Jürgen Herrmann entspricht ziemlich genau dem Bild, das man so von einem Schäfer hat: Weißer Bart, Hut, ruhiges Wesen. Am liebsten steht er hier auf dem Ettlesberg, mit seinen 18 jungen und 13 alten Schafen, und schaut ihnen beim Weiden zu.

Weissach - Jürgen Herrmann entspricht ziemlich genau dem Bild, das man so von einem Schäfer hat: Weißer Bart, Hut, ruhiges Wesen. Am liebsten steht er hier auf dem Ettlesberg, mit seinen 18 jungen und 13 alten Schafen, und schaut ihnen beim Weiden zu. „Wir Schäfer sind schon manchmal etwas eigen“, schmunzelt der 62-Jährige, der seit 40 Jahren ehrenamtlich die Wolltiere hütet. „Am liebsten sind wir für uns hier draußen in der Natur mit den Tieren“, sagt hbserrmann. Er ist kein Mann der großen Worte.

 

Angefangen hat alles, als sein Schwager in Flacht vor vier Jahrzehnten zwei Lämmer mitgebracht hat. Herrmann hat einen Schafbock dazu besorgt, und schon war die Keimzelle der kleinen Herde gesät, die es bis heute gibt. Herrmann hat bis vor Kurzem als Krankenpfleger in der Leonberger Klinik gearbeitet, nun ist er im Vorruhestand. Zusammen mit seiner 34-jährigen Tochter Amrey hat er die Tiere trotz Schichtdienst immer gut versorgt. „Zwei Mal am Tag muss man nach ihnen schauen“, erzählt der Flachter.

Auch sonst ist die Schäferei viel Arbeit: Die Flächen müssen umzäunt, die Tiere auf Parasiten untersucht und behandelt, ihre Klauen gekürzt und ihr Fell zwei Mal im Jahr geschoren werden. Viel Geld verdienen kann man damit nicht mehr, selbst wenn das Fleisch der Lämmer verkauft wird. „Ein Schaf zu scheren kostet 2,50 Euro, die Wolle bringt weniger ein“, meint Herrmann.

Schon in den 60-er Jahren hat der letzte hauptberufliche Schäfer in Flacht aufgehört, bis in die 80-er Jahre hinein hat der Gebersheimer Karl Baumgärtner noch Winterweide betrieben. Wer heute in Weissach und Flacht Schafe hütet, tut dies ehrenamtlich, nicht des Profites wegen.

Doch Jürgen Herrmann geht es um den Naturschutz. Schließlich hat Weissach mit viel Aufwand seit den 90-er Jahren die völlig mit Büschen überzogenen Hänge aufwendig renaturiert. „Ohne die Schafe würden sie wieder zuwachsen“, erklärt auch Daniel Hartmann, der im Weissacher Rathaus für Naturschutz zuständig ist.

Und so erfreut sich Jürgen Herrmann an Silberdisteln, vielen Tier- und Pflanzenarten. „Kürzlich habe ich sogar einen Wiedehopf gesehen“, meint der zweifache Familienvater, der sich auch ehrenamtlich in der ökologisch orientierten Unabhängigen Liste engagiert. Mit Unbehagen schaut er auf das Porsche-Entwicklungszentrum, die Kräne der Baustelle sind am Horizont sichtbar: „Dazu sage ich besser nichts.“ Aber das ist ein anderes Thema, auch wenn Herrmann lange Zeit im Gemeinderat saß – das übernimmt jetzt seine Frau Susanne.

Es ist ein heißer Vormittag, die Schafe haben sich im Schatten eines Baumes zurückgezogen. Vier schwarze Schafe hat Herrmann in seiner Herde. „Früher hat man das vermieden, weil sich dunkle Wolle schlechter verkauft hat“, sagt er. „Ich mag sie aber gerne.“ Überhaupt hat er eine enge Verbindung zu seinen Tieren – deswegen könnte er auch nie ein Lamm selbst schlachten. Ja, die Schafzucht ist ihm ein Herzensanliegen.

Und Jürgen Herrmann ist kein Einzelkämpfer. Denn seit 2009 wird die Schafzucht in Weissach professionell koordiniert. Dazu haben sich die Schäfer damals zusammengeschlossen: Neben Herrmann waren das Hartmut Ansel, Simon Essig und Karlheinz Heck. Sie haben eine Weidegemeinschaft gegründet, Herrmann ist deren Vorsitzender. „So können wir uns besser abstimmen, wer welche Flächen beweidet“, sagt er. Im Weissacher Rathaus koordiniert Daniel Hartmann die Aktivitäten, auch der Landschafts-Erhaltungsverband im Landratsamt ist im Boot. Der Gärtner Dieter Walz hat ein Konzept erarbeitet – und so wird die schöne Heckengäu-Landschaft rund um Weissach und Flacht systematisch erhalten. Insgesamt 15 Schäfer sind in der Gemeinschaft engagiert, dazu kommen noch einige, die auf eigene Faust arbeiten. Herrmann schätzt, dass insgesamt etwa 250 Schafe in der Gemeinde gehalten werden. Sein Kollege Hartmut Ansel hat sogar die seltenen Coburger Fuchsschafe.

Der Erfolg ist sichtbar. Jürgen Herrmann blickt auf den Hang des Ettlesberges. „Vor zehn Jahren hätten ich hier niemals mit meinen Hunden laufen können“, erzählt er. Jetzt blühen hier Blumen, viele Vögel und Insekten, Igel oder Hasen tummeln sich an dem lauschigen Hang.

Der Aufwand ist groß. Erst vor zwei Wochen hat Jürgen Herrmann die Geburt eines schwarzen Schafes überwacht, leider hat das Lamm nicht überlebt. Auch sonst müssen die Tiere rund um die Uhr überwacht werden. „Zum Glück arbeitet meine Tochter so viel mit“, sagt Herrmann, „sonst wäre das nicht möglich.“ So kann er wenigstens auch ab und zu in den Urlaub fahren. Und in Zukunft? Der 62-Jährige schmunzelt: „So lange ich noch gesund genug bin, werde ich immer Schafe hüten.“