Gibt es in Weissach Keller? Hier hätte man höchstens – ketzerisch gesagt – ein paar Leichen im Keller vermutet. Aber nichts dergleichen. Ja, es gibt hier herrliche Gewölbe, private wie öffentliche. Man muss sie nur finden und den Schlüssel dazu haben.

Weissach - Gibt es in Weissach Keller? Von Leonberg her kennt man das ja, auch wenn leider beim Pferdemarkt immer weniger geöffnet sind. Aber in der schönen Strudelbachgemeinde? Hier hätte man höchstens – ketzerisch gesagt – ein paar Leichen im Keller vermutet. Aber nichts dergleichen. Ja, es gibt hier herrliche Gewölbe, private wie öffentliche. Man muss sie nur finden und den Schlüssel dazu haben.

 

Den hat Gerhard Mann, im Ort wohlbekannt als kritischer Kopf und Fraktionschef der Unabhängigen Liste. Aber um Politik geht es an diesem stimmungsvollen Abend nun wirklich nicht. „Ich lade Sie zu einer Runde ein“, schmunzelt der Ingenieur, der tagsüber im Landesamt für Geoinformation in Stuttgart tätig ist. So zieht er einen selbst gemachten Weissacher Schlehen-Likör aus der Tasche, auf der Mauer beim Pfarrgarten steht für jeden Besucher ein Gläschen parat. Das vertreibt vielleicht manche gruselige Gestalten.

Dann erzählt Gerhard Mann etwas über Keller und Kultur. „Ich erinnere mich noch, wie man früher Eis aus dem Bach geholt, es zu Stücken geschlagen und in die Keller gebracht hat“, erzählt Mann. So konnte das Bier das ganze Jahr gekühlt werden. Aber genug der Theorie, es geht um die Keller!

Der erste ist an einer völlig ungewohnter Stelle: in der vor vier Jahren schön restaurierten Bibliothek in der Zehntscheuer. „Kommen Sie herunter“, lädt Susanne Flierl, die Leiterin der Bücherei, die Gäste ein. Sie führt sie durch einen engen Gang. In dem Steingewölbe ist alles blitzblank. Hier hat man früher vermutlich Lebensmittel gelagert. Flierl liest aus einem Buch über Sagen und Legenden des Heimaterzählers Franz Georg Brustgi vor – und trotz der eher sterilen Atmosphäre will ein wenig Gruselstimmung aufkommen.

Aber das ist erst der Anfang. Die Gruppe marschiert die Kalkofenstraße nach oben, und hält an einem Privathaus. Gerhard Mann zieht einen Schlüsselbund heraus. Aber oh weh – keiner passt! Kein Problem, dann wird halt geklingelt. Der Bewohner schaut aus dem Fenster, drückt das Knöpfchen – und schon geht das Tor auf. Hinter einer nun wirklich völlig unscheinbaren Fassade geht ein steiler, tiefer Gang weit in die Erde hinein. Und plötzlich stehen wir in einem verwunschenen Zauberkeller. Flechten haben sich an den Wänden gesammelt. „Schauen Sie hier hoch“, ruft der Gruppenführer, und zeigt verwinkelte Schächte bis zur Oberfläche.

Ein genial ausgetüfteltes System, in den Berg hinein gebaut. Und siehe da, die Gastgeber haben stilecht ein paar Bierfläschen aufgebaut. Schließlich handelt es sich hier um den Weissacher Eiskeller, vermutlich über 200 Jahre alt. Es geht weiter, zum Alten Schulhaus aus dem Jahr 1841. Darunter ist ein alter Keller von 1610. Hier ist das Weissacher Wappen zum ersten Mal in der Geschichte aufgetaucht.

Hinter dem Gebäude geht es in einen weiteren, wirklich tiefen Keller, und Susanne Flierl erzählt eine Sage aus Rutesheim. Dort soll eine alte Familie namens Bolay einen Schatz gefunden haben. Schmunzeln im Keller. „Deswegen haben sie den Baumarkt“, lächelt ein älterer Herr. Dann folgt noch eine Geschichte über das Gespenst vom Flachter Pfarrhaus – eine rastlose Seele. Die Kirchturmuhr schlägt bald zehn Uhr am Abend. Ein Zwischenstopp in den Kellern unter den Gaden, wie man einfache Vorratshäuser nannte – hier wurden früher Lebensmittel gelagert, die im Winter die Existenz ganzer Familien gesichert haben. Spinnenweben liegen in der Luft. Man mag sich gerne vorstellen, wie im finsteren Mittelalter in kalten Wintern dieses Verlies ein wichtiges Refugium war. „Wenn die Vorräte hier verdarben, konnte das den Tod bedeuten“, erzählt Gerhard Mann nüchtern.

Und doch steht das Highlight erst noch bevor: der Keller unter dem Herrenhaus. Hier wurde nämlich Wein gelagert. Deswegen gibt es zwei Schlüssel, die man gleichzeitig einstecken musste. „Wenn man allerdings zwei Schlawiner hatte, hat das auch nicht geholfen“, lacht der Ortsführer. Dann war der Wein halt weg. Der Keller macht wirklich einen verwunschenen Eindruck. Die Holzbalken sind hier so morsch, dass die Besucher sie nicht berühren dürfen.

Und dann liest Susanne Flierl eine Geschichte von Edgar Allan Poe vor, „Fass Amontillado“, in der der böse Fortunato in eine Falle gelockt und eingemauert wird. Mucksmäuschenstill ist es. Als ob Edgar Allan Poes Geist hier spuken würde.