Die Naturschützer des BUND schließen sich zusammen und protestieren gegen die geplante Erweiterung des Entwicklungszentrums. Mit einer Baumpflege-Aktion wollen sie auf die Grenzen des Wachstums von Porsche hinweisen.
Weissach/Mönsheim - Das Plakat ist noch druckfrisch. „Natur schützen – Porsche stoppen“ haben die elf Naturschützer aufgeschrieben. Am Dienstag war der Landwirtschaftsminister Alexander Bonde zu Gast in Weissach, das Plakat war die Begrüßung der elf Männer und Frauen. Gleichzeitig war es ein weiteres Kapitel in der jahrzehntelangen Geschichte von Porsche in Weissach und Mönsheim. Es ist eine Geschichte von Heimat und Entfremdung, von Industrie und Landwirtschaft, auch von Auto- und Kartoffelanbau.
Jetzt stehen die elf Naturschützer auf dem Höhenrücken zwischen Weissach und Mönsheim und präsentieren ihr Plakat dem Pressefotografen. Kürzlich hatte der Sportwagenhersteller Porsche bekannt gegeben, dass er genau hier, auf dem Höhenrücken zwischen dem Schellenberg und dem Heuberg, drei weitere Gebäude errichten will.
Und damit hat Porsche bei den Naturschützern für einen weiteren Tropfen gesorgt, deren Fass aber eigentlich längst übergelaufen ist. „Der Schellenberg und der Heuberg sind beides europarechtlich geschützte Naturschutzgebiete“, sagt Annette Michl. Sie arbeitet beim Landesnaturschutzverband in Stuttgart und hat jetzt eine Landkarte ausgepackt. Sie schimpft: „Und der Höhenrücken, auf dem wir jetzt stehen, ist eine notwendige Verbindung zwischen diesen beiden Schutzgebieten.“
Vor allem Fledermäuse seien es, die hier fliegen müssten – und dies nicht mehr könnten, wenn hier zukünftig Porsche-Mitarbeiter in ihrer neuen Kantine speisen. „Ohne solche Verbindungskorridore droht eine Verinselung der Naturschutzgebiete“, sagt Annette Michl. „Dann sterben die Arten aus.“
Etwa 15 Jahre ist es jetzt her. Da haben Weissach und Mönsheim hier schon einmal geplant zu bauen – ein interkommunales Industriegebiet. Das wollten Naturschützer verhindern und haben deshalb die „Schutzgemeinschaft Heckengäu“ (MöWe) gegründet. Das Gewerbegebiet konnten sie damals stoppen, die MöWe gibt es aber immer noch. Jetzt heißt der große Gegner: Porsche. „Wir wissen, dass Porsche erst zu Ende kommt, wenn er beim Ochsen in der Mönsheimer Ortsmitte angekommen ist“, sagt Joseph Michl. Der Sportwagenhersteller kaufe sämtliche Ackerflächen hier auf, um dann nach und nach zu bauen.
Bei den MöWe-Leuten steht auch Simone Reusch. Sie ist beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Mönsheim – und sie sitzt für die Bürgerliste im Mönsheimer Gemeinderat. Dort hört sie all die Argumente pro Porsche wie Arbeitsplätze und Gewerbesteuer. „Die Wahrheit ist aber doch: Das meiste von der Gewerbesteuer fließt nach Wolfsburg zu VW“, sagt sie. Und doch formuliert sie vorsichtiger als die anderen Naturschützer, denn sie weiß, Porsche ist wichtig für die Region. „Auch ich habe Bekannte, die dort arbeiten“, erklärt Simone Reusch, „aber trotzdem muss klar sein: Jetzt ist Schluss mit dem ständig neuen Flächenverbrauch.“ Den Höhenrücken, auf dem sie ihr Plakat in den Händen halten, haben die Naturschützer als eine Art von Symbol für die Flächenexpansion von Porsche entdeckt. Hier verläuft nicht nur die Grenze zwischen Weissach und Mönheim, hier trennen sich auch der Kreis Böblingen und der Enzkreis, und mit ihnen die Regierungspräsidien.
„Im Mittelalter, als einem Ritter zur Strafe die Augen ausgestochen werden sollte, durfte er hier oben noch einmal zu seiner geliebten Burg Kapfenhardt in Weissach hinunterschauen“, sagt Doris Schmidt-Welker. Sie ist die Vorsitzende des BUND in Weissach und genießt die frische Luft hier oben auf 480 Metern. Noch, denn drei alte Linden hat Porsche hier bereits gefällt, um Parkflächen zu bekommen. „Jede dieser Linden könnte 15 Leute mit Sauerstoff versorgen“, sagt Ingemar Lah. Zwar gehört Porsche der Grund hier bereits – bebauen darf man solche Höhenzüge nach dem Landes-Gesetz aber nicht, meint der MöWe-Mann aus Flacht.
Bleibt die Frage nach den Alternativen. Denn essen müssen die Porsche-Mitarbeiter ja, eine neue Kantine muss also her. „Die jetzige Kantine ist einstöckig“, hat Simone Reusch festgestellt, „da könnte man zum Beispiel aufstocken.“ Und überhaupt, meint ihr Naturschutzkollege Joseph Michl, „wenn die Firma wirklich so innovativ wäre, sollte es doch möglich sein, kompakter zu bauen und mit dem jetzigen Platz auskommen.“ Auch beim Porsche-Standort in Bietigheim-Bissingen gebe es noch freie Gewerbeflächen.
Ihr Plakat rollen sie jetzt wieder zusammen, die emotionale Luft ist abgelassen, die Argumente sind genannt. Jetzt müssen die MöWe-Leute zu ihrem Biotop, das sie hier ehrenamtlich pflegen. Nein, Radikalopposition wollten sie hier nicht üben. Sie wollten einfach nur friedlich in der Natur leben – und in Koexistenz mit Porsche.
Hoffnungen setzen sie jetzt in den neuen Weissacher Bürgermeister Daniel Töpfer und in neue Einsichten beim Mönsheimer Gemeinderat. „Die Bürger wachen allmählich auf und üben Druck auf uns aus, Porsche in die Schranken zu weisen“, sagt dessen Mitglied Simone Reusch. Und dann könnten sie es vielleicht irgendwann schließen, das Buch mit der langen Geschichte des Kampfes gegen Porsche.