Städte und Gemeinden wollen auch im Inneren wachsen, deshalb genehmigen sie größere Häuser auf den Grundstücken. Ein Fall aus Weissach, wo die Anwohner zu ungewöhnlichen Mitteln greifen.

Weissach - Dass man hier irgendwann bauen würde, das war Hannelore Böhmler bewusst. Von ihrem Garten aus schaut sie hinüber auf ein bislang noch unbebautes Grundstück in der Talstraße im Weissacher Ortskern. Der Leonberger Bauträger „IEP Wohnen“ hat das Anwesen und eine daneben liegende alte Villa gekauft und will auf beiden Grundstücken je drei Reihenhäuser errichten. „Aber muss es gleich so massiv sein?“, fragt sich Böhmler. „Wir verstehen das nicht.“

 

Es ist ein Konflikt, wie er derzeit an vielen Stellen in der Region auftritt. Wohnraum ist knapp, die Möglichkeiten für Neubaugebiete in der Natur sind begrenzt. Nachverdichtung heißt deshalb das Stichwort. Städte und Gemeinden wollen auch im Inneren wachsen, sie überarbeiten Bebauungspläne und genehmigen größere Häuser auf den Grundstücken. So wie hier in Weissach.

Wohneigentum für junge Familien

Wo derzeit noch ein Einfamilienhaus steht, haben künftig drei Reihenhäuser Platz. Für Stephan Schwarz, den Chef von IEP Wohnen, ein ganz normaler Vorgang. „Die Größe dieses Bauvorhabens ist nichts Außergewöhnliches“, sagt er unserer Zeitung. „So machen wir es derzeit an vielen Stellen.“ Gleich, nachdem er die beiden Grundstücke erworben hatte, ist er mit der Weissacher Gemeindeverwaltung in Kontakt getreten. Dort habe man sogar ein Mehrfamilienhaus vorgeschlagen. „Aufgrund unserer Markterfahrung haben wir uns für zwei Mal drei Reihenhäuser entschieden“, sagt er. Das sei gerade für junge Familien eine Chance, an Wohneigentum zu kommen.

Im Rathaus findet man die Pläne gut, auch der Technische Ausschuss des Gemeinderats hat sein Einvernehmen schon gegeben. „Das ist ein klassischer Fall von Nachverdichtung, den wir begrüßen“, sagt der Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU). Die Baugenehmigung muss allerdings das Landratsamt Böblingen erteilen – und dort liegt der Fall aktuell zur Bearbeitung.

Die Anwohnerin Hannelore Böhmler hat nämlich Widerspruch eingelegt. „Ich habe den Eindruck, dass hier Regel missachtet wurden“, sagt sie. „Auch im Rathaus hat niemand unsere Fragen beantwortet.“ Kurz hinter der Grundstücksgrenze beginnt den Plänen zufolge die Wand der Reihenhäuser, davor sind sechs Garagen geplant – ihrer Meinung nach alles viel zu massiv. „Man könnte die Garagen doch unter die Erde verlegen“, schlägt Böhmler vor. Sie hat sich Rat beim Pforzheimer Anwalt Philippe Singer geholt. Sein juristisches Argument: Weil es sich seiner Meinung nach um eine Außenbereichsinsel handele, müsse man einen Bebauungsplan aufstellen. Das hat die Gemeinde nicht vor. „Im Bebauungsplanverfahren sichert eine geordnete städtebauliche Entwicklung“, erklärt Singer. „Und berücksichtig im Besonderen auch die Interessen der Anwohner.“

Petition, um das Thema bekannt zu machen

Zu durchaus ungewöhnlichen Mitteln greift Hannelore Böhmler jetzt, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Sie hat Ende November eine Petition beim Landtag eingereicht. „Es läuft derzeit bei diesem Thema so viel schief, das dürfen wir uns nicht mehr gefallen lassen“, sagt die Anwohnerin. „Ich versuche mit dieser Petition darauf aufmerksam zu machen.“

Derzeit hole der Landtag eine Stellungnahme beim zuständigen Ministerium ein, sagt ein Sprecher unserer Zeitung. Dann entscheidet erst der Petitionsausschuss und dann der Landtag. Im Schnitt sechs Monate dauere ein Petitionsverfahren. Und bis das entschieden ist, kann auch das Landratsamt nicht über die Baugenehmigung befinden. Solange gelte ein Stillhalteabkommen, sagt die dortige Sprecherin.