten, um die Verkehrssituation in den Ortsdurchfahrten zu beruhigen. Die Freien Wähler haben nun eine neue Ortsumfahrungsvariante in die Diskussion geworfen, die bestehende Feldwege nutzen soll. Was halten Sie denn von dieser Idee?
Die Freien Wähler setzen sich ja schon länger dafür ein, irgendeine Form von Umfahrung zu schaffen. Klar ist: Das ist ein sehr komplexes Thema, das man nicht einfach auf die Frage „Straßenbau oder nicht“ herunter brechen kann. Wir haben uns bisher immer an die harten Fakten gehalten, die unsere Verkehrsplaner vom Büro Kölz errechnet haben. Demnach ist eine Umfahrung schon allein aufgrund unserer Topografie nur sehr schwer zu realisieren und mit großen Eingriffen in die Natur verbunden. Die Prognosen des Büro Kölz sagen zudem aus, dass wir damit nicht den großen Wurf landen. Daher ist hier der erforderliche Eingriff gegen den voraussichtlichen Erfolg abzuwägen. Die thematisierten Wege sind wichtig für die Landwirtschaft und zudem für viele Menschen ein wichtiges Naherholungsgebiet. Wir werden das Thema zeitnah nach den Ferien im Gemeinderat diskutieren und das weitere Vorgehen zur Abstimmung bringen.

Ausbauen wollen sie dafür die Weissacher und Flachter Schulen: Sie sollen zu einer Gemeinschaftsschule zusammen wachsen. Wie ist da der Stand der Dinge?
Ein Schwerpunkt aus „Weissach 2025“ war die Stärkung beider Schulstandorte. Mit der Bildungsinitiative 2012/13 haben wir dies aufgegriffen und damit einen Prozess angestoßen. Viele Lehrer, Eltern und Kommunalpolitiker in Weissach haben sich Gedanken gemacht, wie unsere Schulstandorte sich entwickeln sollen. Wir sind auf breiter Basis von der Gemeinschaftsschule überzeugt. Natürlich gibt es aber auch Kritiker. Nach Beschlusslage des Gemeinderates werden wir einen Antrag stellen, dass wir ab dem Schuljahr 2013/14 Standort einer Gemeinschaftsschule sein können, jedoch sind dabei noch einige Hürden zu überwinden.

Welche Hürden sind das genau, vor denen die Gemeinde noch steht?
Vor den Ferien waren Vertreter der Schulämter zur Visitation in Weissach. Diesen wurde die Konzeption vorgestellt, wir haben die Örtlichkeiten präsentiert. Nun warten wir auf die Entscheidung, die hoffentlich zügig nach den Sommerferien fällt. Selbstkritisch betrachten wir aber auch die Entwicklung unserer Schülerzahlen. Die Entwicklung zeigt hier auf, dass zur Darstellung der Zweizügigkeit Anmeldungen aus den umliegenden Gemeinden erforderlich sind. Klar ist außerdem: Wenn sich der Gemeinderat für die Gemeinschaftsschule entscheidet, stehen uns Um- und Ausbauten mit Kosten in Millionenhöhe bevor.

Ein weniger schönes Thema ist die Stimmung im Rathaus. Sie hatten Ihren Hauptamtsleiter Jürgen Troll suspendiert, mittlerweile sitzt er nach einem Entscheid des Verwaltungsgerichtes in Stuttgart wieder an seinem Arbeitsplatz. Wie lassen sich diese Wogen glätten?
Grundsätzlich arbeiten im Rathaus wie in der gesamten Gemeindeverwaltung viele motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als Dienstleister für unsere Bürgerinnen und Bürger tolle Leistungen erzielen. Punktuelle Konflikte strahlen jedoch leider in die gesamte Mitarbeiterschaft aus. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Äußerungen meinerseits, ob öffentlich oder nicht öffentlich getätigt, haben oft mehrseitige Schriftsätze auf meinem Schreibtisch zur Folge. Daher bitte ich um Verständnis für meine Zurückhaltung.